/ 22.06.2013
Daniel Hildebrand
Rationalisierung durch Kollektivierung. Die Überwindung des Gefangenendilemmas als Code moderner Staatlichkeit
Berlin: Duncker & Humblot 2011 (Beiträge zur Politischen Wissenschaft 167); 579 S.; 98,- €; ISBN 978-3-428-13475-5Politikwiss. Habilitationsschrift Universität der Bundeswehr München; Begutachtung: C. Masala, U. Weiß, H. Oberreuter. – Hildebrand stellt seiner äußerst komplexen theoretischen Analyse den Befund voraus, dass trotz anhaltender Staatsskepsis eine empirisch messbare Staatsausdehnung konstatiert werden muss. Dieses Paradoxon der Gegenwart führt ihn zu zwei Arbeitshypothesen: 1. Die Ausdehnung begünstigt den Staat, die individuellen Bedürfnissen der Bürger besser zu befriedigen und somit das ihm inhärente Gefangenendilemma zu überwinden. 2. Die Ausdehnung und die Befriedigung bürgerlicher Interessen wirft jedoch neue kollektiv relevante Probleme auf, die „wiederum nur durch Staatlichkeit und Öffentlichkeit bewältigt werden können“ (32). In dieser Gemengelage entwickele sich der Staat – so Hildebrand weiter – zunehmend zu einer avantgardistischen Agentur der Gesellschaft, deren oberste Aufgabe es sei, den Bürger zufriedenzustellen. Die daraus resultierende Forschungsfrage lautet daher für ihn: „Warum wirkt Staat?“ (32). Seine Analyse zielt jedoch nicht auf eine rein phänomenologische Antwort ab; auch will er nicht modal danach fragen, wie der Staat im Einzelnen handelt. Vielmehr argumentiert er aus einer systemtheoretischen Perspektive auf der Basis des Prinzips organischer Rekonstruktion politischer Rationalisierungsfunktionen. Er fragt somit nach der „Eigenart von Staat und Politischem“ (33). Die methodische Matrix baut Hildebrand aus den Annahmen und Diskursen des Gefangenendilemmas des Staates, der politischen Theorie der Gegenwart sowie der Neuen Institutionenökonomik. Darüber hinaus besteht die Matrix aus verschiedenen methodischen Dimensionen bzw. Herangehensweisen, die er miteinander verflicht. Am Ende der vielschichtigen Untersuchung des postmodernen Staates und seiner Staatlichkeit stehen neun Thesen vom Staat, in denen er unter anderem davon ausgeht, dass die historischen Konzepte des Machtstaates und der Staatsräson ebenso wie Staatskonzepte, die die Kooperation von Partikularinteressen stärker betonen, nicht ohne „die Möglichkeit der Zwangsgewalt, nicht unbedingt jedoch ihrer Anwendung“ (520, These 3) auskommen. Es sei eine Tatsache, dass die Ausdehnung kollektiver Zusammenhänge und die Versorgung individueller Bedürfnisse zunehmen und „Autokratie tendenziell durch Heterarkie ersetzt wird“ (520, These 5). Das heißt, die klassischen hierarchischen Ordnungssysteme lösen sich auf und werden durch ein Nebeneinander der Organisationseinheiten ersetzt.
Anja Franke-Schwenk (AF)
Dr. des., wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften (Bereich Politikwissenschaft), Universität Kiel.
Rubrizierung: 5.41 | 5.1
Empfohlene Zitierweise: Anja Franke-Schwenk, Rezension zu: Daniel Hildebrand: Rationalisierung durch Kollektivierung. Berlin: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/34266-rationalisierung-durch-kollektivierung_41126, veröffentlicht am 15.12.2011.
Buch-Nr.: 41126
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Dr. des., wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften (Bereich Politikwissenschaft), Universität Kiel.
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