/ 09.01.2014

Georg Schild
1983. Das gefährlichste Jahr des Kalten Krieges
Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2013; 234 S.; brosch., 26,90 €; ISBN 978-3-506-77658-7Der Kalte Krieg ist längst Geschichte und so erscheint aus heutiger Sicht auch der Blick auf die Ereignisse des Jahres 1983 ein wenig wie der auf einen anderen Stern. In jenem Jahr manövrierten sich die USA und die UdSSR an den Rand eines Atomkrieges. Zugleich führte diese Eskalation aber auch zur Abkehr von der Logik mehrfach gesicherter Vernichtungskapazitäten und hin zu atomaren Kontrollvereinbarungen sowie Abrüstungsverhandlungen. Die im Buch beschriebene Chronologie der Ereignisse sieht als erste Schritte der Eskalation den Wechsel in der sowjetischen Staatsführung von Breschnew zu Andropow im Jahr 1982. Im März 1983 gelangte eine Sicherheitsdirektive der USA an die Öffentlichkeit, die als Ziel US‑amerikanischer Außenpolitik eine Änderung des politischen Systems der UdSSR benannte. Im selben Monat bezeichnete Präsident Ronald Reagan die Sowjetunion als „Reich des Bösen“ und kündigte die Entwicklung eines satellitengestützten Abwehrschirms (SDI) an. Ebenfalls im Frühjahr 1983 fanden im Rahmen eines Manövers der US‑amerikanischen Pazifikflotte „Fleetex 83“ mehrfache Grenzraumverletzungen im Gebiet der Kurilen statt. Am 1. September schossen sowjetische Jäger ein südkoreanisches Passagierflugzeug (KAL 007) wegen einer Verwechslung mit einem Spionageflugzeug ab. Am 26. September kam es in einer sowjetischen Raketenabwehranlage zu einem Fehlalarm, der nur wegen der besonnenen Reaktion des diensthabenden Offiziers Stanislaw Petrow nicht zu einem Nuklearkrieg führte. Im November 1983 führte die allgemeine Paranoia schließlich dazu, dass die Sowjets das NATO‑Manöver „Able Archer“ als Vorbereitung eines nuklearen Erstschlages des Westens beurteilten. Die Reflexion über die Außenwirkung seiner Politik bewegte Reagan schließlich dazu, seine Äußerungen gegenüber der UdSSR abzumildern und sowjetische Sicherheitsbedenken ernst zu nehmen. Dieses „Reagan Reversal“ (191 ff.) war noch nicht das Ende des Kalten Krieges, aber doch die Rückkehr zu Verhältnissen, in denen die eine Seite der anderen nicht mehr komplette Irrationalität unterstellte. Georg Schilds Leistung besteht vor allem darin, dass er diese Ereignisse im Kontext der längeren Linien der Geschichte des Kalten Krieges verortet. So sind auch „nur“ 60 Seiten des Buches direkt den Vorkommnissen des Jahres 1983 gewidmet. Gerade diese ausführliche Schilderung der Vorgeschichte macht aber deutlich, worin die besondere Brisanz der Fehleinschätzungen dieses Krisenjahres lag.
Sebastian Lasch (LA)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 4.1 | 4.41 | 4.22 | 2.64 | 2.62
Empfohlene Zitierweise: Sebastian Lasch, Rezension zu: Georg Schild: 1983. Paderborn u. a.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36576-1983_43722, veröffentlicht am 09.01.2014.
Buch-Nr.: 43722
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M. A., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
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