/ 22.06.2013
Thomas Lühr
Prekarisierung und "Rechtspopulismus" Lohnarbeit und Klassensubjektivität in der Krise
Köln: PapyRossa Verlag 2011 (Hochschulschriften 86); 136 S.; 14,- €; ISBN 978-3-89438-449-4Lühr will der Frage nachgehen, „inwiefern und unter welchen Bedingungen die Umbrüche in der Arbeitswelt zu nationalistisch-ausgrenzenden Orientierungen von Lohnabhängigen führen“ (9). Bedauerlicherweise macht der Autor aber keine Angaben darüber, welche Daten ihn zu dieser Frage veranlasst haben. Auch im Verlauf der Studie bleibt es ungeklärt, ob es überhaupt einen nachweisbaren Zusammenhang zwischen der Erfahrung, in einem unsicheren Beschäftigungsverhältnis zu stehen, und rechtspopulistischen Ansichten gibt. Es werden auch keine entsprechenden Wahlergebnisse als Beleg genannt. Zudem wird nicht festgestellt, ob die Verbreitung rechtspopulistischer Ansichten in sozial schwach gestellten Bevölkerungsgruppen signifikant anders ist als in anderen Einkommensgruppen. Lühr hat denn auch keine eigene Zahlen erhoben, sondern wertet vor allem Studien anderer Wissenschaftler aus, deren Daten allerdings teilweise schon vor dem Inkrafttreten der Hartz-Reformen erhoben wurden und mit denen nicht die eingangs benannte Fragestellung konkret bedient wird. Ausgerechnet aber die von Wilhelm Heitmeyer herausgegebene Reihe „Deutsche Zustände“, in der sich belastbare Zahlen für populistische bzw. ausgrenzende Einstellungen hätten finden lassen, wurde nicht berücksichtigt. Lühr verwebt seine Literaturanalyse dann mit einem subjektwissenschaftlichen Ansatz. Vertreten wird die These, dass Lohnabhängige mittels nationalistisch-ausgrenzender Orientierungen ihre Handlungsfähigkeit, die sie in der Arbeitswelt verloren haben, doch noch für ihre Person zu sichern versuchen. Diese Annahme stammt allerdings von Ute Osterkamp („Rassismus als Selbstentmächtigung“, 1996), die als Quelle auch genannt wird. Auffällig an dieser inhaltlich also keineswegs neuen Arbeit ist insgesamt ihre Verankerung in der traditionellen marxistischen Argumentation und den entsprechenden Faschismustheorien. An dieser ideologischen Fixierung mag es liegen, dass der Autor im Schlussteil vor den „tendenziell zunehmenden Wahlergebnisse[n] der FDP“ (125) warnt und das Fehlen einer „massenwirksamen Bewegung“ (126) der Lohnabhängigen bedauert.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.331 | 2.37 | 5.42
Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Thomas Lühr: Prekarisierung und "Rechtspopulismus" Köln: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/33583-prekarisierung-und-rechtspopulismus_40197, veröffentlicht am 20.04.2011.
Buch-Nr.: 40197
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Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
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