Die Farbwerke Hoechst gehörten von 1925 bis 1945 zusammen mit anderen Unternehmen dem berüchtigten Konzern IG Farbenindustrie AG an, der nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges für seine weit reichende Unterstützung des NS-Regimes massiv kritisiert wurde. Neuere Forschungen der letzten Jahrzehnte schienen die IG Farben jedoch bis zu einem gewissen Grad zu rehabilitieren: Das Management sei kaum politisch motiviert gewesen, vielmehr sei die opportunistische, ökonomisch motivierte Nutzung von pervertierten Rahmenbedingungen der Regelfall gewesen. Für diese Studie untersuchte der Verfasser die Verstrickungen des Werkes Hoechst in den Nationalsozialismus erneut. Dazu wertete er in erster Linie z. T. neu zugängliches Material aus verschiedenen Archiven aus. Als besonders wertvoll erwiesen sich die Dokumente in den Unternehmensarchiven, die sich im vorliegenden Fall durch ungewöhnlich viele handschriftliche Vermerke und Aufzeichnungen auszeichneten. Lindner erhielt so einen besonderen Einblick in die innere Entscheidungsstruktur von Hoechst. Die Unterlagen belegen eine zunehmende Politisierung des Unternehmens und widerlegen damit den bisherigen Forschungsstand: Die NS-Politik wurde in vielfältiger Form aktiv unterstützt und umgesetzt. Dies geschah u. a. durch eine politisch ausgerichtete Personalpolitik mit entsprechend motivierten Einstellungen und Kündigungen, durch Druck auf die Belegschaft, in NS-Organisationen einzutreten, durch die aktive Nachfrage nach so genannten „Fremdarbeitern“ und sogar durch die Beteiligung an Menschenversuchen. Die sorgfältige, sehr detaillierte, chronologisch strukturierte Studie entstand im Auftrag der ehemaligen Hoechst AG (heute Aventis S. A.), die die durchaus heiklen Forschungsergebnisse aber, so wird im Vorwort betont, in keiner Form beeinflusst habe.