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/ 06.06.2013
Guenther Roth

Max Webers deutsch-englische Familiengeschichte 1800-1950 mit Briefen und Dokumenten

Tübingen: Mohr Siebeck 2001; XX, 721 S.; Ln., 85,90 €; ISBN 3-16-147557-7
Souchay, Benecke, Schunck, Mylius, Fallenstein - im Grunde demonstrieren diese Namen die Überlegenheit des Geistes über die Materie. Denn sie alle waren in einem reichen Geflecht miteinander verbundene, verwandte und verschwägerte Handelsfamilien mit ausgedehnten und in vielen Fällen immensen Vermögen. Und doch sind sie alle mehr oder weniger nur Spezialisten bekannt, während es ein angeheirateter Teil der Familie (Felix Mendelssohn Bartholdy) und, für Sozialwissenschaftler, ein später Spross einer dieser Linien, Max Weber junior ist, der heute jedem auch ohne nähere Erläuterung ein Begriff ist. Das Buch des aus Deutschland stammenden New Yorker (Columbia) Soziologen führt den Leser durch die verschlungenen Familienwege, durch Handelskapital und Intellektualismus, durch Kosmopolitismus und Nationalismus. Die ungeheure Mühe, mit der Roth sich durch unzählige Aktenberge, Briefe, Testamente, Stammbäume und Vermögensverhältnisse gearbeitet hat, merkt man dem Buch eher äußerlich an, also in der Vielfalt der nachgewiesenen Quellen, im aufschlussreichen Anhang, in den Stammtafeln, die wenigstens etwas Überblick in die verwirrende Vielfalt der Bezüge bringen. Innerlich ist das Buch von einer Leichtigkeit und Souveränität, die ihresgleichen sucht. Die einzelnen Kapitel sind in sich mehr oder minder essayhaft abgeschlossen, aber der rote Faden geht trotzdem nicht verloren. Wer sich bislang nur mit Webers Schriften befasst hat, wird in diesem Band eine neue Welt eröffnet finden. Und wer sich einfach nur für Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts interessiert, dem wird hier ein faszinierendes Panorama einer grenzüberschreitenden Familiensaga geboten, die in dieser Form schwerlich ein zweites Mal existiert. Unter dieser Perspektive ist es dann eher zufällig, dass eines der Resultate Max Weber war. Ohne ihn wäre der Band wahrscheinlich nicht entstanden, aber selbst ohne ihn wäre er ein imponierendes Buch geworden. Inhaltsübersicht: I. Max Weber zwischen Kosmopolitismus und Nationalismus; II. Der Familienkapitalismus der Souchays: Von Frankfurt nach Manchester und London; III. Das Frankfurter Fahrtor: Eingang und Ausgang der Familie; IV. Kosmopolitische Familienmobilität; V. Eduard Souchay zwischen Frankfurter Freistaat und deutschem Nationalstaat; VI. Heidelberger Geschichten; VII. Junge Paare, frühe Hoffnungen; VIII. Religiöse Familienkonstellationen; IX. Familien- und Freundeskonflikte über die deutsche Vereinigung; X. Auf verlorenem Posten in Strassburg; XI. Die Solidarität der Fallensteingeschwister; XII. Max Weber senior: Politik als Beruf; XIII. Antisemitismus und ambivalentes Zusammenleben; XIV. Amerika- und Englandorientierung: wirtschaftlich und ideell; XV. Villa Helene: Die Charlottenburger Familiendynamik; XVI. Marianne Schnitger und Max Weber; XVII. Marianne Weber und ihr Kreis.
Michael Dreyer (MD)
Prof. Dr., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.46 Empfohlene Zitierweise: Michael Dreyer, Rezension zu: Guenther Roth: Max Webers deutsch-englische Familiengeschichte 1800-1950 mit Briefen und Dokumenten Tübingen: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/8798-max-webers-deutsch-englische-familiengeschichte-1800-1950-mit-briefen-und-dokumenten_18389, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 18389 Rezension drucken
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