/ 04.06.2013
Frank-Lothar Kroll
Utopie als Ideologie. Geschichtsdenken und politisches Handeln im Dritten Reich
Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 1998; 368 S.; Ln., 88,- DM; ISBN 3-506-74827-0Krolls Untersuchung beweist nicht allein den Wert ideengeschichtlicher Untersuchungen, zumal, wenn sie wie im vorliegenden Fall in Bezug gesetzt werden zur konkreten politischen Praxis der jeweiligen Ideenträger; sie liefert auch wesentliche neue Erkenntnisse im Bereich nationalsozialistischer Ideologie. Seine umfassende Analyse bestätigt nicht nur die in jüngster Zeit verstärkt diskutierte These von der polykratischen Herrschaftsform im Dritten Reich, sondern unterlegt dieser auch überzeugend einen Polyzentrismus der ideologischen Konzeption.
Der Autor fokussiert die Geschichtskonzeptionen verschiedener führender Ideologen des Nationalsozialismus (Hitler, Rosenberg, Darré, Himmler, Goebbels) in der begründeten Annahme, diese seien von grundlegender Bedeutung für deren politische Theorie und Praxis. Hitlers weltanschauliche Position habe sich dabei infolge ihrer Weitläufigkeit und fehlenden inhaltlichen Präzision zumindest partiell als eine „Integrationsideologie“ für die innerhalb der NSDAP jeweils vertretenen Konzeptionen und Dogmengebäude bestätigt. Sie habe sich als Klammer zwischen den primär rassistisch und den eher antikapitalistisch argumentierenden Weltanschauungen erwiesen, so Kroll, während etwa der Rassebegriff oder der Assoziationskomplex „Reich“ in den einzelnen nationalsozialistischen Geschichtskonzeptionen erheblich divergierten. Einig war man sich allein hinsichtlich der Kategorie der Erneuerung, die in weltgeschichtlicher Dimension mit Eintritt der nationalsozialistischen Herrschaft erfolgen sollte, kulminierend in der Idee vom „neuen Menschen“ und einer „neuen Welt“. Das Spektrum, innerhalb dessen die Neuschöpfung der Menschheit imaginiert wurde, lässt sich jedoch laut Kroll in eine Vielzahl konkurrierender Konzeptionen differenzieren: es reichte von rein biologisch-züchterischen Formen wie im Falle Darrés, Himmlers und partiell auch Hitlers über Rosenbergs „primär religiös dimensionierte Fundamentalreform“ bis hin zu Goebbels (und teilweise Hitlers) Idee von der Installierung einer „kollektivistischen Sozialverfassung“ (313).
Claudia Bruns (CB)
Dr., Historikerin.
Rubrizierung: 5.42 | 2.312
Empfohlene Zitierweise: Claudia Bruns, Rezension zu: Frank-Lothar Kroll: Utopie als Ideologie. Paderborn u. a.: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/4234-utopie-als-ideologie_5966, veröffentlicht am 25.06.2007.
Buch-Nr.: 5966
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Dr., Historikerin.
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