/ 11.06.2013

Detlef Joseph
Nazis in der DDR. Die deutschen Staatsdiener nach 1945 - woher kamen sie?
Berlin: edition ost 2002; 218 S.; brosch., 12,90 €; ISBN 3-360-01031-0Der Autor versucht mit all den Wissenschaftlern und Publizisten ins Gericht zu gehen, die den Antifaschismus der DDR nicht heilig gesprochen haben. Denen, die diesen offiziellen DDR-Antifaschismus als "verordnet" und als "Mythos" (33) definieren, unterstellt Joseph unter anderem "ignorantes Verhalten" (33), "Arroganz" und "mangelnde Sachkunde" (13). Der Autor widerspricht damit sogar dem PDS-Politiker André Brie, der sich ebenfalls mit diesem Thema beschäftigte: "'Die DDR hat einen Antifaschismus postuliert, der nicht demokratisch erstritten wurde. In den konnte 1945 jeder problemlos reinschlüpfen.'" (43) Nach Ansicht von Joseph geht die Kritik am Antifaschismus der DDR einher mit der Unterstellung, "Naziaktivisten" hätten auch in der DDR - und nicht nur in der Bundesrepublik - wieder führende Rollen in Politik und Gesellschaft übernehmen können. Aber: "Nicht in einem einzigen Fall konnte bei den namhaft gemachten 'Nazis in der DDR' ein Tatverdacht der Beteiligung an NS-Verbrechen zweifelsfrei nachgewiesen werden." (10) "Irregeleitete Mitläufer" (29) der Nazi-Diktatur hätten aber in die DDR-Gesellschaft integriert werden können, denn: "Abgesehen vom tatsächlichen Gesinnungswandel dieser Personen waren die gesellschaftlichen Verhältnisse, die ein Fortwirken nazistischen Gedankengutes zur Folge hätten haben können, grundsätzlich andere." (45) Damit belegt der Autor selbst, dass der Antifaschismus (auch) verordnet war! Die DDR habe die Vergangenheit bewältigt, so Joseph weiter, indem sie die Naziideologie beseitigt und die "Naziaktivisten politisch und ökonomisch entmachtet" (51) habe. Der Autor vermerkt an dieser Stelle nicht, dass in der DDR fast jeder, der über mehr Besitz als ein Eigenheim verfügte, im Laufe der Jahrzehnte enteignet wurde. Und politisch entmachtet wurde die gesamte Bevölkerung durch das Fehlen freier Wahlen. Der nach seiner Einschätzung im Hinblick auf die Vergangenheitsbewältigung erfolgreichen DDR stellt der Autor die Entwicklung in der Bundesrepublik gegenüber. Als Beweis für deren nicht überzeugende Entnazifizierung werden unter anderem die Nachkriegskarrieren von Filbinger und Globke genannt. Die jahrzehntelange Diskussion über den richtigen Umgang mit der deutschen Geschichte und den Tätern des Dritten Reiches wird verschwiegen. Stattdessen kritisiert Joseph die gegenwärtige Haltung von Politik und Justiz, den Fehler, den man mit der zu laschen strafrechtlichen Aufarbeitung der NS-Zeit begangen hat, bei der Aufdeckung der Straftaten in der DDR nicht wiederholen zu wollen. Der Bundesrepublik wird damit nicht zugestanden, aus der Vergangenheit irgendwelche Lehren ziehen zu können. Die Absicht des Autors war zu belegen, dass die Behauptung, auch in der DDR hätten Nazis Karriere gemacht, von der politischen Absicht getragen wird, der DDR "wegen ihrer Diktaturkontinuität" eine "nazistische Verseuchung" (215) zu unterstellen. Die Verteidigung des Antifaschismus der DDR hat für Joseph außerdem eine aktuelle Bedeutung. Da es ein echter und kein verordneter Antifaschismus gewesen sei, so seine Behauptung, könne er auch nicht für den aktuellen Rechtsextremismus in Ostdeutschland verantwortlich gemacht werden.
Natalie Wohlleben (nw)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314 | 2.315
Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Detlef Joseph: Nazis in der DDR. Berlin: 2002, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/9413-nazis-in-der-ddr_19304, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 19304
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