/ 20.06.2013
Klaus-Rüdiger Mai
Michail Gorbatschow. Sein Leben und seine Bedeutung für Russlands Zukunft
Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2005; 397 S.; geb., 24,90 €; ISBN 3-593-37400-5Dem Autor, der als Drehbuchautor und Produzent für das Fernsehen arbeitet, geht es darum, „Russland zu verstehen, die Geschichte des Aufstiegs und Zerfalls des Sozialismus in Russland im Gleichnis von Michail Gorbatschows Leben darzustellen“ (9). Dieser Ansatz verleitet Mai dazu, mitunter zu viel in einen einzigen Satz zu stecken, beispielsweise die Spaziergänge des frisch verliebten Gorbatschows mit seiner Raissa und die zeitgleichen Versuche des Geheimdienstchefs Berija, seine Macht zu festigen (147). Zwar erfährt der Leser einiges über die politische Entwicklung in der Sowjetunion und darüber, wie der Bauernsohn Gorbatschow zielstrebig an die Spitze der Macht aufstieg. Die Beschreibung der Sowjetunion bleibt aber sehr populärwissenschaftlich und vor allem stereotyp. Es ist allenfalls zu erahnen, warum diese Diktatur jahrzehntelang existierte – der Autor versteckt die gesellschaftlichen und sozialen Umwälzungen, die es einem Bauernsohn ermöglichten, in Moskau zu studieren, in der mutmaßlichen Ansicht des Großvaters, dass sich darin der Erfolg des Sozialismus zeige. Überhaupt arbeitet der Autor von Fußnoten und Quellenangaben befreit, sodass man sich immer wieder fragt, woher er die Gedanken Gorbatschows und dessen Familie kennt. Mai gelingt es zwar durchaus, die geistige Enge, die die sowjetische Diktatur verursachte, zu veranschaulichen, er erklärt aber mit Formulierungen wie „speichelleckende[s] Mittelmaß” oder „Bonsai-Stalin” (110) weniger die Sowjetunion als vielmehr seinen eigenen politischen Standpunkt. Mit Blick auf den Westen zeigt sich der Autor als konservativer Hardliner. Brandts Ostpolitik interpretiert er als Belohnung der Sowjetunion für die Niederschlagung des Prager Frühlings, außerdem bescheinigt er der Friedensbewegung, sich am Leben der Menschen in Osteuropa und Russland versündigt zu haben. Und so dominieren in diesem Buch eher Meinungen und Schlagworte als Tiefenschärfe und Differenzierung.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.62 | 2.1 | 2.25
Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Klaus-Rüdiger Mai: Michail Gorbatschow. Frankfurt a. M./New York: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/24705-michail-gorbatschow_28548, veröffentlicht am 25.06.2007.
Buch-Nr.: 28548
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Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
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