/ 03.06.2013
Gregor von Fürstenberg
Religion und Politik. Die Religionssoziologie Antonio Gramscis und ihre Rezeption in Lateinamerika
Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag 1997; 378 S.; kart., 56,- DM; ISBN 3-7867-1991-8Diss. Münster. - Im Zentrum der Arbeit steht das Anliegen, "die Rezeption und Weiterentwicklung der Religionssoziologie Gramscis in Lateinamerika" (11) zu untersuchen. Speziell geht es von Fürstenberg dabei um die Verbindungslinien zwischen dem italienischen Philosophen und Gründer der Kommunistischen Partei Italiens zur Theologie der Befreiung (Leonardo und Clodovis Boff, Gustavo Gutiérrez). Zunächst wird anhand ausgewählter Begriffe die politische Philosophie Gramscis skizziert, in deren Mittelpunkt das Interesse an der aktiven politischen Beteiligung der einfachen Menschen sowie das Konzept der Zivilgesellschaft stehe. Indem Gramsci die orthodoxe marxistische Position zur Religion variiere und auch deren positive Elemente für die Aktivierung der Massen unterstreiche, biete er entscheidende soziologische Prämissen zur Fundierung der Theologie der Befreiung. Als Vermittler und Scharnier zwischen Gramsci und den Theologen der Befreiung in diesem Prozeß seien José Carlos Mariátegui und Paulo Freire zu nennen. Die Vertreter der Theologie der Befreiung übernehmen nach von Fürstenberg die Rolle organischer Intellektueller im Sinne Gramscis zur Aktivierung des Volkes. Dies führe dazu, daß in Lateinamerika "eine erneuerte 'geschwisterliche Kirche'" (305) wachse. Von Fürstenberg hat sich selbst in einer Basisgemeinde in Brasilien engagiert und kennt daher die Theologie der Befreiung aus der Praxis. Aus dieser Erfahrung heraus hält er einige Gedanken Gramscis für wegweisend für die Kirche in Lateinamerika: "Angesichts des breiten Elends und immer neuer Seuchen- und Hungermeldungen von diesem Kontinent kann man fragen, warum sich dort marxistische Ideen wie die von Gramsci nicht schon viel eher auf breiter Front durchgesetzt haben." (338) Gleichwohl räumt von Fürstenberg aber auch selbst ein, daß Gramsci letztlich kein eindeutig positives Verhältnis zur Religion entwickelt habe. Sie habe eine "ambivalente Rolle" (18) innerhalb seiner Philosophie. Und damit bleibt die Frage, welche Rolle die Theologen in einer marxistischen Gesellschaft einnehmen, nachdem sie ihre Aufgabe der Aktivierung der Massen erfüllt haben.
Manuel Fröhlich (MF)
Prof. Dr., Juniorprofessur für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.manuel-froehlich.de).
Rubrizierung: 5.4 | 2.23 | 2.65
Empfohlene Zitierweise: Manuel Fröhlich, Rezension zu: Gregor von Fürstenberg: Religion und Politik. Mainz: 1997, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/2940-religion-und-politik_3850, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 3850
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Prof. Dr., Juniorprofessur für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.manuel-froehlich.de).
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