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Literaturbericht / 21.07.2017

Der Kampf um die globale öffentliche Meinung. Wie die Volksrepublik an ihrer Außendarstellung arbeitet

China versucht sich neuerdings als die bessere Supermacht darzustellen. Dabei ist das Bemühen, die internationale Öffentlichkeit zu beeinflussen, nicht mehr ganz neu: Seit rund zehn Jahren unternimmt die Regierung in Peking verschiedene Anstrengungen, um ihr Image zu verbessern. Das Engagement reicht vom Betrieb von Kulturinstituten bis zur Beteiligung an ausländischen Medienunternehmen. Die wissenschaftliche Analyse dazu steht allerdings noch am Anfang, wie Falk Hartig aufzeigt.



Panda Predrag Kezic pixabaySchon seit den 1960er-Jahren betreibt China eine „Panda-Diplomatie“. Wurden die Tiere zunächst verschenkt, werden sie nun an ausgewählte Staaten ausgeliehen, um ein Zeichen für eine gute Partnerschaft zu setzen. Ob die putzigen Tiere tatsächlich das politische Ansehen der Volksrepublik heben, wenn zeitgleich im Land die Meinungsfreiheit unterdrückt und Dissidenten inhaftiert werden, darf bezweifelt werden. Foto: Predrag Kezic (Pixabay)

 

Seit Donald Trump in den Vereinigten Staaten regiert, versucht sich die Volksrepublik China zunehmend als die bessere Supermacht darzustellen. Die Regierung in Peking will den Freihandel retten und positioniert sich unter anderem in Fragen des Klimawandels als kooperationswilliger Partner, dem es um das Wohl des Planeten geht. Neben realpolitischen Erwägungen, die meist nach innen gerichtet sind, spielen bei dieser Positionierung auch immer Image-Überlegungen eine Rolle.

Kaum ein anderes Land legt so viel Wert darauf, wie es von anderen wahrgenommen wird, weswegen China in den vergangenen Jahren dazu übergegangen ist, sich aktiv mit seinen Botschaften und Sichtweisen an die internationale Öffentlichkeit zu wenden. Notwendig ist das aus Sicht der Regierung vor allem deswegen, weil man westlichen Medien – nicht immer zu Unrecht – eine mehrheitlich negative Berichterstattung unterstellt, in der vor allem diskussionswürdige Aspekte der chinesischen Entwicklung thematisiert werden. Diesen negativen Medienberichten soll das Narrativ eines aufstrebenden, verantwortungsvollen und friedfertigen Landes entgegengestellt werden. China versucht mit einer Reihe von Maßnahmen und Instrumenten, sein Image global zu beeinflussen, ganz so wie dies auch andere Staaten tun. Während allerdings Länder wie die USA, Großbritannien, Deutschland oder Frankreich auf eine teilweise jahrhundertealte Tradition dieser strategischen Außendarstellung zurückblicken, ist die Volksrepublik erst seit rund zehn Jahren in diesem Bereich umfassend aktiv. Daher befindet sich auch die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Thema noch weitgehend in den Anfängen.

Die hier vorgestellten Sammelbände und Monografien bieten einen hilfreichen Überblick für eine erste Orientierung, gewichten allerdings unterschiedlich. Prinzipiell lassen sich dennoch bestimmte Schwerpunkte erkennen, auf die im Folgenden besonders eingegangen werden soll. Die wichtigsten Instrumente der chinesischen Außendarstellung sind klassische Medien und Kulturinstitute. In dieser Hinsicht unterscheidet sich China kaum von anderen Staaten. Ein zweiter Schwerpunkt, der in fast allen Analysen und Untersuchungen vorkommt, sind die Probleme, denen sich China bei seiner Außendarstellung gegenüber sieht. Besonders aufschlussreich ist der Fall der Volksrepublik schließlich auch, da anhand ihrer exemplarisch deutlich wird, wie schwierig es ist, diese staatlich organisierten oder zumindest finanzierten Kommunikationsmaßnahmen begrifflich zu fassen.


Konzeptionelle Unschärfen

Aus konzeptionell-theoretischer Sicht besteht eine grundsätzliche Herausforderung darin, diese Außendarstellung auf einen Begriff zu bringen. Dies betrifft nicht nur China, aber die Beschäftigung mit dem Reich der Mitte verdeutlicht dieses Dilemma exemplarisch, wie die hier vorgestellten Studien – bewusst oder unbewusst – zeigen.

Aus politikwissenschaftlicher Sicht wird meist der Begriff Soft Power bemüht, der im allgemeinen Verständnis die Machtausübung mittels nicht-militärischer, weicher Mittel beschreibt. Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive wird eher mit dem Begriff der Public Diplomacy gearbeitet, womit in der Regel die Kommunikation eines Staates mit Öffentlichkeiten anderer Länder gemeint ist, was wiederum Abgrenzungsversuche zum Begriff Propaganda nach sich zieht.

Während Jeffrey Gil in Soft Power and the Worldwide Promotion of Chinese Language Learning: The Confucius Institute Project am konsequentesten dem Soft-Power-Ansatz folgt und auch der Sammelband China’s Media and Soft Power in Africa: Promotion and Perceptions sich hauptsächlich auf das von Harvard-Professor Joseph Nye formulierte Konzept bezieht, verdeutlicht der Sammelband Global Media and Public Diplomacy in Sino-Western Relations ungewollt die begriffliche Unschärfe, die immer wieder festzustellen ist. Während Gary D. Rawnsley in seinem Beitrag „Chinas Soft Power“ (14 ff.) thematisiert, beschäftigt sich Juyan Zhang im anschließenden Kapitel mit „Chinas Public Diplomacy“ (31 ff.). Und wenn die Herausgeber Jia Gao, Catherine Ingram und Pookong Kee festhalten, dass sich ihr Sammelband mit einer „Makro-Ebenen-Analyse chinesischer Soft Power und der zunehmenden Diversifizierung und Verfeinerung der chinesischen Public Diplomacy“ (7) beschäftigt, wird dieses konzeptionelle Problem nicht geklärt und tritt im Gegenteil überdeutlich zutage.

Wie Colin Alexander in China and Taiwan in Central America: Engaging Foreign Publics in Diplomacy feststellt, sind Public Diplomacy und Soft Power zwar „untrennbar miteinander verbunden, aber es ist notwendig, beide Begriffe zu unterscheiden“ (7). Bezugnehmend auf Nye beschreibt er – wie die meisten anderen auch – Soft Power als die „Fähigkeit eines Akteurs das zu bekommen, was der Akteur möchte und zwar mittels Attraktivität und nicht durch Zwang“ (7). Ein Akteur wird demnach dann Unterstützung für seine Anliegen erfahren, wenn seine Weltanschauung(en), Kultur, sein Image und die Art zu leben von anderen als positiv betrachtet werden. Public Diplomacy als kommunikative Maßnahme von Staaten, die sich an Öffentlichkeiten im Ausland richtet, ist dann das Instrument, um eben diese weiche Macht auszuüben beziehungsweise zu erhöhen. In dem von ihm mitherausgegebenen Routledge Handbook of Chinese Media beschreibt Rawnsley den Zusammenhang ganz ähnlich, wenn er Public Diplomacy als die „Mobilisierung und Instrumentalisierung von Soft-Power-Ressourcen“ (461) definiert.

Die Tatsache, dass es sich bei Public Diplomacy um die absichtsvolle Kommunikation staatlicher Stellen mit Öffentlichkeiten im Ausland handelt (auch wenn zunehmend nicht-staatliche Akteure aktiv sind), rückt den Begriff fast automatisch in die Nähe von Propaganda. Während Propaganda ursprünglich wertneutral die Vermittlung oder Verbreitung einer Idee oder Ansicht meinte, verlor der Begriff im 20. Jahrhundert seine politische Unschuld und wird nun pejorativ im Sinne von Manipulation, Desinformation und Lüge, absichtsvoller Meinungsmache und -steuerung verstanden. Vor diesem Hintergrund weist Alexander darauf hin, dass der Begriff Public Diplomacy nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA kreiert wurde, um die internationale politische Kommunikation der Vereinigten Staaten nicht mehr als Propaganda bezeichnen zu müssen.

Während der historische Ballast dazu geführt hat, dass Propaganda heutzutage gemeinhin negativ wahrgenommen wird, gibt es eine akademische Denkschule, die auf diesen ursprünglich neutralen Begriff Bezug nimmt, was die Debatte weiter verkompliziert. So versteht Kingsley Edney in The Globalization of Chinese Propaganda: International Power and Domestic Political Cohesion Propaganda beispielsweise als eine „Sammlung von Machtpraktiken und nicht als eine interessenbasierte oder betrügerische Form von politischer Kommunikation“, die von „aufrichtigeren“ (8) Formen zu unterscheiden sei. Und als sei dies nicht komplex genug, muss auch darauf hingewiesen werden, dass der Begriff Propaganda im Chinesischen eigentlich nicht die negative Konnotation hat, die in der Regel bei uns damit verbunden wird.

Während die beschriebene akademische Denkschule, welche Propaganda als neutralen Begriff versteht, durchaus ihre Berechtigung haben mag, liegt das Grundproblem darin, dass sie eben genau das ist: eine akademische Denkschule, die in gewisser Weise die negative öffentliche Wahrnehmung des Begriffs ignoriert. Und genau diese öffentliche Wahrnehmung erklärt die Notwendigkeit, die Begrifflichkeiten genau zu definieren und zu nutzen. Denn es ruft beim interessierten Laien in der Regel völlig unterschiedliche Assoziationen hervor, ob eine kommunikative Maßnahme als Propaganda oder mit dem weithin unbekannten Begriff der Public Diplomacy beschrieben wird.

Interessanterweise trägt die Volksrepublik China eben dieser Tatsache Rechnung, indem die englische Bezeichnung der Propaganda-Abteilung der Kommunistischen Partei (und anderer Einrichtungen) vor mehreren Jahren in Publicity-Abteilung umbenannt wurde. Dass es sich dabei allerdings lediglich um eine semantische Reaktion auf das westliche Unwohlsein mit dem Propaganda-Begriff handelt und dies keinesfalls mit einer Änderung der kommunikativen Praxis einherging, sollte nicht vergessen werden.

Chinas Außendarstellung mittels Medien und Kultur

Um sein Ansehen in der Welt zu verbessern, nutzt China, wie andere Staaten auch, eine ganze Reihe von Instrumenten und Maßnahmen. Zu den klassischen Instrumenten zählen Medien und Kultureinrichtungen, aber auch eher indirekte Mittel der Image-Beeinflussung wie Entwicklungshilfe finden Anwendung. Zudem weist Zhang im Sammelband Global Media and Public Diplomacy in Sino-Western Relations darauf hin, dass Peking die „Internationalisierung der chinesischen Gastro-Industrie“ (39) für seine Außendarstellung genauso nutzt wie die Rolle des Buddhismus und auch chinesische international agierende Staatsunternehmen wie Huawei zur Aufpolierung des chinesischen Images weltweit herangezogen werden.

Chinas Medien sollen „Chinas Geschichte gut erzählen“

Das wichtigste Instrument der chinesischen Außendarstellung sind die staatlichen Medien, allen voran die „Großen Vier“, also die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua, der Fernsehsender China Central Television (CCTV) mit seinem internationalen Ableger China Global Television Network (CGTN), der Radiosender China Radio International (CRI) und die englischsprachige Tageszeitung China Daily.

Ende 2016 gab Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping die Marschroute für die Globalstrategie der Medien vor, indem er sie dazu anhielt, „Chinas Geschichte gut zu erzählen, Chinas Stimme gut zu verbreiten, der Welt das dreidimensionale, farbenfrohe China zu zeigen sowie Chinas Rolle beim Aufbau des Weltfriedens darzustellen“.

Eine wichtige Zielregion der chinesischen Medienaktivitäten bildet Afrika, wie der Sammelband China’s Media and Soft Power in Africa: Promotion and Perceptions eindrücklich belegt. Zhang Xiaoling skizziert fünf Bereiche, in denen China aktiv ist: Erstens sind die „Großen Vier“ zunehmend präsent und aktiv auf dem afrikanischen Kontinent. Die prominentesteten Beispiele hierbei sind die seit 2012 erscheinende Wochenausgabe China Daily-African Weekly sowie das im selben Jahr eröffnete TV-Produktionszentrum von CCTV/CGTN in Nairobi, Kenia. Zweitens „erwerben diese Medien Platz in afrikanischen Zeitungen“ (12), um die Reichweite ihrer Geschichten zu vergrößern. Drittens stellt China dem afrikanischen Mediensektor infrastrukturelle und technische Unterstützung zur Verfügung und bietet, viertens, Trainingsveranstaltungen und Workshops für afrikanische Journalisten an. Schließlich, fünftens, ist China dazu übergegangen, direkt in afrikanische Medien, vor allem in Südafrika, zu investieren.

Obwohl die offizielle Mission der Medien darin besteht, Chinas Geschichte und Geschichten zu erzählen, bieten die Aktivitäten des Fernsehsenders CCTV/CGTN in Afrika einen besonderen Fall, wie Helge Ronning in seinem Kapitel aufzeigt. Während der Sender auch über China berichtet, geht es durchaus darum, neue Wege bei der Afrikaberichterstattung zu gehen. Diese neue Berichterstattung will nicht der Negativberichterstattung westlicher Medien folgen, in der der Kontinent in erster Linie auf Konflikte, Kriege, Hungersnöte und Armut reduziert wird. Diese Themen finden weniger statt, ebenso wie es kaum „kritische politische Analysen“ (72) gibt, obwohl es dafür durchaus Anlass gäbe.

Der chinesische Staatssender berichtet also in Afrika eher über Afrika und weniger über China und wendet dabei eine Art des Journalismus an, die Zhang Yanqui et al. als „konstruktiven Journalismus“ (93) beschreiben. Diese Art von Journalismus findet in einem „positiven und lösungsorientierten“ Bezugsrahmen statt und zielt darauf ab, Informationen bereitzustellen, die es ermöglichen, soziale Probleme „konstruktiv zu lösen“ (96). Auch wenn dieser Ansatz aus westlicher Sicht ungewohnt erscheinen mag, so ist der Gedanke vor dem Hintergrund der chinesischen Außendarstellung durchaus bedenkenswert: Die Tatsache, dass der chinesische Staatssender dem afrikanischen Publikum aufzeigt, welche Fortschritte der Kontinent macht, kann im Kampf um die ,Herzen und Köpfe‘ der Menschen als ein durchaus cleverer Schachzug verstanden werden.

Während CCTV/CGTN erst seit wenigen Jahren in Afrika aktiv ist, eröffnete die Nachrichtenagentur Xinhua ihr erstes Büro auf dem Kontinent bereits im Jahr 1959. Dani Madrid-Morales nimmt diese Tatsache zum Anlass, um der Frage nachzugehen, warum chinesische Medien überhaupt in Afrika sind. Basierend auf einer Auswertung der Xinhua-Berichte von 1982 bis 2012 kommt er zu dem Schluss, dass der wichtigste Grund im Versuch besteht, „den Absatzmarkt der Agentur zu erweitern“ (91), was dadurch gelingen soll, dass sie nicht nur für die Welt über Afrika, sondern ähnlich wie CCTV/CGTN auch „über Afrika für Afrika“ berichtet, um so schlussendlich „in den lokalen Nachrichtenmarkt“ (88) eintreten zu können. Während diese Ergebnisse für diejenigen, die an der Arbeit international agierender Nachrichtenagenturen interessiert sind, durchaus aufschlussreich sind, erscheint der Bezug zum übergreifenden Thema der chinesischen Außendarstellung und der Imagebeeinflussung etwas unklar. Denn zunächst ist das eigentliche Geschäft einer Nachrichtenagentur, und da macht Xinhua keine Ausnahme, die Belieferung einheimischer Medien mit Material aus dem Ausland. Und auch wenn, zweitens, Xinhua zunehmend afrikanische Inhalte anbietet, stellt sich dann die alles entscheidende Frage, ob diese Inhalte von afrikanischen Medien aufgegriffen werden und somit über diesen Umweg möglicherweise eine ähnlich indirekte positive Wirkung haben könnten wie die Afrikaberichterstattung von CCTV/CGTN. Dieser entscheidende Aspekt bleibt bei Madrid-Morales unterbelichtet.

Neben chinesischen Medien spannt China zunehmend auch Medien im Ausland ein, um seine Geschichten an sein Publikum zu bringen. Peter Cai weist im Sammelband Global Media and Public Diplomacy in Sino-Western Relations darauf hin, dass verschiedene chinesische Medienunternehmen sich, wie auch in Afrika, in den lokalen Medienmarkt einkaufen, indem sie Kooperationen mit einheimischen Medien eingehen. So hat beispielsweise die Shanghai Media Group im Juni 2014 ein Abkommen mit dem „hochangesehenen öffentlich-rechtlichen Sender“ (120) Australian Broadcasting Corporation (ABC) abgeschlossen. Im Zuge dieser Kooperation kann die Shanghaier Mediengruppe Inhalte an ABC verkaufen, was Cai zu Recht als einen „wichtigen Durchbruch für ein staatliches chinesisches Medienunternehmen“ (121) bezeichnet.

Australien ist auch in an erer Hinsicht ein interessanter Fall, der verdeutlicht, dass China medial durchaus anders zu Werke gehen kann, als ausschließlich durch seine offiziellen Staatsmedien zu kommunizieren.

2009 wurde in Melbourne die Firma Global CAMG Media International gegründet, die sich offiziell für den Kulturaustausch zwischen China und Australien einsetzt. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine rein australische Firma, sondern um ein Joint Venture mit China Radio International, welches auch den Mehrheitsanteil hält. Auf dem 18. Parteitag der Kommunistischen Partei im Jahr 2012 sorgte CAMG kurzzeitig für Aufsehen, als die junge australische CAMG-Journalistin Andrea Yu auf einer Pressekonferenz auf Chinesisch überaus freundliche Fragen an chinesische Offizielle stellte. Cai rekapituliert dieses Vorkommnis und kommentiert: „[E]s ist klar, dass die chinesische Propagandamaschine Andrea Yu als ein freundliches Gesicht der sonst so feindlichen westlichen Journalisten“ inszenieren und es den chinesischen Offiziellen so ermöglichen wollte, „optimistische und positive Dinge über China“ (116) zu sagen. Da die Eigentumsverhältnisse aber ungewollt ans Licht kamen, verkehrte sich dieses Vorhaben in das genaue Gegenteil. In dem von ihm mitherausgegebenen Routledge Handbook of Chinese Media skizziert Rawnsley diesen und andere Fälle, in denen „verdeckte, internationale Ableger chinesischer Staatsmedien als unabhängige ausländische Medien“ (470) auftreten, und beschreibt vor allem den dadurch entstehenden Reputationsverlust für China.

In The Globalization of Chinese Propaganda: International Power and Domestic Political Cohesion untersucht Edney mit der Zeitung Global Times ein außerhalb Chinas wenig bekanntes Medium. Die Global Times ist die seit 2009 erscheinende englische Ausgabe der in China überaus populären Tageszeitung Huanqiu Shibao, die der chinesischen Volkszeitung gehört. Ursprünglich nur wochentags gedruckt, wird die Global Times seit 2011 an sechs Tagen der Woche verkauft und richtet sich an Ausländer in China, die chinesische Zeitungen nicht lesen können oder wollen.

Die Global Times ist „keineswegs die lediglich übersetzte Version der Huanqiu Shibao, sondern eine Publikation, die gezielt auf ausländische Leser“ (142) zugeschnitten ist und somit auch zum Instrumentenkasten der chinesischen Außenkommunikation gezählt werden kann. Diesen ausländischen Lesern soll der chinesische Blick auf die Welt gezeigt werden, wobei die Global Times weniger die „offizielle Interpretation von Ereignissen“ darstellen möchte, wie dies die Volkszeitung tut, sondern sie erklärt eher die „Meinung der chinesischen Bevölkerung“ (143). Da Huanqiu Shibao und Global Times kommerzieller ausgerichtet sind als die Volkszeitung, tendieren beide zu eher nationalistischer Berichterstattung. Und auch wenn die englischsprachige Global Times mitunter etwas freier berichten kann, so ist sie kein Ort wirklicher Pluralität und folgt, vor allem bei sensiblen Themen, wie alle anderen Zeitungen in China der von der Parteiführung vorgegebenen „Hauptmelodie“ (149).

In seinem Kapitel im Sammelband Global Media and Public Diplomacy in Sino-Western Relations blickt Huang Chengju ebenfalls auf die Global Times, die er als „sehr nationalistische und höchst konservative“ (143) Zeitung beschreibt, die Chinas politisches System verteidigt. Im Kontext der Public Diplomacy spielt die Zeitung für Huang vor allem deshalb eine wichtige Rolle, weil sie sich „aktiv in die Debatte um wichtige außenpolitische Angelegenheiten“ einmischt und sich als „einflussreichste“ Stimme der „chinesischen konservativen Elite“ (159) etabliert hat.

Die strategische Bedeutung der chinesischen Kultur für das Image der Volksrepublik

Neben der klassischen Medienarbeit greift die Volksrepublik auch zunehmend auf kulturelle Elemente zurück, um mit Menschen in anderen Ländern zu kommunizieren. Einerseits geht es hierbei um die Vorstellung der chinesischen Kultur, andererseits vor allem um die Verbreitung der chinesischen Sprache.

In Soft Power and the Worldwide Promotion of Chinese Language Learning: The Confucius Institute Project beschäftigt sich Gil mit dem wohl bekanntesten und umstrittensten Projekt in diesem Zusammenhang, den chinesischen Konfuzius-Instituten (KIs). Er stellt zunächst fest, dass mit Chinas zunehmender wirtschaftlicher Bedeutung außerhalb des Landes die Nachfrage gestiegen ist, die chinesische Sprache zu lernen. Auch wenn man einwenden kann, dass die in der internationalen Wirtschaftswelt agierenden Chinesen meist selbst über sehr gute Fremdsprachenkenntnisse verfügen, so ist es dennoch zutreffend, dass die chinesische Führung diese Nachfragesituation genau erfasst und in der Sprachvermittlung „eine Möglichkeit erkannt hat, ihre Ziele in der Weltpolitik“ (5) durchzusetzen. In diesem Zusammenhang spielt Kultur „eine entscheidende Rolle“ (31) und die Verbreitung der chinesischen Sprache außerhalb Chinas wird als Mittel verstanden, um „Wissen und Verständnis über chinesische Kultur und China an sich“ (32) zu verbreiten. Als das wichtigste Instrument in diesem Zusammenhang gelten die Konfuzius-Institute, die China in Kooperation mit internationalen Partnern weltweit betreibt, weswegen Gil sie als „globales Projekt“ (8) beschreibt.

Derzeit gibt es rund 500 Konfuzius-Institute an Universitäten und knapp 1.000 kleinere Konfuzius-Klassenzimmer an Schulen, die der interessierten Öffentlichkeit in aller Welt die chinesische Sprache und Kultur vermitteln sollen. Seit 2004 errichtet China mit internationalen Partnern diese Institute, die sich durch ihre Struktur als Joint Ventures zwischen chinesischen und internationalen Partnern auszeichnen. Dabei stellt die internationale Seite Räumlichkeiten und örtliche Mitarbeiter, China schickt Sprachlehrer, meist einen Vize-Direktor, Lehrmaterialen und zahlt einen Teil des Budgets. So erhalten die Institute jährlich durchschnittlich 100.000 bis 200.000 US-Dollar, außerdem können sie zusätzliche Projektgelder beantragen. Allerdings müssen die internationalen Partner auch investieren: zunächst in die Räumlichkeiten und lokalen Kräfte, und auch bei den Projektmitteln werden die Kosten zwischen chinesischen und internationalen Partnern geteilt.

Gil versucht sich an einer Wirkungsanalyse der Institute und geht der Frage nach, ob und wie die Konfuzius-Institute die zwischenstaatlichen Beziehungen und die gesellschaftlichen Beziehungen zwischen China und den Gastländern der KIs beeinflussen. Während die Herangehensweise hier eher unklar bleibt, ist es kaum überraschend, dass die KIs die zwischenstaatlichen Beziehungen (bisher) kaum beeinflussen. Die Institute „scheinen Strategien und Verhalten anderer Länder“ gegenüber China ebenso wenig zu beeinflussen wie sie ausländische Regierungen dazu bringen, „sich bedenkenlos Chinas Zielen zu fügen“ (97). Auf der Ebene der Gesellschaften sieht Gil durchaus positive Wirkungen, da die Institute einen „wertvollen Beitrag zum Chinesisch-Lernen“ (97) leisten und so auch die chinesische Kultur vermitteln.

In China and Taiwan in Central America: Engaging Foreign Publics in Diplomacy nimmt Alexander unter anderem das Konfuzius-Institut in Costa Rica in den Blick und beschreibt es als eines der zahlreichen Instrumente, mit denen die Volksrepublik China in Mittelamerika mit dem de facto unabhängigen Taiwan um die öffentliche Meinung ringt. Mittelamerika ist eine besondere Region, da dort einige der 20 Staaten liegen, die Taiwan und nicht die Volksrepublik international anerkennen. In diesem Kampf um diplomatische Anerkennung spielen für China und Taiwan Kulturdiplomatie und Stipendienprogramme eine wichtige Rolle, um die Öffentlichkeiten seiner diplomatischen Partner für sich einzunehmen oder nach dem Neuaufbau diplomatischer Beziehungen für sich zu gewinnen.

Als Costa Rica 2007 dem Druck der Volksrepublik nachgegeben, die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abgebrochen und seine Beziehungen mit dem chinesischen Festland normalisiert hatte, „strich Taiwan seine Bildungsfinanzierung für Costa Rica und beendete alle Stipendien für Studenten aus Costa Rica“ (81). In diese Lücke stieß dann bald die Volksrepublik mit einem umfangreichen Stipendienprogramm und der Gründung eines Konfuzius-Institutes an der Universität Costa Rica. Neben den Aktivitäten an der Universität dient der Volksrepublik das Konfuzius-Institut auch als „öffentliche Zentrale zur Verbreitung der chinesischen Sprache und Kultur in ganz Costa Rica“ (87).

Schwierigkeiten der chinesischen Außendarstellung:
praktische Hindernisse und Glaubwürdigkeitsprobleme

Sowohl Alexander als auch Gil weisen darauf hin, dass die Wirkung der Konfuzius-Institute durch eine Reihe praktischer Probleme beschränkt wird. Laut Gil behindern verschiedene „praktische und organisatorische Probleme den Erfolg des Sprachunterrichts“ (89). Dazu gehören unter anderem die teilweise ungeklärten Kompetenzen zwischen den KIs und den jeweiligen Chinesisch-Abteilungen der Gast-Universitäten, die Ausbildung und damit die mangelnde „Qualität des Lehrpersonals“ (92) sowie teilweise die Unsicherheit, ob und wie lange China gewillt ist, die Konfuzius-Institute finanziell und personell zu unterstützen.

Die größten Probleme der chinesischen Außendarstellung ergeben sich allerdings wenig überraschend aus dem politischen System der VR China und den daraus resultierenden spezifischen Charakteristika, die nicht nur die Arbeit von Kulturdiplomaten, sondern auch von Journalisten beeinflussen.

Auch wenn Yunya Song im Routledge Handbook of Chinese Media zu Recht darauf hinweist, dass sich „die chinesische Medienlandschaft durch die Einführung von Marktkräften in der Nach-Mao Zeit quantitativ und qualitativ“ (449) enorm entwickelt hat, ist es nach wie vor immer noch so, dass der chinesische Parteistaat seine Macht in erster Linie mittels eines enormen Zensuraufwandes im Inland und der scharfen Kontrolle der Medien aufrecht erhält, wie beispielsweise Edney in seiner Studie zur Global Times verdeutlicht. Er weist unter anderem darauf hin, dass sich das Ziel des Parteistaates innerhalb Chinas verändert hat, weg „von der kompletten Kontrolle der öffentlichen Kommunikation“, hin zu einer „wirksamen Dominanz“ (26) eben dieser.

Neben der Tatsache, dass die Medien so vor allem die „Hauptmelodie“ (123), die von der Partei vorgegeben wird, verbreiten, führt das vor allem zur journalistischen Selbstzensur, wie Herman Wasserman im Sammelband China’s Media and Soft Power in Africa: Promotion and Perceptions festhält. Wasserman relativiert die Idee eines „konstruktiven Journalismus“ und macht deutlich, dass chinesische Journalisten „staatlicher Kontrolle oftmals durch Selbstzensur zuvorkommen“ (200). Am Beispiel afrikanischer Medien verdeutlicht er, welche Auswirkungen dieses Journalismus-Verständnis für Chinas Außendarstellung hat. Die Kontrolle, die der chinesische Staat über seine Medien ausübt, ist laut Wasserman „kein Geheimnis“ (200) und wird so künftig zu Friktionen zwischen chinesischen Medien als Produzenten von Inhalten und afrikanischen Medien als deren Abnehmer führen. Denn, so Wasserman, der afrikanische Journalismus ist überaus „lebendig und robust“ (201), weswegen es für Chinas Staatsmedien nicht einfach ist, seine Inhalte in afrikanischen Medien zu platzieren.

Das chinesische Journalismusverständnis – gewachsen aus der sino-kommunistischen Tradition – weist, anders als das westliche Verständnis, dem Journalismus keine Kontrollfunktion zu, sondern vielmehr soll dieser die Bevölkerung im Sinne von Partei und Staat anleiten und erziehen. Daher ist es nicht Aufgabe des chinesischen Journalismus, die Mächtigen zu kontrollieren und zu hinterfragen, sondern vielmehr deren Ansichten unter das Volk zu bringen und so im Idealfall zur Stabilität des politischen Systems beizutragen. Dass dieses Verständnis zu Ergebnissen führt, die für internationale, vor allem westliche, Publikationen nicht sonderlich spannend sind, liegt dabei auf der Hand.

Auf ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang weist Rawnsley in dem von ihm mitherausgegebenen Routledge Handbook of Chinese Media hin: In chinesischen Debatten wird oftmals herausgestellt, dass westliche Medien zu negativ über China berichten, und als Grund werden mitunter die unterschiedlichen Nachrichtenwerte herangezogen. Aber für Rawnsley ist es „zu naiv, die negativen Ansichten über China einfach mit ‚Anti-China Vorurteilen‘ westlicher Medien zu erklären“ (467).

Neben den unterschiedlichen Ansichten, was Journalismus soll und kann, besteht das größte Glaubwürdigkeitsproblem allerdings in dem, was Rawnsley als die „Widersprüche zwischen Chinas Ambitionen, seiner Rhetorik und der politischen Realität“ (468) beschreibt. Natürlich ist es legitim, dass China seine Sicht der Dinge unter das globale Volk bringen, dem westlichen Meinungsmonopol etwas entgegensetzen und ein gutes Bild von sich darstellen möchte. Das entscheidende Problem besteht allerdings darin, dass Worte und Taten übereinstimmen müssen, um im globalen Wettstreit um ‚Herzen und Köpfe‘ erfolgreich sein zu können.

Für China bedeutet das schlussendlich, dass es egal ist, wie viele Konfuzius-Institute weltweit existieren und wie aktiv chinesische Medien im Ausland sind – solange die Regierung daheim Medien zensiert, Dissidenten verhaftet oder – dies ist nur der jüngste Fall – den todkranken Liu Xiaobo nicht für eine ärztliche Behandlung ins Ausland ausreisen lässt. Und solange China sich international entgegen seiner Rhetorik nicht allzu friedlich, sondern viel mehr selbstbewusst bis aggressiv zeigt, indem es beispielsweise im Südchinesischen Meer künstliche Inseln aufschüttet, solange dieses politische Handeln mit seinen (rhetorischen) Zielen nicht übereinstimmt, haben die Instrumente seiner Außendarstellung wenig Chancen.

 

 

 

CC-BY-NC-SA
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Bibliorafische Angaben

Colin R. Alexander

China and Taiwan in Central America. Engaging Foreign Publics in Diplomacy

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The Globalization of Chinese Propaganda. International Power and Domestic Political Cohesion

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Jia Gao / Catherine Ingram / Pookong Kee (Hrsg.)

Global Media and Public Diplomacy in Sino-Western Relations

London und New York, Routledge 2017


Gary D. Rwansley / Ming-yeh T. Rawnsley

Routledge Handbook of Chinese Media

London und New York, Routledge 2015


Jeffrey Gil

Soft Power and the Worldwide Promotion of Chinese Language Learning. The Confucius Institute Project

Bristol / Blue Ridge Summit, Multilingual Matters 2017


Xiaoling Zhang / Herman Wasserman / Winston Mano (Hrsg.)

China's Media and Soft Power in Africa. Promotion and Perceptions

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zum Thema

China und die globalisierte Welt

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