/ 11.06.2013
Hans Joas
Kriege und Werte. Studien zur Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts
Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2000; 316 S.; brosch., 39,- DM; ISBN 3-934730-13-2Das Buch versammelt Texte des Berliner Soziologen zu Krieg und Gewalt aus den letzten zehn Jahren. In vielen Theorien sozialen Wandels seien stillschweigende Annahmen am Werk (13), kritisiert Joas, wie etwa der Traum von einer gewaltfreien Moderne. Ein Beispiel ist der Soziologe Ulrich Beck, der zwar mit seinen Arbeiten "beträchtliche Sympathie" auslöse und die professionelle Sozialwissenschaft wieder in die öffentliche Diskussion zurückgebracht habe, dem Joas aber zahlreiche Inkonsistenzen nachweist (250). Für Beck verhielten sich Militär und Demokratie wie Feuer und Wasser (256), militärische Gewalt und moderne Gesellschaft würden zunehmend inkompatibel miteinander (260). "Wer die Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts ernst nimmt, kann schwerlich an Fortschrittsmythen glauben" (11), hält Joas dem entgegen. Hinsichtlich der Zukunft dürfe nach den Erfahrungen dieses Jahrhunderts keine Beruhigung eintreten (13). Sozialwissenschaftler sollten sich mit ihrer Arbeit um ein Gleichgewicht von Engagement und Distanzierung bemühen. Distanz habe nicht nur zu Beginn des 20. Jahrhunderts gefehlt, als sich die Mehrzahl der Sozialwissenschaftler an der Produktion nationalistischer Rechtfertigungsideologien für den Krieg beteiligt habe (124), sondern auch im West-Berliner Universitätsmilieu der Sechziger- und Siebzigerjahre (131). Inzwischen ist Distanz "zeitgemäß" und damit das geforderte Gleichgewicht vielleicht schon wieder gestört.
Inhalt: I. Die Modernität des Krieges: Der Traum von der gewaltfreien Moderne; Die Modernität des Krieges. Die Modernisierungstheorie und das Problem der Gewalt; Kriegsideologien. Der Erste Weltkrieg im Spiegel der zeitgenössischen Sozialwissenschaften. II. Nach dem Krieg: Nach dem Krieg. Demokratie und Antikommunismus in Berlin nach 1945; Nach dem Kalten Krieg. Der Zusammenbruch der DDR (zusammen mit Martin Kohli); Sprayed and Betrayed. Gewalterfahrung im Vietnamkrieg und ihre Folgen. III. Krieg und Gewalt in der Gesellschaftstheorie: Zwischen machtpolitischem Realismus und pazifistischer Utopie. Krieg und Frieden als Thema der soziologischen Theorie; Gibt es eine militaristische Tradition in der Soziologie?; Soziologie nach Auschwitz. Zygmunt Baumans Werk und das deutsche Selbstverständnis; Krieg und Risikogesellschaft; Lehrmeister Krieg?; Handlungstheorie und Gewaltdynamik.
Henry Krause (HK)
Dipl.-Politologe, Referatsleiter, Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, Dresden.
Rubrizierung: 5.44 | 5.42 | 2.25 | 2.313 | 2.315 | 4.41 | 2.64 | 2.68
Empfohlene Zitierweise: Henry Krause, Rezension zu: Hans Joas: Kriege und Werte. Weilerswist: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/12069-kriege-und-werte_14395, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 14395
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Dipl.-Politologe, Referatsleiter, Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, Dresden.
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