/ 22.10.2015
Samuel Salzborn / Holger Zapf (Hrsg.)
Krieg und Frieden. Kulturelle Deutungsmuster
Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2015 (Politische Kulturforschung 10); 310 S.; 49,95 €; ISBN 978-3-631-64182-7Krieg und Frieden seien, so die Herausgeber Samuel Salzborn und Holger Zapf, in ihrer „reflexiven Bezugnahme“ (7) schwerlich voneinander zu trennen. Zugleich seien weder Friedens‑ noch Kriegsforschung interessenfrei oder gar wertneutral zu betreiben: Krieg und Frieden könnten politische Kampfbegriffe sein; Vorstellungen über diese Begriffe schöpften aus kulturellem Hintergrundwissen. Salzborn und Zapf geht es daher um „Krieg“ und „Frieden“ als Konzepte verschiedener kultureller Kontexte. Sie begreifen „Kultur als ein Ensemble von kognitiven und normativen Orientierungen […], aus denen sich einerseits Verständnisse von Begriffen wie ‚Krieg‘ und ‚Frieden‘ speisen, und an die andererseits Rhetoriken und Praktiken anschließen müssen, wenn sie erfolgreich Legitimität für sich beanspruchen können sollen“ (9). Überzeugend gelingt es den Herausgebern auch in ihrem vergleichenden Beitrag über „die in terroristische Narrative eingebetteten“ (237) Frauenrollen von RAF und ETA, „politische Kulturforschung“ (siehe auch Buch‑Nr. 38003) als „methodischen Kontext“ (240) zu plausibilisieren. Dabei müssten die empirischen Frauenrollen keineswegs mit in Legitimationsdiskursen normativ wirksamen Frauenbildern identisch sein. Für Peter Nitschke, der sich Carl von Clausewitz' Auseinandersetzung mit dem Krieg – verstanden „als das große Äquilibrium zur Politik“ (30) – widmet, erweist sich dieser im Denken über Zweck‑Mittelrelationen als „großer Schüler Kants“ (25). Herfried Münkler attestiert der Clausewitz‑Lektüre im Ersten Weltkrieg „Blickfeldbeschränkungen“: Die Leser hätten im Werk nur gefunden, was sie finden wollten, zunächst eine Anweisung zum Sieg, nach Kriegsende eine „Reflexionsanleitung zwecks Erklärung der ‚Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts‘ (Kennan)“ (84). Nach Sebastian Hunholz neigen Demokratien zu imperialen Konfliktbeobachtungen, indem sie den aus ihrer Perspektive „rückständigen“ (155) Gegner militärisch und kulturpädagogisch zu befreien, den totalitären Feind zu vernichten suchten. Wie Klaus Schlichte argumentiert, stehen Legitimierungseffekten häufig „Delegitimierungen“ (231) gegenüber. Etwa in Serbien gelte die Gewalt der militärischen Intervention noch heute als illegitim. Eine übergreifende, bei der Vielzahl der Themen allerdings schwierige Vermittlung zwischen den Einzelbeiträgen hätte den Band zusätzlich bereichern können. Kleinere Sprach‑ und Formatierungsfehler in manchen der Beiträge fallen nicht ins Gewicht. Als Fazit: Salzborn, Zapf und den übrigen Autor_innen gelingt es sehr überzeugend, auf ein wichtiges, „bislang […] eher randständiges“ (9) Forschungsfeld der Friedens‑ und Konfliktforschung zu verweisen und unter Illustration einer Vielzahl von möglichen Themen für ein Forschen über kulturelle Deutungsmuster zu plädieren.
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Rubrizierung: 2.23 | 2.25 | 2.27 | 2.61 | 2.65 | 2.68 | 4.1 | 5.1 | 2.314 | 2.36 | 2.37 Empfohlene Zitierweise: Hendrik Simon, Rezension zu: Samuel Salzborn / Holger Zapf (Hrsg.): Krieg und Frieden. Frankfurt a. M. u. a.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de//index.php?option=com_content&view=article&id=39006, veröffentlicht am 22.10.2015. Buch-Nr.: 47546 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA