/ 11.09.2014

Bernd Faulenbach / Andreas Helle (Hrsg.)
Menschen, Ideen, Wegmarken. Aus 150 Jahren deutscher Sozialdemokratie
Berlin: vorwärts buch GmbH 2014; 431 S.; hardc., 35,- €; ISBN 978-3-86602-210-2Die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie werde in diesem Band ausdrücklich nicht als „stringente Narration“ (11) angeboten, schreiben die Herausgeber einleitend, sondern in Einzelbeiträgen aufgefächert – hervor treten so einzelne Menschen und ihre Schicksale, Ideen, Programme und Strategien sowie besondere Ereignisse. Ein Anspruch auf Vollständigkeit wird also nicht erhoben, was aber keinesfalls ein Manko ist. Die Autorinnen und Autoren, viele der Historischen Kommission beim Parteivorstand zugehörig, vermitteln prägnant und informativ geschrieben Eindrücke von wichtigen sozialdemokratischen Entwicklungsschritten, chronologisch durchgearbeitet von der Revolution von 1848 als Vorgeschichte bis zum Hamburger Programm 2007. Die Funktion einer solchen Rückschau als Selbstvergewisserung wird dabei immer wieder deutlich und grenzt zuweilen an ein Geradebiegen der Historie – so etwa in dem Beitrag von Christoph Kleßmann über das gemeinsame „Ideologiepapier“ mit der SED im Jahr 1987. Die abwägende Einordnung des Papiers als ein Aufzeigen von Wegen, um auch im Kalten Krieg gemeinsame Probleme zu lösen, ist zwar plausibel argumentiert. Auch benennt Kleßmann die Blindheit der SPD gegenüber den Bürgerrechtler_innen in der DDR, meint aber, dass bei einem Kontakt mit diesen das Papier „schwerlich zustandegekommen“ wäre. Der deutschen Geschichte hätte sicher – anders als Kleßmann meint – nichts gefehlt und der „Windschatten der allgemeinen Entspannungspolitik“, der das Entstehen der „Dissidentenbewegung“ (360) begünstigte, war durch den KSZE‑Prozess und die Reformpolitik Gorbatschows seit 1985 schon zuvor entstanden. Dennoch – die SPD hat immer wieder den politischen Mut bewiesen, der erst richtungsweisende Entscheidungen möglich macht. Deutlich wird dies etwa in zwei Beiträgen im letzten Kapitel über die Zeit nach 1989/1990. Ein Beispiel dabei ist die Umsetzung der Agenda 2010, die heute als ein Faktor für die relative wirtschaftliche Stabilität nach der Finanzkrise gilt. Sebastian Nawrat erläutert, dass die innerparteiliche Kritik an dieser Reform zwar das öffentliche Bild prägte, tatsächlich aber eher eine Minderheitenposition war (siehe „Agenda 2010 – ein Überraschungscoup?“ 2012, Buch‑Nr. 42575). Und Edgar Wolfrum erinnert an das Nein des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder zum Irak‑Krieg (siehe „Rot‑Grün an der Macht“, 2013, Buch‑Nr. 44471). Dabei zeigt sich die damalige Kritik an der deutschen Außenpolitik als von Prämissen getragen, die allein in einer Bündnistreue wurzelten und nicht in einer Verpflichtung, vor allem den Frieden zu fördern.
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Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Bernd Faulenbach / Andreas Helle (Hrsg.): Menschen, Ideen, Wegmarken. Berlin: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37507-menschen-ideen-wegmarken_43228, veröffentlicht am 11.09.2014.
Buch-Nr.: 43228
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