Tim Vorley, Syahirah Abdul Rahman, Lauren Tuckerman, Phil Wallace (Hrsg.): How to Engage Policy Makers with Your Research. The Art of Informing and Impacting Policy
In diesem 2022 erschienenen Sammelband möchten 41 Autorinnen und Autoren Einblicke in Strategien geben, wie die immer wieder beklagte Kluft zwischen politikwissenschaftlichen Erkenntnissen und politischer Praxis überwunden werden kann. Unser Rezensent Rainer Lisowski hält am Ende seiner Lektüre – trotz anfänglicher Zustimmung zu vielen allgemeinen Ausführungen des Buchs – fest, dass die zahlreichen Einzelkapitel zu kurz geraten sind und „top tipps“ leider oberflächlich bleiben. All dies lasse die Umsetzung einer an sich sinnvollen Publikationsidee fehlschlagen.
Von Zeit zu Zeit wird gegenüber der Politikwissenschaft der Vorwurf erhoben, das Fach sei zu akademisch, zu weltfremd, zu praxisfern und zu „wissenschaftlich“. Auf der anderen Seite wird innerhalb des Faches nicht selten geklagt, die Politik interessiere sich kaum für Erkenntnisse, Forschungsergebnisse und Einsichten der Politikwissenschaft. Mit dem Sammelband „How to engage policy makers with your research” wollen Tim Vorley und andere Abhilfe schaffen. In 24 Kapiteln beleuchten 41 Autorinnen und Autoren das Problem und seine möglichen Lösungsansätze von verschiedenen Perspektiven. Praktikerinnen kommen ebenso zu Wort wie Forscher, die Einschätzung von Thinktanks ist ebenso abgebildet wie die von Hochschulverwaltungen.
Allerdings wird schon beim Blick auf das Inhaltsverzeichnis eine Schwierigkeit deutlich. Bei etwa 260 Seiten beläuft sich bei 24 Beiträgen die durchschnittliche Seitenzahl pro Aufsatz auf gerade etwas mehr als zehn Seiten. Da sich viele Aussagen doppeln (beispielsweise die Betonung der generellen Bedeutung der Zusammenarbeit und die Herleitung der Notwendigkeit einer Kooperation) und da auch Literaturverweise Platz finden wollen, bleiben oftmals nur ein paar Seiten für die eigentlich zu diskutierenden Themen. Zudem stellt sich die Leserin beziehungsweise der Leser nach der Lektüre doch die Frage, ob das Format eines Sammelbandes grundsätzlich für das Thema taugt.
Das Herausgeberteam hat den Band in drei Abschnitte gegliedert. Im ersten Abschnitt werden die Bedürfnisse der beiden Partner Forschung und Politik vermessen. Woran sollte man auf der jeweils anderen Seite denken, bevor man kooperiert? Was sind die Erwartungshaltungen der Politik (zum Beispiel klare Aussagen, eindeutige Handlungsempfehlungen), was die der Wissenschaft (zum Beispiel eben der Wunsch, keine ganz eindeutigen Aussagen zu treffen, da Wissenschaft selten mit absoluten Gewissheiten operiert).
Der zweite Abschnitt widmet sich den „Modes of Interaction“, womit beispielsweise die Rollenmodelle einer Zusammenarbeit gemeint sind. Debbie Johnson, Geeta Nathan und Syahirah Abdul Rahman (104-112) beschreiben etwa das Rollenmodell des „critical friend“, was erstmal gut klingen mag, aber dann für beide Seiten auch eine Herausforderung sein kann. Denn aus Sicht der Autorinnen gehört zu dem Modell, dass die Praxis die Hinweise der Wissenschaft „schlucken“ muss, denn die Wissenschaft soll bei diesem Modell die Praxis harsch kritisieren. Umgekehrt müsse die Wissenschaft hinnehmen, dass sie vielleicht hervorragende Hinweise liefert, aber die Praxis sie dennoch verwerfe und nicht umsetze (110).
Im dritten Abschnitt werden sieben konkrete Beispiele für die Zusammenarbeit zwischen politikwissenschaftlicher Forschung und politischer Praxis vorgestellt. Ekkehart Ernst stellt beispielsweise Beratungsprojekte vor, die in Zusammenarbeit mit der International Labor Organization (ILO) in Kolumbien und Peru durchgeführt wurden und die Expertise und „Capacity Building“ für Entwicklungen und Trendeinschätzungen bei Arbeitsmärkten verbessern sollten (185-195).
Da die verschiedenen Aufsätze in sehr unterschiedliche Richtungen gehen, ist es nicht möglich, die Inhalte des Buches in wenigen Zeilen zusammenzufassen, ohne lediglich sehr allgemein und oberflächlich darauf einzugehen. Leider scheint es den Autorinnen und Autoren oftmals selbst so ergangenen zu sein. Nicht selten liest man Passagen des Buches mit einem Kopfnicken – aber fragt man sich danach sogleich, was da inhaltlich gerade zu lesen war. Der eigentlich positive Eindruck verflüchtigt sich dann schnell wieder. Exemplarisches Beispiel: Im Aufsatz „What do policy makers want from researchers? Developing better understanding of a complex landscape“ (10-27) werden einige „top tipps“ benannt, wie man politisch Verantwortliche für gemeinsame Forschungsprojekte gewinnen kann. Diese lauten (22 f.):
- Bleiben Sie geduldig und arbeiten Sie an Ihren Netzwerken,
- kennen Sie Ihr Publikum und seine Motive,
- seien Sie konzentriert und präzise,
- kommen Sie schnell zum Punkt,
- gut ist gut genug, vermeiden Sie Perfektionismus.
Wer jemals in der Praxis gearbeitet hat, kann all dem gut zustimmen. Aber sind das wirklich „top tipps“?
Das Buch trägt mit seiner redaktionellen Gestaltung leider nicht unbedingt dazu bei, einen tiefgründigeren Eindruck zu vermitteln, denn die sowieso schon kurzen Aufsätze sind ihrerseits nochmals frakturiert. Zwei unterschiedliche Schriftarten werden für zwei Ebenen in den Aufsätzen genutzt. Einmal die normale Schriftart für den eigentlichen Text. Dann sind eingerückt und in kursiver Schrift noch so genannte „policy perspectives“ eingebaut. Im Grunde zumeist kurze Zitate von Dritten, die aus der Sicht der Praxis das beschriebene Thema beleuchten sollen. Neben diese beiden Ebenen tritt dann noch eine dritte: In grau hinterlegten Boxen finden sich Tipps, Ausführungen, Ergänzungen zum Thema oder kleine Abschweifungen. Alles in allem sorgt diese Gestaltung für eine doch beträchtliche Unruhe und Zerstreutheit beim Lesen – die dann ja noch verstärkt wird von der Vielzahl der Aufsätze und ihrem geringen Umfang.
Aus diesem Grund sieht sich der Rezensent dieses Mal leider nicht in der Lage, den Leserinnen und Lesern einen klaren Eindruck zu vermitteln, was nun die Kernaussagen dieses Buches sind, was man lernen kann, welche Einsichten vermittelt werden. Er steht letztlich ratlos vor dem Buch – was sehr schade ist, denn das Anliegen des Herausgeberteams ist wichtig und die Mühe, ein verbessertes Zusammenwirken von politischer Wissenschaft und Praxis zu erreichen, ist gut erkennbar. Nobler Anlass – gute Idee – missglückte Umsetzung. So könnte ein Fazit lauten.