/ 03.06.2013
Adolf M. Birke / Magnus Brechtken (Hrsg.)
Politikverdrossenheit. Der Parteienstaat in der historischen und gegenwärtigen Diskussion/Disillusioned with Politics. Party Government in the Past and Present Discussion. Ein deutsch-britischer Vergleich/An Anglo-German Comparison
München u. a.: K. G. Saur Verlag 1995 (Prinz-Albert-Studien 12); 136 S.; geb., 78,- DM; ISBN 3-598-21412-XDie Referate einer Konferenz der Prinz-Albert-Gesellschaft im September 1994 bei Coburg thematisieren generell die Legitimationskrise des Parteienstaats. Die ersten drei Beiträge widmen sich der Parteienproblematik des 19. Jahrhunderts, bevor Möller sich der "Weimarer Parteiendemokratie" zuwendet. Im dritten und umfangreichsten Abschnitt über die Nachkriegszeit werden zum einen Probleme und Perspektiven der britischen und deutschen Sozialdemokratie untersucht, zum anderen wird das Phänomen der Parteienverdrossenheit in beiden Ländern verglichen. Smith stellt hierzu fest, daß trotz großer allgemeiner Unzufriedenheit die beiden Parteiensysteme stabil sind, obwohl Möglichkeiten zu Veränderungen bestanden haben. Diese Tatsache sei durch Kartellsituation zwischen den großen Volksparteien ("cartel parties" [Begriff von Katz und Mair]) bedingt, die mit ihren Mehrheiten die Spielregeln für den Machtzugriff zu ihren Gunsten festlegen können. In Großbritannien geschehe dies durch das Wahlsystem, in Deutschland durch die Parteienfinanzierung - beides bevorzuge die großen Parteien. Damit entstehe der Eindruck, daß die Parteien als staatliche Institutionen nicht mehr gesellschaftlich kontrolliert werden und sie nur noch Service-Institutionen für die Gesellschaft sind. So ändere sich das Verhältnis zwischen Wählern und Gewählten, worin eine Wurzel der Parteienverdrossenheit liegen könne (117 f.).
In der abschließenden Diskussion nahmen neben Colin Munro und Hugh Dykes auch Wolfgang Zeh und Konrad Adam teil. Letzterer kritisierte die Parteien, die zu Gemischtwarenläden von Interessengruppen würden. Zeh dagegen stellte fest, daß das Gemeinwohl nur durch den Interessenkampf zu bestimmen und Parteienverdrossenheit in gewissem Maße hinzunehmen sei. Z. T. fehle es aber auch an einer sportiven Einstellung zum Interessenkampf, und schließlich verhielten sich Politiker zu oft zu populistisch.
Inhalt: Adolf M. Birke / Magnus Brechtken: Einleitung (7-11), Introduction (13-17); Asa Briggs: Parties and Parliament in 19th Century Britain (27); Hartwig Brandt: Frühkonstitutionalismus und Parteienbildung in Deutschland (29-40); Klaus Erich Pollmann: Das Unbehagen an den Parteien in der Gründungsphase des Deutschen Kaiserreichs (41-51); Horst Möller: Weimarer Parteiendemokratie in kritischer Perspektive (53-78); Ben Pimlott: The Impact of Labour: Changing Political Attitudes and Expectations (79-91); William E. Paterson: Has the Left a Future? A Comparative View of the British Labour Party and the German Social Democratic Party (93-99); Wilhelm Bürklin: Die deutsche Parteienkritik im Wandel: Die 1970er bis 1990er Jahre (101-111); Gordon Smith: Disillusioned with Politics? The British Case (113-122); Magnus Brechtken: Zusammenfassung der Podiumsdiskussion (123-134), Summary of Panel Discussion (129-134).
Stefan Lembke (SL)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.23 | 2.311 | 2.22 | 2.331 | 2.61
Empfohlene Zitierweise: Stefan Lembke, Rezension zu: Adolf M. Birke / Magnus Brechtken (Hrsg.): Politikverdrossenheit. Der Parteienstaat in der historischen und gegenwärtigen Diskussion/Disillusioned with Politics. Party Government in the Past and Present Discussion. München u. a.: 1995, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/1573-politikverdrossenheit-der-parteienstaat-in-der-historischen-und-gegenwaertigen-diskussiondisillusioned-with-politics-party-government-in-the-past-and-present-discussion_1790, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 1790
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M. A., Politikwissenschaftler.
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