/ 22.06.2013
Lech Zieliński
Ideologie und Lexikographie. Die Ideologisierung des Wörterbuchs der deutschen Gegenwartssprache von Ruth Klappenbach und Wolfgang Steinitz
Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2010 (Danziger Beiträge zur Germanistik 31); 178 S.; 36,80 €; ISBN 978-3-631-59874-0Der Anspruch des SED-Regimes, Leben und Denken der Menschen in der DDR zu steuern, lässt sich bis hin zu einem einzelnen Buchprojekt zurückverfolgen: Das von 1952 bis 1977 geschriebene und publizierte „Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache“ fiel – eingebettet in den Kontext der Anpassung des DDR-Wissenschaftsbetriebs – einer expliziten Ideologisierung zum Opfer. Die Zäsur trat ein, nachdem die ersten drei Bände unter dem Dach der Akademie der Wissenschaften bereits erschienen waren. Um auch noch die letzten Reste unabhängigen Denkens zu unterbinden, wurde mit der Akademiereform 1968 bis 1972 die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin in die Akademie der Wissenschaften der DDR umgewandelt und ideologisch unter Kuratel gestellt. Die SED habe den gesamtdeutschen Charakter der Forschungen und Projekte beseitigen und die Schlüsselpositionen mit Parteimitgliedern besetzen wollen, so Zieliński. Entsprechend sei im vierten Band das ideologische Programm offengelegt worden: Ab sofort sei auch sprachlich eine Abgrenzung zur Bundesrepublik sichtbar zu machen, hieß es, sowie die weitere Arbeit auf die Grundlage der marxistisch-leninistischen Ideologie zu stellen. Zur näheren Begründung wurde angeführt, dass „die Monopolbourgeoise die Sprache zunehmend für den Versuch [missbraucht] , die öffentliche Meinung mit Hilfe der ihr zur Verfügung stehenden Massenkommunikation zu manipulieren“ (51). Auch das Wörterbuch habe der Konfrontation zweier Weltsysteme Rechnung zu tragen. Zieliński listet detailliert auf, zu welchen sprachlichen Verrenkungen diese Vorgaben, deren Umsetzung streng kontrolliert wurde, führten. Vor allem die Verknüpfung von „sozialistisch“ und „Sozialismus“ mit allen möglichen Begriffen habe zu der realitätsfremden Definitionen geführt („[...] dass Kunst und Kultur nicht irgendwelcher schöner und kostbarer Zierrat zum Schmuck der Fassade sind, sondern Lebensbestandteil der sozialistischen Gesellschaft“ [118]). Der Autor gibt zu, dass er sich beim Schreiben der Studie gefragt hat, „ob man sich mit solchen Absurditäten überhaupt beschäftigen soll“ (166). Aber so lasse sich der Verfall der Wissenschaft und damit der Kultur in der DDR dokumentieren.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314
Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Lech Zieliński: Ideologie und Lexikographie. Frankfurt a. M. u. a.: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/32664-ideologie-und-lexikographie_38996, veröffentlicht am 13.10.2010.
Buch-Nr.: 38996
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Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
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