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/ 17.06.2013
Boris Jelzin

Mitternachtstagebuch. Meine Jahre im Kreml

München: Ullstein Taschenbuchverlag 2001; 384 S.; 8,95 €; ISBN 3-548-36311-3
Nach den "Aufzeichnungen eines Unbequemen" und "Auf des Messers Schneide" widmet sich Jelzin nun seiner letzten Amtszeit als russischer Präsident (1996-2000). Der Verfasser der tagebuchartigen Aufzeichnungen geht bei der Wiedergabe seiner Eindrücke grosso modo chronologisch vor. Jelzin beginnt mit einer Schilderung des Präsidentschaftswahlkampfes und der Rolle seiner Tochter Tatjana, die just zu Beginn des Jahres 1996 zu einer wichtigen Figur im Umfeld des Präsidenten wurde. Die Ernennung General Lebeds zum Sicherheitsberater bietet dem ehemaligen Präsidenten einen Anlass, die Umstände des ersten Tschetschenienkonfliktes zu erörtern. Dabei tritt er der Auffassung entgegen, er habe den Konflikt bewusst dazu genutzt, um seine Autorität zu stärken, und räumt zugleich ein, dass der Krieg der russischen Staatsführung aus den Händen geglitten sei. Ein weiteres Kapitel widmet sich den besonderen Beziehungen zwischen Deutschland, Frankreich und Russland, die sich nach 1997 entwickelt hatten. Jelzin spricht dabei davon, dass über "Konzeptionen von 'Groß-Europa'" (110) anlässlich eines Treffens dieser "Troika" diskutiert worden sei. Die Frage der NATO- und EU-Erweiterung - zentral für die zweite Hälfte der 90er-Jahre - wird lediglich gestreift. Einen international weit beachteten Höhepunkt der zweiten Amtsperiode Jelzins bildete die Aufnahme Russlands in die G 8. Diese findet ebenso Erwähnung wie auch die Haltung Russlands gegenüber den Staaten der GUS, die Auswirkungen der russischen Finanzkrise vom August 1998, der Kosovokrieg 1999 und schließlich - der letzte öffentliche Auftritt des Präsidenten vor einem internationalen Publikum - der OSZE-Gipfel in Istanbul im November 1999. Wie für viele Beispiele des politisch-literarischen Genres "Tagebuch" dürfte auch für das Mitternachtstagebuch Jelzins der Erkenntnisgewinn nicht als hoch zu veranschlagen sein. Dennoch sind seine Sicht und Reflexionen zu den innenpolitischen Ereignissen und Krisen in Russland nicht ohne Gewinn zu lesen.
Stefan Gänzle (GÄ)
Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.622.1 Empfohlene Zitierweise: Stefan Gänzle, Rezension zu: Boris Jelzin: Mitternachtstagebuch. München: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/15957-mitternachtstagebuch_18264, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 18264 Rezension drucken
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