/ 22.06.2013
Franz Leidenmühler
Kollabierter Staat und Völkerrechtsordnung. Zur Aktualität der Westfälischen Ordnung, entwickelt an Fragen des Wegfalls effektiver Staatsgewalt
Wien/Graz: Neuer Wissenschaftlicher Verlag 2011 (Neue juristische Monografien 62); 653 S.; 68,- €; ISBN 978-3-7083-0766-4Rechtswiss. Habilitationsschrift Linz; Begutachtung: H. F. Köck, A. Lengauer. – Inwieweit ist die Westfälische Ordnung – ein stabiles internationales System auf der Basis von Staaten mit wirksamem Gewaltmonopol – im 21. Jahrhundert noch aktuell? Diese Frage stellt sich für den Autor vor dem Hintergrund, dass immer mehr Staaten als sogenannte failed states oder – mit dem von ihm bevorzugten Begriff – als kollabierte Staaten einzustufen sind. Diesen Staaten fehlen essenzielle Merkmale, vor allem eine effektive Staatsgewalt. Zum einen stelle dies ein Sicherheitsproblem für andere Staaten dar, zum anderen werde die Westfälische Ordnung im Ganzen infrage gestellt, da sie nur auf der Grundlage von funktionierenden Staaten bestehen könne. Leidenmühler untersucht diese Thematik umfassend aus einer rechtswissenschaftlichen Perspektive und nimmt sich der Aufgabe an, den rechtlichen Umgang mit kollabierten Staaten innerhalb der Völkerrechtsordnung zu erkunden. Dafür beschreibt er zunächst die Völkerrechtsordnung und das westfälische System, setzt sich ausführlich mit den Begriffen Staat, failed state und kollabierter Staat auseinander und ordnet diese in den völkerrechtlichen Kontext ein. Die Arbeit ist für eine Kurzrezension viel zu umfassend, als dass alle Ergebnisse hier präsentiert werden können. Zentral ist gerade aus einer politikwissenschaftlichen Perspektive, dass als Ergebnis das Völkerrecht ein Instrument darstellt, mit dem die Staatengemeinschaft Maßnahmen für den Umgang mit kollabierten Staaten ergreifen könne, um effektive staatliche Strukturen wiederherzustellen. Leidenmühler sieht hierin ein Verhaltensgebot für die Staatengemeinschaft, das deshalb zu einem aktiven Eingreifen verpflichte, da die Völkerrechtsordnung nicht nur ein Stabilitätszweck, sondern auch ein Friedens- und Wohlfahrtszweck enthalte. Die Verpflichtung zum Eingreifen entstehe dann deshalb, weil in kollabierten Staaten eine unerträgliche gesellschaftliche Situation herrsche und diese zu zwischenstaatlichen Problemen führe. Hiermit nimmt die rechtswissenschaftliche Untersuchung eine politische Dimension an, die sich auch in der vorgeschlagenen Lösung fortsetzt: Leidenmühler plädiert im Falle von kollabierten Staaten für die Einrichtung einer vorübergehenden internationalen Verwaltung, wie sie schon im Kosovo bewährt habe. Insgesamt kommt der Autor zu dem Schluss, dass die Westfälische Ordnung mit ihrer zentralen Grundlage – dem Staat – weiterhin aktuell ist.
Jan Achim Richter (JAR)
Dipl.-Politologe, Doktorand, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 4.1 | 5.41 | 2.21 | 2.25 | 2.61 | 2.63 | 2.67
Empfohlene Zitierweise: Jan Achim Richter, Rezension zu: Franz Leidenmühler: Kollabierter Staat und Völkerrechtsordnung. Wien/Graz: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/35238-kollabierter-staat-und-voelkerrechtsordnung_42433, veröffentlicht am 09.08.2012.
Buch-Nr.: 42433
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Dipl.-Politologe, Doktorand, Universität Hamburg.
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