/ 04.12.2014
Martha C. Nussbaum
Politische Emotionen. Warum Liebe für Gerechtigkeit wichtig ist. Aus dem Amerikanischen von Ilse Utz
Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2014 ; 623 S. ; 39,95 €; ISBN 978-3-518-58609-9Bereits Montesquieu hatte für eine demokratische Regierung die Tugend ihrer Glieder – verstanden als Liebe zur Gleichheit – vorausgesetzt. Martha Nussbaum folgt dieser Annahme mit der These, dass Liebe und Mitgefühl die zwischenmenschlichen Beziehungen auszeichnen, die eine wohlgeordnete liberale Gesellschaft stabilisieren. Eine gerechte Ordnung könne also nicht allein mit abstrakten politischen Prinzipien erreicht, sondern müsse mit Verständigungsbereitschaft und Zuneigung unterfüttert und begleitet werden, aus denen dann ein demokratischer Konsens und eine solidarische, nationale Gemeinschaft entstehen. Dies ist ihrer Ansicht nach zugleich eine patriotische Gesinnung. Historische Vordenker einer solchen Solidarität findet sie in Walt Whitman für die USA und in Rabindranath Tagore für Indien. Sind die ersten Kapitel zunächst auf das Quellenstudium konzentriert, durchzieht den Band eine immer stärker durchscheinende Idee von demokratischer Liebe und Mitgefühl, die als „normatives politisches Projekt“ (33) weitergeführt werden müsse. Diese Idee wird nicht stringent entfaltet, sondern in sich mitunter wiederholenden Teilstücken zusammengesetzt, schließlich besteht der Band aus Aufsätzen, die zum Teil schon publiziert wurden. Dass Gerechtigkeit auf Solidarität angewiesen ist, entwickelt Nussbaum überzeugend in der Vorstellung einer großen, inklusiven Gemeinschaft. Allerdings kann sie die Voraussetzungen für ein solches gegenseitiges Mitgefühl und seine Grenzen nicht benennen. Liegen in nationalen oder auch ethnischen Traditionen, religiösen Überzeugungen, Gewalterfahrungen und Gefühlen der (sozialen und ökonomischen) Ausgrenzung nicht auch Schranken, die eine Verständigung erschweren? Wie sollen Menschen zu solchen Gesprächspartnern erzogen werden? Wo liegt der Grat zur Exklusion des Nicht‑Tolerierbaren? Welche Bereiche der Politik will Nussbaum von solchen politischen Emotionen ausklammern, um den Bestand der Demokratie zu sichern? Die Philosophin setzt die gegenseitige Anerkennung und die individuelle Bereitschaft zur Verständigung schlicht voraus und konzentriert sich zunächst auf die gemeinsame Aufgabe.
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Rubrizierung: 5.42 Empfohlene Zitierweise: Ellen Thümmler, Rezension zu: Martha C. Nussbaum : Politische Emotionen. Frankfurt a. M.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37873-politische-emotionen_46433, veröffentlicht am 04.12.2014. Buch-Nr.: 46433 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA