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/ 18.06.2013
Peter Merseburger

Willy Brandt 1913-1992. Visionär und Realist

Stuttgart/München: Deutsche Verlags-Anstalt 2002; 928 S.; geb., 32,- €; ISBN 3-421-05328-6
Auch mehr als zehn Jahre nach seinem Tod gibt es gewiss noch Zehntausende SPD-Mitglieder, die irgendwann einmal nur seinetwegen in die Partei eingetreten sind. Brandts Stempel, den er der Partei in den zwei Jahrzehnten seiner Ära als Vorsitzender aufdrückte, ist immer noch sichtbar. Aber auch in seinen Staatsämtern zählte er stets zu den Großen der deutschen Politik. In seiner umfangreichen, gründlich recherchierten und brillant geschriebenen Biografie lässt der ehemalige Fernsehjournalist Merseburger die Gründe für die Faszination um Brandt lebendig werden. Als Herbert Frahm in ärmlichen Verhältnissen in Lübeck aufgewachsen, wurde Brandt sehr früh zu einem politischen Menschen, der zwar den angenehmen Seiten des Lebens nicht abgeneigt war, für den das politische Engagement aber immer im Mittelpunkt stand - anfangs in der SPD, dann in der weitaus linkeren SAP und nach dem weiten Umweg über das Exil in Norwegen letztlich wieder bei der Sozialdemokratie. Merseburger schildert diesen Weg sehr detailliert und bezieht stets den historischen Kontext mit ein, sodass der Leser nicht nur Brandts Lebenslauf an sich, sondern auch die Wechselbeziehungen zu den historischen Ereignissen und strukturellen Prozessen nachvollziehen kann. Dies gilt auch für die späteren Phasen von Brandts Leben, in denen er vom Regierenden Bürgermeister in Berlin während des Mauerbaus über das Amt des Außenministers in der Großen Koalition bis hin zum Bundeskanzler höchste Staatsämter bekleidete. Merseburgers Biografie ist von großer Sympathie für Brandt getragen. Der ehemalige Kanzler wird jedoch keineswegs idealisiert. Von Stimmen aus Brandts privatem Umfeld über den politischen Gegner bis hin zu eigenen Wertungen des Autors wird Brandts Handeln durchaus kritisch kommentiert. Gerade deshalb ist Merseburgers Buch eine Fundgrube sowohl für diejenigen, die sich über das wechselvolle Leben eines großen deutschen Staatsmannes informieren wollen als auch für Leser, die sich eher für zeitgeschichtliche Fragen interessieren.
Walter Rösch (WR)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.32.31 Empfohlene Zitierweise: Walter Rösch, Rezension zu: Peter Merseburger: Willy Brandt 1913-1992. Stuttgart/München: 2002, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/17220-willy-brandt-1913-1992_19814, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 19814 Rezension drucken
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