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/ 03.06.2013
Konrad Ott

IPSO FACTO. Zur ethischen Begründung normativer Implikate wissenschaftlicher Praxis

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1997; 830 S.; 98,- DM; ISBN 3-518-58243-7
Habilitationsschrift Leipzig. - Wer sich mit Fragen der Wissenschaftsethik befaßt, dürfte aus einer gründlichen Auseinandersetzung mit Otts Buch erheblichen Gewinn ziehen. Mit den Mitteln einer anwendungsorientierten Diskursethik untersucht und begründet es praktische Implikationen der Wissenschaft. Die Praxis Wissenschaft vollzieht sich in einem netzartigen Gefüge verschiedenster Normen; ihre "sittliche Kultur" (48) wird vorausgesetzt; ihre Bestandteile werden daraufhin überprüft, ob sie einer Begründung "im Sinne des diskursiven Einlösens von Geltungsansprüchen" (193) standhalten. Dieses Vorgehen zwingt Ott nahezu zu einer tour d'horizon durch aktuelle Grundfragen der Wissenschaftsethik. Nach der ausführlichen Einleitung (15-55) werden in Kapitel II der Begriff der praktischen Implikation und die Methode der Untersuchung entfaltet (56-137). Es folgt eine Auseinandersetzung mit Webers These der Werturteilsfreiheit (138-210). Kapitel IV (211-324) ist der allgemeinen Ethik gewidmet; hier wird die Diskursethik als Fundierung einer Wissenschaftsethik herangezogen. In Kapitel V (325-441) wird Wissenschaft als Wahrheitssuche von Pseudo-Wissenschaften abgehoben und ihr internes Ethos entwickelt. Kapitel VI (442-525) unterscheidet zwischen Wahrheit als dem Ziel und dem Nutzen als Zweck der Wissenschaft. Gegenstand sind "verwissenschaftliche Praxisfelder" (53) und ihre Berufsrollen bzw. Standeskodices. Die drei Schlußkapitel enthalten "Fallstudien" (53) zu Technik und Technologie (527-601), Ökologie (602-705) und Architektur (706-782). Am Ende eines jeden Kapitels werden diejenigen Argumente festgehalten, auf welche die folgenden Kapitel aufbauen oder eingehen. Der selbstbewußte Anspruch der Studie, "am Ende könne kein Wissenschaftler, Techniker, Ökologe oder Architekt ein a-moralisches Selbstverständnis seines Tuns mehr mit Gründen verteidigen" (55), wird in einem argumentativen Stil auf beachtlichem Niveau durchgehalten. Der Politikwissenschaftler wird sich insbesondere der sehr differenzierten Auseinandersetzung mit Webers These der Werturteilsfreiheit zuwenden. Aus der These wird eine "Kennzeichnungspflicht" als "basale Rollenpflicht" (161 ff.) hergeleitet. U. a. ist damit "die Forderung nach einer ethisch relevanten Begleitforschung innerhalb der Wissenschaft" begründet (170). Kritisiert wird jedoch die These von der Unaustragbarkeit von Wertdiskussionen (175 ff.) und der "Nonkognitivismus" bei Weber und Weberianern (183 ff.). - Doch auch die Grundsatzüberlegungen zur Ethik ("Eine Ethik, die nur noch die Skepsis an ihrer eigenen Möglichkeit sublim kultiviert oder zur Geschichte der Ethik erstarrt, gibt das Spiel im Vorhinein verloren" [31]), die Ausführungen zur "Ethik der Beratung" (493-505) mit dem nur kurz behandelten Sonderfall der Politikberatung (503-505) sowie die Fallstudien sind von durchaus unmittelbarer Fachrelevanz. Daß bei 782 Seiten Text ein Register fehlt, ist bedauerlich, mag aber von der argumentativen Komposition des Textes her konsequent sein.
Klaus Dicke (KD)
Prof. Dr., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.25.461.22.261 Empfohlene Zitierweise: Klaus Dicke, Rezension zu: Konrad Ott: IPSO FACTO. Frankfurt a. M.: 1997, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/3055-ipso-facto_3991, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 3991 Rezension drucken
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