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/ 06.06.2013
Gregor Wiedemann

Regieren mit Datenschutz und Überwachung. Informationelle Selbstbestimmung zwischen Sicherheit und Freiheit

Marburg: Tectum Verlag 2011 (Politikwissenschaften 41); VIII, 188 S.; pb., 24,90 €; ISBN 978-3-8288-2636-6
Durch die Ausweitung staatlicher Überwachungsmaßnahmen gerät das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zunehmend unter Druck. Die schleichende Erosion des Datenschutzes ruft regelmäßig massive Kritik in der Bevölkerung hervor, wie sie sich eindrucksvoll in den Großdemonstrationen im Jahr 2009 und einer Sammelklage gegen die Vorratsdatenspeicherung vor dem Bundesverfassungsgericht zeigte. Der Autor fragt, inwieweit sich „im jüngeren Sicherheitsdiskurs die politische Praxis vom Primat individueller Freiheit hin zu kollektiver Sicherheit“ (4) verschiebt. Wiedemann stützt sich unter Rückgriff auf Foucault auf einen gouvernementalitätsanalytischen Ansatz sowie auf die Theorie der „Securitization“ (33). Vor diesem Hintergrund werden Sicherheit und Freiheit als sich wechselseitig bedingende Instrumente (il-)liberaler Gouvernementalität charakterisiert. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen zwei Diskursanalysen: Erstens betrachtet Wiedemann die Debatten zum Datenschutzrecht im Deutschen Bundestag seit den 70er-Jahren. Diese interpretiert er als liberale Regierungsweise. Zweitens untersucht er, als Beispiel neuerer staatlicher Überwachsungsmaßnahmen, die Debatten zur Vorratspeicherung von Telekommunikationsdaten. Trotz großer Vorbehalte seitens der Opposition wurde die EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung im November 2009 in nationales Recht umgesetzt (und vom Bundesverfassungsgericht im März 2010 für nichtig erklärt). Wiedemann sieht die Verabschiedung dieses Gesetzes als Ausdruck einer „‚polizeilich’ geprägten Souveränität“ (112), gekennzeichnet durch eine illiberale Regierungsweise. Auseinandersetzungen und Analysen über den Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit werden meist auf einer, vom Autor als „liberale Hypothese“ verstandenen, linearen Skala zwischen diesen beiden Polen eingeordnet. Wiedemann hingegen problematisiert die politische Regulierung von Sicherheit und Freiheit entlang einer „von Machtmechanismen bestimmten Grenzlinie zwischen liberaler und illiberaler Regierung“ (118) und reflektiert abschließend Möglichkeiten widerständiger Praktiken.
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.3432.322.22 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Gregor Wiedemann: Regieren mit Datenschutz und Überwachung. Marburg: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/9172-regieren-mit-datenschutz-und-ueberwachung_41612, veröffentlicht am 05.04.2012. Buch-Nr.: 41612 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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