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/ 04.06.2013
Olaf Asbach

Kritische Gesellschaftstheorie und historische Praxis. Entwicklungen der Kritischen Theorie bei Max Horkheimer 1930-1942/43

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 1997; 336 S.; brosch., 89,- DM; ISBN 3-631-31766-2
Nicht erst seit dem Ende des "realen Sozialismus" stehen Auseinandersetzungen mit der Kritischen Theorie (KT) - also dem engeren Kreis der "Frankfurter Schule" um Horkheimer - unter einem spezifischen Rechtfertigungsdruck. Das betrifft sowohl den Gehalt dieser theoretischen Bemühungen wie deren Theorieform; in beiden Hinsichten - in der Intention einer radikalen Veränderung der Gesellschaft wie in der "dialektischen" Verknüpfung von Darstellung und Kritik - scheint KT veraltet. Wenn dann der Zugang zu diesem Thema nicht primär in einer deskriptiv-theoriegeschichtlichen Weise gesucht wird, dann bedarf das einer ausdrücklichen Erläuterung. Asbach ist überzeugt, daß KT nicht nur ein historisches, "sondern darüber hinaus ein Interesse [verdient], das von ihrer unveränderten Aktualität für die kritische Erkenntnis und Veränderung dessen, was ist, zeugt" (27). Da der Anspruch dieser Theorie über das konstitutive Moment der Gesellschaftskritik in ausdrücklicher Weise auf Praxis bezogen ist (9 ff.), wählt Asbach diese Beziehung als Leitfaden, um am Werk Horkheimers die klassische Phase der KT zwischen 1930 und den frühen 40er Jahren - den Vorarbeiten zur "Dialektik der Aufklärung" - zu rekonstruieren. Teil I behandelt in zwei Schritten - der "Programmentwicklung" (52 ff.) und der zunehmenden Problematisierung des Adressaten einer materialistischen Theorie (102 ff.) - die Etablierung der KT am "Institut für Sozialforschung" in den frühen 30er Jahren (35 ff.). Teil II stellt, konzentriert auf Arbeiten der Jahre 37/38, die konstitutive Unterscheidung von "traditioneller" und "kritischer" Theorie als reflexive Verarbeitung der Herausforderungen von Monopolkapitalismus, Faschismus und Stalinismus dar (145 ff.). Ausgehend von der Faschismuskontroverse im Institut (zwischen Pollock und Neumann) geht es im Teil III um Horkheimers Erweiterung der marxistischen Gesellschaftskritik, speziell um dessen - "bis heute [..] unterschätzte" (32) - "Racket-Theorie der Herrschaft" (213 ff.). Inhalt: Einleitung: Zum Verhältnis von Theorie und Praxis. Systematische und historische Annäherungen an ein Grundproblem kritischer Gesellschaftstheorie. I. Horkheimers Programm kritischer Gesellschaftstheorie in den frühen dreißiger Jahren: A. Kritische Theorie als 'Theorie der Praxis': 1. Ausgangspunkte: Horkheimers Verständnis des historischen Materialismus: 1.1 Der Übergang im 'Institut für Sozialforschung' von Grünberg zu Horkheimer; 1.2 Die theoretischen und praktischen Aufgaben materialistischer Sozialforschung. 2. Historischer Materialismus und Totalitätserkenntnis: 2.1 Kritik der marxistischen Orthodoxie im 'westlichen Marxismus'; 2.2 Lukács und die Erkenntnis der Totalität; 2.3 Horkheimers Skepsis gegenüber einer Re-Hegelianisierung der Gesellschaftstheorie. 3. Grundbegriffe der Horkheimerschen Idee einer materialistischen Theorie: 3.1 Der Begriff der materialistischen Dialektik; 3.2 Materialismus und revolutionäre Moral; 3.3 Materialistische Theorie und gesellschaftliche Praxis. 4. Gesellschaftlicher Wandel und Veränderungen der Struktur kritischer Theorie: 4.1 Erste Analysen des Strukturwandels des Kapitalismus; 4.2 Das Basis-Überbau-Theorem und der selbstreflexive Charakter materialistischer Gesellschaftstheorie. B. Kritische Theorie als 'Theorie für die Praxis': 1. Organisationspraktische Theorie-Praxis-Vermittlung und proletarisches Klassenbewußtsein: 1.1 Partei und Klassenbewußtsein in der marxistischen Tradition; 1.2 Die Frage nach dem Adressaten kritischer Theorie. 2. Konsequenzen aus der Konstatierung des Bruchs zwischen Theorie und Praxis: 2.1 Zum Wahrheitsbegriff materialistischer Theorie; 2.2 Zum Problem praktischer Vermittlung der Kritik. II. Die Konstituierung als 'kritische Theorie der Gesellschaft' (1937/38): 1. Die Reflexion der Erfahrung von Monopolkapitalismus, Faschismus und Stalinismus; 2. Kritische versus traditionelle Theorie: 2.1 Bestimmung und Kritik von traditioneller Theorie und Positivismus; 2.2 Das neue Selbstverständnis als 'kritische Theorie'. 3. Die Frage nach dem Verhältnis der kritischen Theorie zur revolutionären Praxis: 3.1 Kritische Theorie als Geschichtsphilosophie der Arbeit?; 3.2 Die Begründung der kritischen Theorie in gesellschaftlicher Praxis; 3.3 Zur Frage der gesellschaftlichen Vermittlung kritischer Theorie. III. Kritische Theorie im 'Autoritären Staat': 1. Die Faschismuskontroverse im 'Institut für Sozialforschung': 1.1 Die beiden Pole der Auseinandersetzung; 1.2 Die Veränderung der politisch-ökonomischen Dynamik im Faschismus. 2. Die Beziehung zwischen kritischer Theorie und Praxis im autoritären Staat: 2.1 'Monopolisierung der Gesellschaft' und neue Formen sozialer Kontrolle: Horkheimers 'Racket-Theorie der Herrschaft'; 2.2 Kritische Theorie und Emanzipation im historischen Kontinuum.
Thomas Mirbach (Mir)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.45.25.465.42 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Olaf Asbach: Kritische Gesellschaftstheorie und historische Praxis. Frankfurt a. M. u. a.: 1997, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/5059-kritische-gesellschaftstheorie-und-historische-praxis_6663, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 6663 Rezension drucken
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