/ 30.05.2013
Stephan Hebel
Mutter Blamage. Warum die Nation Angela Merkel und ihre Politik nicht braucht
Frankfurt a. M.: Westend Verlag 2013; 157 S.; brosch., 13,99 €; ISBN 978-3-86489-021-5Stephan Hebel hat noch nie im Kanzleramt Rotwein getrunken. Seine Distanz zum gut vernetzten, aber auch oft wenig distanzierten Kreis der Hauptstadtjournalisten betont er gleich im Vorwort. Stattdessen will der Politikjournalist das tatsächliche Tun der Politiker beschreiben und die Konsequenzen für die Bürger rational bewerten. Aus der Perspektive dieses ambitionierten Anspruchs von journalistischer Objektivität und analytischer Klarsicht sieht er die „Inszenierungen des politischen Geschehens“ kritisch. Ein Extremfall stellt für ihn Angela Merkel dar: „Nie ist es einem Politiker in Deutschland gelungen, derart konsequent auf Kosten der Mehrheit zu handeln und zugleich die Sympathie dieser Mehrheit zu gewinnen.“ (7) Hebel will das Image der Kanzlerin mit „sachlichen Argumenten“ dekonstruieren. Er geht davon aus, dass es objektiv feststellbare Ergebnisse von Regierungspolitik gibt, die man mit den Versprechen und Rechtfertigungen der politischen Eliten abgleichen kann, um diese dann als undemokratische Klientelpolitiker zu entlarven – Hebel hat aber keine wissenschaftliche Studie verfasst, deshalb muss er theoretische Vorannahmen und ihre methodischen Implikationen auch nicht diskutieren. Mit seinem Buch wirbt er im Wahljahr ausdrücklich für einen Machtwechsel auf Bundesebene. Ob der Spagat zwischen objektiver Analyse und tendenzgetriebener Streitschrift überzeugen kann, hängt wohl vor allem von der politischen Einstellung der Leser_innen ab. Der erfahrene Publizist Hebel benutzt ausgiebig Quellenangaben und schreibt lesenswert über Merkels Politikstil, ihr Verhalten in der Euro‑, Finanz‑ und Bankenkrise sowie ihre Kehrtwende in Sachen Atomausstieg und lässt bis auf das Thema Bildung kein größeres Politikfeld aus. Er spricht Merkels Sozial‑, Asyl‑, Innen‑, Sicherheits‑ und Außenpolitik jeweils auf wenigen Seiten in Unterkapiteln an, dem schmalen Taschenbuchformat angemessen. Hebel hält meist die Waage zwischen populärer und sachlicher Argumentation. Wenn er Merkels Haltung zum Bahnhofsprojekt Stuttgart‑21 als bürgerfeindlich kritisiert, zitiert er erst Ex‑Nationaltorwart Oliver Kahn, dann aber auch die Politologen Roland Roth und Claus Leggewie. Hebel resümiert, dass es viele Gründe gibt, „nur begrenzte Hoffnung auf die etablierten Parteien zu setzen, wenn es um echte Alternativen zur wirtschaftsfreundlichen Interessenpolitik geht“ (132). Aber: „Ganz sicher bleibt alles beim Alten, wenn der kritische und reformbereite Teil der Wählerschaft resigniert zu Hause bleibt.“ (135) Hebel schlägt eine Minderheitsregierung unter SPD‑Führung vor. Die Notwendigkeit, sich ständig wechselnde Mehrheiten zu suchen wäre eine Chance, das Parlament wieder zum Mittel der politischen Entscheidungen zu machen. Merkel wünscht er, „dass sie die Blamage erfährt, die sie verdient“ (138). Zumindest Leser_innen, die ähnlich denken, werden sich durch das Buch bestätigt fühlen.
Wolfgang Denzler (WDE)
Diplom-Journalist, Student, Institut für Politikwissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.3 | 2.331 | 4.21 | 3.5 | 2.35 | 2.3 | 2.343
Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Stephan Hebel: Mutter Blamage. Frankfurt a. M.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/202-mutter-blamage_43617, veröffentlicht am 23.05.2013.
Buch-Nr.: 43617
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Diplom-Journalist, Student, Institut für Politikwissenschaft, Universität Hamburg.
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