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/ 05.09.2013
Elina Fleig / Madhuresh Kumar / Jürgen Weber (Hrsg.)

Speak Up! Sozialer Aufbruch und Widerstand in Indien. Aus dem indischen Englisch von Katja Rameil und Andrea von Kameke

Berlin/Hamburg: Assoziation A 2013; 318 S.; brosch., 18,- €; ISBN 978-3-86241-423-9
Neben seiner demokratischen Verfassung ist Indien ein sehr vielschichtiges, heterogenes Land, dessen zahlreiche, mitunter krasse Gegensätze zu Problemen führen, die in der deutschen Öffentlichkeit oftmals nicht die Aufmerksamkeit erfahren, die sie verdienen. Die Herausgeber dieses Bandes bemühen sich – aus einer breit angelegten sozialwissenschaftlichen Perspektive, die sich auch in der Komposition der Beiträge spiegelt – die Sensibilität für die indische Gegenwartsgesellschaft zu erhöhen. Sie präsentieren eine kritische Sichtung dieser 1,2 Milliarden Menschen umfassenden Demokratie, die in den vergangenen Jahren einen ungeheuren Modernisierungs‑ und damit auch Veränderungsschub erfahren hat – eine Entwicklung, die neben Licht auch sehr viele Schattenseiten aufweist. Neben Beiträgen, die Aspekte neuer, utopischer Gesellschaftsentwürfe präsentieren oder solchen, die sich mit Ressourcen‑ und Agrarfragen oder auch der Rolle global operierender Unternehmen in Indien beschäftigen, sind in einem engeren politikwissenschaftlichen und gegenwartsdiagnostischen Fokus vornehmlich zwei Beiträge interessant. Diese befassen sich mit „schwindenden demokratischen Räumen“ (113) einerseits und „sexueller Gewalt und Widerstand“ (154) andererseits. Während Pushkar Raj in seinem Beitrag nachzeichnet, wie demokratische Rechte in Indien zunehmend zwischen einem starken Staat und einer „noch stärkeren kapitalistischen Klasse“ (113) zerrieben werden – wobei er in einer sich ausbreitenden Zivilgesellschaft und einer aufkeimenden basisdemokratischen Bewegung in Form von Dorfräten auch Gegentendenzen ausmacht – ist Kavita Krishnan den Ursachen sexueller Gewalt auf der Spur. Aufhorchen lässt etwa die von ihr herangezogene indische Gesetzgebung, wonach „Geschlechtsverkehr eines Mannes mit seiner eigenen Frau kein sexueller Übergriff sein [kann], wenn die Frau nicht unter 18 Jahre alt ist“ (155). Dahinter steht eine durch und durch patriarchale Gesellschaft, in der ein vergewaltigender Mann mit Blick auf seine Machtposition und im Ausleben eines eher archaischen Ehr‑ und Beschützerverständnisses kaum als strafrechtlich schuldiger Täter betrachtet wird. Im Umkehrschluss ist die Frau nicht Opfer, sondern eben keine „richtige Frau“ (164) gewesen. All diese Phänomene – und noch viele mehr – beschreiben und diskutieren die Autorinnen und Autoren immer auch unter dem Aspekt, welche Konsequenzen hieraus für eine linksgerichtete Politik erwachsen. Allein schon wegen der Einblicke in die indische Gesellschaft ist dies ein lesenswerter Band.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.682.222.2622.2632.2612.272.232.25 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Elina Fleig / Madhuresh Kumar / Jürgen Weber (Hrsg.): Speak Up! Berlin/Hamburg: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36134-speak-up_43809, veröffentlicht am 05.09.2013. Buch-Nr.: 43809 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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