/ 20.06.2013
Joachim Radkau
Max Weber. Die Leidenschaft des Denkens
München/Wien: Carl Hanser Verlag 2005; 1.008 S.; geb., 45,- €; ISBN 3-446-20675-2Die biografische Forschung zu Max Weber stand lange im Schatten der Interpretation, wie sie seine Witwe vorgab. So umfangreich und wertvoll ihre Biografie auch war, stets wurden ihr mangelnde Distanz und eine verklärende Perspektive vorgeworfen. Radkaus voluminöses Buch versteht sich zwar ebenfalls als intellektuelle Biografie, die Webers Werk aus seinem Leben erklären will, jedoch lehnt er es ab, „hinter den allzumenschlichen Erscheinungsformen ihres Helden den wahren, eigentlichen über menschliche Unzulänglichkeit erhabenen Weber“ (21 f.) zu suchen. Die zentrale These lautet, dass Webers Arbeiten in unmittelbarem Zusammenhang mit der Auseinandersetzung der eigenen leiblichen „Natur“ stehen. Nahezu alle Texte werden als Ausdruck einer – sexuellen – Selbsterfahrung interpretiert. Bereits im ersten Teil des Buches wird ausführlich die erfolglos gebliebene „Vergewaltigung der Natur“ beschrieben. Webers Versuch, unerfüllte Sexualität durch (nationale) „Natur“ zu kompensieren, scheitert zwangsläufig. „Die Rache der Natur“, Webers Krankheit und sein Zusammenbruch, interpretiert Radkau als Ausdruck des Zeitalters der Nervosität und knüpft damit an sein 1998 erschienenes Buch an. „Die protestantische Ethik“ sei daher nicht nur Webers berühmteste Arbeit, sondern vor allem eine Selbstvergewisserung der eigenen Lebenssituation. Erlösung habe Weber erst in der Entdeckung des „Charismas“ gefunden, was Radkau als unmittelbare Folge der Liebesbeziehung zu Else Jaffé interpretiert. Höhe- und Schlusspunkt der Interpretation sind die spekulativen Ausführungen über Webers mögliche Todessehnsucht. Obwohl die teilweise ins Mystische gehenden psychologischen Erörterungen nur wenig Neues über Webers wissenschaftliche Arbeit verraten, hat Radkau sein Ziel erreicht, die emotionale Basis von Webers Arbeiten herauszuarbeiten.
Frank Schale (FS)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 5.46 | 2.3
Empfohlene Zitierweise: Frank Schale, Rezension zu: Joachim Radkau: Max Weber. München/Wien: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/24787-max-weber_28656, veröffentlicht am 25.06.2007.
Buch-Nr.: 28656
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Dr., wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, Technische Universität Chemnitz.
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