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Digirama / 09.08.2017

Podemos. Das Ende des spanischen Zwei-Parteien-Systems

In Spanien formierte sich als Antwort auf die Austeritätspolitik infolge der Euro- und Finanzkrise nach 2008 eine linkspopulistische Partei: Podemos („Wir können es“). Bereits ein Jahr nach ihrer Gründung 2014 erzielte sie bei den Parlamentswahlen einen beachtlichen Erfolg und beendete damit – zusammen mit der zweiten neuen, aber konservativen Partei Ciudadanos („Bürger“) – das Zwei-Parteien-System, das seit dem Ende der Franco-Diktatur die politische Landschaft geprägt hatte.

Acto de Campaa PodemosEine Partei der jungen Leute: Podemos-Wahlkampfveranstaltung kurz vor den Parlamentswahlen im Dezember 2015. Foto: Gmmr3 (https://es.m.wikipedia.org/wiki/Archivo:Acto_de_Campa%C3%B1a_Podemos.JPG: CC BY-SA 4.0)

 

In Spanien formierte sich als Antwort auf die Austeritätspolitik infolge der Euro- und Finanzkrise nach 2008 eine linkspopulistische Partei: Podemos („Wir können es“). Bereits ein Jahr nach ihrer Gründung 2014 erzielte sie bei den Parlamentswahlen einen beachtlichen Erfolg und beendete damit – zusammen mit der zweiten neuen, aber konservativen Partei Ciudadanos („Bürger“) – das Zwei-Parteien-System, das seit dem Ende der Franco-Diktatur die politische Landschaft Spaniens geprägt hatte. Allerdings verweigerte sich Podemos einer Koalition mit der Sozialistischen Partei, eine andere mehrheitsfähige Regierungsbildung kam nicht zustande. Ein halbes Jahr später, im Juni 2016, wurden daher Neuwahlen angesetzt, bei denen sich Podemos mit einem Wahlbündnis 71 Sitze im Parlament sicherte. Regiert wird das Land seither von einer konservativen Minderheitsregierung.

Vereinzelt sind auch im deutsch- und englischsprachigen Raum wissenschaftliche Beiträge zu Podemos erschienen, wie diese Auswahl zeigt. In der chronologischen Anordnung zeigt sich der Weg einer Partei, die von ihren Akteuren als die politische Hoffnung gesehen wurde, sich auf ihrem zweiten Parteitag Anfang 2017 aber vor allem durch persönliche Machtkämpfe geprägt präsentierte.


Pablo Iglesias / Alberto Garzón / Íñigo Errejón
Im Zweifel Populismus. Gespräch über Podemos und die Gefahren populistischer Politik
Talkshow „Fort Apache“, Spanien, 19. November 2014, deutsche Übersetzung und Veröffentlichung: Rosa-Luxemburg-Stiftung, August 2015

Im Gespräch mit dem Wissenschaftler und linken Politiker Alberto Garzón sehen die beiden führenden Podemos-Politiker Pablo Iglesias und Íñigo Errejón für Spanien im Populismus eine neue Chance, die Gesellschaft wieder zu einer Gemeinschaft werden zu lassen – es gehe „nicht darum, Bündnisse zu schmieden, sondern um einen neuen gedanklichen Horizont“. Ein festes politisches Ziel gebe es dabei nicht. Alberto Garzón sieht dagegen im Populismus kein positives Projekt: „Der Populismus kann als Kanalisation einer vielfältigen Unzufriedenheit dienen, die sich gegen einen gemeinsamen Gegner richtet. Und dann?“

Michael Ehrke
Wahlen in Spanien 2015. Das Ende des Zweiparteiensystems
Friedrich-Ebert-Stiftung, Internationale Politikanalyse, März 2015

Das politische Spanien sei seit 1982 von einem ein stabiles Zweiparteiensystem geprägt gewesen, schreibt Michael Ehrke, „dominiert von der sozialistischen PSOE und der konservativen Volkspartei (PP). Dies habe nicht zuletzt am spanischen Wahlsystem gelegen, das die Dominanz zweier großer Parteien begünstige. 2015 seien jedoch zwei neue Parteien hinzugekommen, die das Zweiparteiensystem und dessen Repräsentanten bekämpfen wollen: Die linkspopulistische Podemos (‚Wir können es‘) und die konservative Partei Ciudadanos (‚Bürger‘).“ Der Autor untersucht die möglichen Auswirkungen dieser Veränderungen der Parteienlandschaft auch mit Blick auf Regionalwahlen wie Autonomiebestrebungen.

Marion Touboul / Joseph Gordillo
Von der Straße an die Macht. Die Herausforderung Podemos
Arte, Webreportage, 2015

Nachgezeichnet wird der Aufstieg dieser linkspopulistischen Partei, die 2014 gegründet wurde und bei den Parlamentswahlen 2015 in Spanien die beiden etablierten Volksparteien herausforderte. Aufgezeigt wird in dieser Webreportage, die vor der Wahl veröffentlicht wurde, dass der Wahlkampf weniger auf einem klaren Programm basierte, sondern stark personalisiert geführt wurde. Im Mittelpunkt stand dabei der Spitzenkandidat, der Politologe Pablo Iglesias.

José Ignacio Torreblanca
Spanish politics has been infected by the Syriza virus
The World Today, 7. August 2015

Der Autor skizziert den politischen Weg von Podemos ausgehend von dem Anliegen, Spanien in der Euro-Krise vom „deutschen Diktat“ befreien zu wollen. Parteiführer Pablo Iglesias sei nach Griechenland gereist und habe sich bei Syriza über eine erfolgversprechende Strategie informiert.

Fernando Vallespín
Spaniens neue Politik
Zeit Online, 15. Dezember 2015

Kurz vor der Wahl analysiert Fernando Vallespín, Professor für Politik an der Universidad Autónoma in Madrid, das sich ankündigende Ende des spanischen Zwei-Parteien-Systems. Die neue Podemos habe zwar bereits von ihrem Glanz verloren und durch ihren Aufstieg die Behauptung, das politische System sei völlig erstarrt, selbst widerlegt. Einem großen Wahlerfolg stehe aber vor allem der demografische Faktor entgegen: 40 Prozent der Wähler*innen seien über 50 Jahre alt. Podemos spreche aber vor allem junge, urbane Wähler*innen an. Vallespín sieht angesichts künftiger Wahlergebnisse die Parteien vor der Schwierigkeit stehen, noch eine stabile Regierung bilden zu können.

Susanne Gratius / Nikolaus Werz
Spanien nach dem Ende des Zweiparteiensystems. Optionen der Regierungsbildung
Stiftung Wissenschaft und Politik, Februar 2016

Bei den Parlamentswahlen am 20. Dezember 2015 erzielte keine der vier wichtigsten Parteien eine Mehrheit, nach wochenlangen Sondierungen wurde der sozialistische Spitzenkandidat mit der Regierungsbildung beauftragt. Das Autorenteam schildert, dass aber die Bildung einer Linkskoalition daran scheitert, dass Podemos ein
Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens befürwortete, die PSOE dieses aber kategorisch ablehnte. „Podemos ist zweifellos das größte Hindernis für eine Koalition.“ Zu verstehen sei das Wahlergebnis, das in diesem Beitrag im Einzelnen aufgezeigt wird, nur vor dem Hintergrund der seit 2008 andauernden Krise, das Land stehe vor großen wirtschaftspolitischen Herausforderungen und sehe sich sowohl mit Autonomiebestrebungen als auch europapolitischen Fragen – Stichwort: Austeritätspolitik – konfrontiert.

Alexandros Kioupkiolis
Podemos: the ambiguous promises of left-wing populism in contemporary Spain
in: Journal of Political Ideologies, Volume 21, Issue 2, 7. März 2016 S. 99-120

Der Autor erläutert, dass Podemos als Amalgam zweier Organisationsformen entstanden ist: horizontal als Netzwerk und zugleich vertikal als Partei. Diese Widersprüchlichkeit zeige sich sowohl bei der Rezeption der Theorie des Populismus nach Ernesto Laclau als auch in der konkreten Politik. Um sich dem eigenen Anspruch, die Demokratie erneuern zu wollen, zu nähern, müssten beide Seite immer austariert werden.

Bundeszentrale für politische Bildung
Regierungsbildung gescheitert: Neuwahlen in Spanien
Hintergrund aktuell, 22. Juni 2016

Da sich die Parteien nach den Parlamentswahlen im Dezember 2015 nicht auf eine Regierungskoalition einigen konnten, wurden für den 26. Juni 2016 vorgezogene Neuwahlen angesetzt. Während sich die anderen Parteien noch einmal mit den gleichen Kandidaten und Programmen zur Wahl stellen, schlossen Podemos und Izquierda Unida ein Bündnis.

Máriam Martínez-Bascuñán
Die Linken sind doch alle gleich. Podemos war die Zukunftshoffnung der europäischen Linken. Nun streitet die Partei darum, wie radikal sie sein will
Zeit Online, 10. Februar 2017

Die Madrider Politikwissenschaftlerin Máriam Martínez-Bascuñán beschreibt den Machtkampf zwischen Parteichef Pablo Iglesias und dem Fraktionssprecher Íñigo Errejón – die Partei ist seit Sommer 2016 mit 67 Abgeordneten im Nationalparlament vertreten und streitet nun darüber, wie links sie sein will. Die Wissenschaftlerin identifiziert diesen Streit allerdings im Wesentlichen als die Auseinandersetzung zweier Egos. Damit zeige auch diese linke Partei „ihre Unfähigkeit zum Konsens, das Unvermögen, Lösungen für interne Streitigkeiten zu finden“.

 

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