Skip to main content
/ 22.06.2013
Simone Wörer

Politik und Kultur der Gabe. Annäherung aus patriarchatskritischer Sicht

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2012 (Beiträge zur Dissidenz 28); 144 S.; 21,80 €; ISBN 978-3-631-63545-2
Wörer entwirft eine Theorie der „Kultur der Gabe“. Die Grundlage bilden die Arbeiten von Martin Heidegger, Jacques Derrida, Marcel Mauss und vor allem Genevieve Vaughan, die alle zentrale Aspekte der Gabe – verstanden als soziales Phänomen –und verschiedene Formen von Gaben herausgearbeitet haben. Als Gesellschaftstheorie ist zudem nach Ansicht von Wörer die kritische Patriarchatsforschung von entscheidender Bedeutung. Darunter versteht die Autorin nicht nur eine Väterherrschaft, sondern auch ein „utopisches, ‚alchemistisches Projekt‘ einer mutterlosen und naturunabhängigen Gesellschaft“ (8). Dieses basiere auf einer Logik der Trennung und Abgrenzung, während das Paradigma der Gabe dagegen eine „Verbundenheit und Lebensfreundlichkeit“ (12) ausdrücke. Dahinter steht die anthropologische Prämisse, dass es sich bei Menschen zuvorderst um schenkende Wesen handelt. Wenn man diese Annahme akzeptiert, kann man der Autorin darin folgen, dass es ohne Gabe kein Leben, keine Gemeinschaft, keine Kultur, keine Ökonomie und keine Politik gibt. Dies gilt ihrer Ansicht nach auch in dem derzeitig herrschenden kapitalistischen Patriarchat, in dem die Formen der Gabe jedoch unterdrückt und als unproduktiv bezeichnet werden, obwohl es z. B. auf Hausarbeit, Pflegearbeit oder ehrenamtlichen Tätigkeiten angewiesen sei. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass nicht nur materielle Schenkungen als Gabe aufgefasst, sondern auch Formen der Fürsorge, der Solidarität und auch die Sprache selbst als ständiger Akt des Gebens und Nehmens begriffen werden. Die „Kultur der Gabe“ wird entsprechend definiert als ein „Pflegen des Miteinanders, welches auf dem Kommunizieren, der Orientierung an den Bedürfnissen des Anderen (des Mitmenschen, der Natur etc.) beruht – stets der Erhaltung der Vielfalt, der Fülle und dem Leben verpflichtet“ (14). Ziel der Analyse ist es, die patriarchalischen Verhältnisse mit dem „mörderischen“ (130) kapitalistischen System durch ein Matriarchat zu ersetzen. Grundlage dafür sei dann die „Kultur der Gabe“, die in einem „fühlenden und liebenden Denken, das auf dem Erkennen und dem Anerkennen des Lebens, der Solidarität, der Zugehörigkeit und der Verbundenheit“ (130) gründe. Frauen komme dabei aufgrund ihrer Gebärfähigkeit und -tätigkeit sowie ihres Beitrages zum Überleben des Einzelnen und des Gemeinwesens, wodurch sie die Gegenwart der Gabe deutlicher wahrnehmen würden, eine hervorgehobene Rolle zu.
Jan Achim Richter (JAR)
Dipl.-Politologe, Doktorand, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.42 Empfohlene Zitierweise: Jan Achim Richter, Rezension zu: Simone Wörer: Politik und Kultur der Gabe. Frankfurt a. M. u. a.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/35328-politik-und-kultur-der-gabe_42548, veröffentlicht am 20.09.2012. Buch-Nr.: 42548 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
CC-BY-NC-SA
Neueste Beiträge aus
Das Fach Politikwissenschaft