/ 11.06.2013
Katharina Harms
Verfassungsrecht in Umbruchsituationen
Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 1999 (Studien und Materialien zur Verfassungsgerichtsbarkeit 80); 286 S.; brosch., 78,- DM; ISBN 3-7890-6328-2Rechtswiss. Diss. HU Berlin; Gutachter: G. F. Schuppert, U. Battis. - Setzt die Verfassung eine Normallage voraus oder verliert die Verfassung im Ausnahmezustand ihre normative Kraft? Um diese Fragen kreist Harms Untersuchung. Von Carl Schmitt ist die Zuspitzung dieses Themas bekannt in der Formel, dass souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet. In Anlehnung daran könnte die Autorin Schmitt antworten: Souverän ist, wer den Ausnahmezustand vermeidet. Diese Überlegung steht hinter ihrem Versuch, die Reaktionen des Bundesverfassungsgerichts zu einer "Umbruchsdogmatik" (119 ff.) zusammenzufassen und dogmatisch aufzubereiten. Harms konzentriert sich dabei vor allem auf die Rechtsprechung infolge der beiden deutschen Systemwechsel von 1945 und 1989/90. Diese Studie bietet eine Reihe von erhellenden Einsichten über die Funktion und Funktionsweise von Verfassungsrecht sowie Verfassungsrechtsprechung und inspiriert so zu weiterführenden Fragen: Eine davon wäre, ob und inwiefern sich die Umbruchsituation kategorial vom verfassungsrechtlichen Neuland unterscheidet - so betrachtet wäre dann die Vermeidung von Ausnahmezuständen eine wiederum fast alltägliche Aufgabe zumindest der Verfassungsgerichtsbarkeit.
Inhaltsübersicht: I. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Umbruchsituationen: 1. Verfassungsrechtliche Bewältigung der Folgen des Zweiten Weltkrieges: A. Die Besatzungsherrschaft und deren Ablösung; B. Die staatsorganisationsrechtlichen Folgen des Zusammenbruchs; C. Die wirtschaftlichen Folgen des Zusammenbruchs; D. Kriegs- und Kriegsfolgelasten; E. Die Rechtsverhältnisse der ehemaligen Angehörigen des Öffentlichen Dienst; F. Verfassungsrechtliche Instrumente zur Bewältigung von Übergangsproblemen der Nachkriegszeit. 2. Verfassungsrechtliche Fragen der Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands: A. Das geteilte Deutschland; B. Die Wiedervereinigung; C. Transformation der Rechtsordnung; D. Die Transformation des Öffentlichen Dienstes; E. Die Transformation des Systems der Rechtspflege; F. Die Überleitung öffentlicher Verbindlichkeiten; G. Die Transformation des politischen Systems; H. Die Transformation der Wirtschafts- und Eigentumsordnung; J. Handlungspflichten aufgrund besonderer Umstände?; K. Verfassungsrechtliche Instrumente zur Bewältigung von Übergangsproblemen der Wiedervereinigung. II. Elemente einer Umbruchsdogmatik: 1. Umbruch, Transformation und Systemwechsel - Zur Terminologie von Umbruchsituationen. 2. Übergangsverfassungsrecht: A. Besondere rechtliche und tatsächliche Umstände als Folge von Umbruchsituationen; B. Inkurs: Die rechts- und staatstheoretische Konzeption Carl Schmitts; C. Staatsnotstand, Ausnahmezustand und Diktatur - Eine Abgrenzung; D. Rechtstheoretische Aspekte eines Übergangsverfassungsrechts; E. Zeitweise Modifikationen von Verfassungsrecht aus außenpolitischen Gründen - Das Argument "Näher am Grundgesetz"; F. Zeitweise Modifikationen von Verfassungsrecht aus innerstaatlichen Gründen; G. Zeitweise Modifikationen von Verfassungsrecht und Rechtskontrolle; H. Zeitweise Modifikationen von Verfassungsrecht und Steuerung durch Recht. 3. Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens und Vorbehalt des Möglichen: A. Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens als rechtliches Argument; B. Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens und Sanierung der Staatsfinanzen; C. Der Vorbehalt des Möglichen als Garant der Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens; D. Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens und Abwicklung öffentlicher Einrichtungen. 4. Systemwechsel als rechtliches Argument: A. Systemvorbehalt im Systemwechsel; B. Pflicht zur Wiedergutmachung früheren Unrechts; C. Schutz der repräsentativen Demokratie im Systemwechsel; D. Noch einmal: Systemwechsel als rechtliches Argument. Zusammenfassung und Schluß: A. Elemente einer Umbruchsdogmatik; B. Weitere Umbruchsituationen; C. Übergangsrecht und allgemeine Grundrechtsdogmatik; D. Funktionen von Verfassungsrecht in Umbruchsituationen.
Oliver Lembcke (OL)
Dr., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.32 | 2.31
Empfohlene Zitierweise: Oliver Lembcke, Rezension zu: Katharina Harms: Verfassungsrecht in Umbruchsituationen Baden-Baden: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/12075-verfassungsrecht-in-umbruchsituationen_14407, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 14407
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Dr., Politikwissenschaftler.
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