/ 21.06.2013

Hans-Hermann Hertle / Konrad H. Jarausch (Hrsg.)
Risse im Bruderbund. Die Gespräche Honecker – Breshnew 1974 bis 1982
Berlin: Ch. Links Verlag 2006; 273 S.; brosch., 24,90 €; ISBN 978-3-86153-419-8Man mag es kaum glauben, aber die Führer der realsozialistischen Welt kommunizierten tatsächlich in Phrasen miteinander. Man klagte zwar durchaus über „Strukturdefekte und ihre Begleiterscheinungen“, statt Diskussionen folgte aber nur ein „Austausch von Plattitüden“ (40). Hertle und Jarausch haben in diesem Band die zuvor geheimen Aufzeichnungen der Gespräche zwischen Breshnew und Honecker auf der Krim in den Jahren 1976 bis 1982 zusammengestellt, ergänzt um zwei Gesprächsniederschrifen aus dem Sommer 1974 und dem Herbst 1975. Die Herausgeber leiten diese Dokumente mit einer kenntnisreichen Analyse ein. Die Aufzeichnungen beginnen in einer Zeit, in der Breshnew und Honecker „im Zenit ihres Erfolges“ (12) standen, die Nachkriegsordnung schien festgeschrieben, der Rohölexport überdeckte noch die strukturelle Schwäche des Wirtschaftssystems. „Die Sorge der Sowjetführung galt vor allem einer unkontrollierten Annäherung der beiden deutschen Staaten, die durch eine wachsende Abhängigkeit von westdeutschen Zahlungen befördert wurde“ (28). Die deutsch-deutschen Beziehungen waren – im Kontext zunehmender wirtschaftlicher Schwierigkeiten – ein Grund, weshalb sich bereits Ende der siebziger Jahre die ersten „Risse im Bruderbund“ zeigten. Auch zweifelte die sowjetische Führung an der Loyalität der DDR-Bürger zur SED. Die Gespräche zeigten das Unvermögen der Planwirtschaft, schreiben Hertle und Jarausch, „die mikroelektronische Revolution mitzuvollziehen, den Übergang zur postfordistischen Produktionsweise zu meistern und gleichzeitig genügend attraktive Konsumgüter zu produzieren“ (58). Auffällig sei weiterhin, dass in den Gesprächen die globalen sozialen und kulturellen Veränderungen kaum eine Rolle spielten und auch die Dynamik der sich entwickelnden Dissidentenszene nicht verstanden worden sei. Die Krim-Gespräche stärkten den Eindruck einer starren und polarisierten Wahrnehmung der kommunistischen Führungen, so das Fazit der Herausgeber, „die immer weniger in der Lage waren, die internen und externen Probleme zu analysieren, geschweige denn zu lösen“ (59).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.1 | 4.22 | 2.62 | 2.314 | 2.25
Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Hans-Hermann Hertle / Konrad H. Jarausch (Hrsg.): Risse im Bruderbund. Berlin: 2006, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/26799-risse-im-bruderbund_31265, veröffentlicht am 25.06.2007.
Buch-Nr.: 31265
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Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
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