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/ 22.06.2013
Jean-Luc Nancy (Hrsg.)

Identität. Fragmente, Freimütigkeiten. Aus dem Französischen von Richard Steurer

Wien: Passagen Verlag 2010; 84 S.; 11,90 €; ISBN 978-3-85165-958-0
Nicht nur in Zeiten von Integrations- und Zuwanderungsdebatten spielen Fragen nationaler Identität oder allgemeiner eines nationalen Traditions- und Selbstverständnisses eine wesentliche Rolle. Der französische Philosoph Nancy nimmt die 2009 durch den Staatspräsidenten Sarkozy angestoßene Debatte um die französische Identität und ihre Beschreibung zum Anlass, sich dem Begriff der Identität in seinen verschiedenen Facetten zu nähern. Spöttisch charakterisiert er diesen Regierungsvorstoß als sinnlosen Versuch, „Frankreich eine Figur zu verleihen“ (70), die in der darin verordneten Besinnung auf Überlieferungen, Traditionen und Feindbeschreibungen ihre Rückständigkeit erweist. Nancy betrachtet vielmehr die Beziehungen von Individuen in Gesellschaften, die sich durch die Identitätszuschreibung Territorium oder Pass als Volk bzw. Nation bestimmen, aus einem zukunftsgerichteten Verständnis. Die Aufgabe heißt demnach: „[M]an passt zuerst diese Identität aufs einfachste und am besten abgestimmte Weise den aktuellen und kommenden Bedürfnissen der Gesellschaft an.“ (70) Im „Ozean von Identitätsmaterialien“ (55) sind Grenzen willkürlich und historisch bedingt. Ihre Entwicklung ist frei und rät zur Offenheit und nicht zur Abgrenzung. Diese Offenheit wendet Nancy sowohl auf Fragen der personalen Identität wie auf die Identität einer Nation an. Die philosophischen und psychologischen Kurzanmerkungen Nancys nehmen pointiert die Hintergründe der politischen Identitätsdebatte und ihrer auf Eingrenzung und Selbstbesinnung zielenden Implikation auf und rufen in ironischer Schärfe und keineswegs auf Frankreich beschränkt freimütig zu dessen Infragestellung auf. Dabei wird jedoch die Frage des philosophischen Wechselspiels von der ihre eigene Identität ausbildenden Person und der erst dadurch bestehenden Möglichkeit einer Anerkennung des ihr gegenüber Stehenden nur schwach berücksichtigt.
Ellen Thümmler (ET)
Dr., Politikwissenschaftlerin, wiss. Mitarbeiterin, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 5.42 Empfohlene Zitierweise: Ellen Thümmler, Rezension zu: Jean-Luc Nancy (Hrsg.): Identität. Wien: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/32736-identitaet_39096, veröffentlicht am 19.01.2011. Buch-Nr.: 39096 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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