/ 03.09.2015
Ulrich Mählert / Jörg Baberowski / Bernhard H. Bayerlein / Bernd Faulenbach / Ehrhart Neubert / Peter Steinbach / Stefan Troebst / Manfred Wilke (Hrsg.)
Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2015. Hrsg. im Auftrag der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Berlin: Metropol 2015; XI, 307 S.; 29,- €; ISBN 978-3-86331-225-1Eröffnet wird das Jahrbuch mit einem Nachruf auf seinen Begründer Hermann Weber, der im Dezember 2014 verstorben ist. In dem Text lässt Ulrich Mählert Biografie und Wirken ineinanderfließen und würdigt diesen herausragenden DDR‑Forscher. Der Schwerpunkt dann – Frauen im Kommunismus – muss ohne Einleitung auskommen, das rein männlich besetzte Herausgebergremium scheint allein auf die Vielfalt, mit der dieses Themas in den Beiträgen gespiegelt wird, zu vertrauen. Nicht explizit ausgesprochen wird damit die inhaltliche Klammer, wie sie sich aus den Beiträgen herauslesen lässt: Der Kommunismus wurde von den Frauen oft genug auch als Versprechen auf ihre eigene Emanzipation verstanden. In der Realität aber haben immer wieder stereotype Vorstellungen von den Rollen der Geschlechter starken Einfluss genommen, bei Männern wie bei Frauen. Einen Eindruck davon, wie weit (oder vergeblich) der Weg zu einer echten Emanzipation (auch) unter kommunistischen Vorzeichen ist, vermittelt gleich der erste Beitrag von Nicola Spakowski über „die Frauenpolitik der Kommunistischen Partei Chinas und das Problem der ‚Frauenbefreiung‘“ (1 ff.): Besonders für junge Frauen war bis in die 1940er‑Jahre hinein das Eherecht ausschlaggebend dafür, sich der kommunistischen Bewegung anzuschließen, viele Kindsbräute entkamen so repressiven Familienstrukturen. Auch eine eingeschränkte Gewährung von Rechten bedeutete aus dieser Perspektive eine substanzielle Verbesserung. Alle weiteren Beiträge zum Schwerpunkt sind (leider) auf Europa konzentriert. Claudia Christiane Gatzka geht zum Beispiel den „Dimensionen von Frau‑Sein und den Vorstellungen von Weiblichkeit im kommunistischen Milieu Italiens“ (96) nach und stößt auf traditionell denkende Männer wie Frauen, die gleichermaßen die Frau eher im Haus und als Unterstützerin des Mannes sehen wollten, nicht aber als öffentliche Rednerin auf der Piazza – aber selbst dies muss wohl als Fortschritt angesehen worden sein, zog doch die kommunistische Partei im Nachkriegsitalien so viele Frauen an wie keine andere. Dass sich unter dem Deckmantel der Beibehaltung traditioneller Geschlechterrollen (langsame) Veränderungen vollziehen können, zeigt auch der Beitrag von Jan Zofka über das Frauenstreikkomitee im moldauischen Dnjestr‑Tal. Während der Unabhängigkeitsbestrebungen von 1989 bis 1991 identifizierten die beteiligten Frauen die Anwendung von Gewalt zwar als Sache der Männer, leisteten aber – unter scheinbarer Beibehaltung des traditionellen Verhaltens – wichtige logistische Unterstützung. Mit drei biografischen Skizzen wird der Schwerpunkt abschließend vertieft, aber es bleibt Raum für weitere Forschung zum Thema.
{NW}
Rubrizierung: 2.22 | 2.27 | 2.68 | 2.61 | 2.4 | 2.25 | 2.64 | 2.314 | 2.331 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Ulrich Mählert / Jörg Baberowski / Bernhard H. Bayerlein / Bernd Faulenbach / Ehrhart Neubert / Peter Steinbach / Stefan Troebst / Manfred Wilke (Hrsg.): Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2015. Berlin: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/38816-jahrbuch-fuer-historische-kommunismusforschung-2015_47018, veröffentlicht am 03.09.2015. Buch-Nr.: 47018 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA