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Rezension / 04.06.2018

Michael Oswald: Die Tea Party als Obamas Widersacher und Trumps Wegbereiter. Strategischer Wandel im Amerikanischen Konservatismus

Wiesbaden, VS Verlag für Sozialwissenschaften 2018

Die Tea Party nimmt für sich in Anspruch, eine Graswurzelbewegung zu sein. Michael Oswald kommt in seiner Dissertation zu einer gegenteiligen Diagnose: Trotz einer durchaus beträchtlichen Binnenheterogenität handelt es sich um eine strategisch aufgebaute Protestbewegung, gesteuert von einem sendungsbewussten Netzwerk aus superreichen Financiers, Medienakteuren wie Fox News und konservativen Thinktanks. Der in ihrer Blütezeit amtierende Präsident Obama sei – mit rassistischen Untertönen – als Sozialist diffamiert und der gesamte Diskurs in der Republikanischen Partei nach rechts verschoben worden.

Der enorme Einfluss der Tea Party auf die US-Politik seit der Obama-Präsidentschaft ist unstrittig, und doch bleiben ihre Anfänge nebulös. Zwar sei die ultrakonservative politische Bewegung, die so prominente Verbündete wie die Vizepräsidentschaftskandidatin John McCains, Sarah Palin, in ihren Reihen hat, häufig untersucht worden. Dennoch fehle bislang eine überzeugende Erklärung für ihre Entstehung, so Oswald zur Legitimierung seiner Untersuchung. Er geht der Frage nach, ob das Selbstverständnis der Tea Party als Graswurzelbewegung zutrifft. Zum offiziellen Narrativ der Tea Party gehöre die Überzeugung, ihre „lokalen Ableger hätten sich aus freien Stücken und gesellschaftlichem Antrieb gegründet“ (19). Die Gegenthese hierzu stellt eine „eklatante Mediensymbiose“ (24) fest: Die Medien-Outlets der selbsternannten konservativen Revolution „verbreiteten die Ideologie und die Ideen der Tea Party über die gesamten Vereinigten Staaten hinweg“ (24). Kritiker der Graswurzel-These stufen die Tea Party deshalb im Gegensatz dazu als strategisch ‚von oben‘ gesteuertes Elitenprojekt ein, wobei wirtschaftliche Interessen dominierten und die Aversion gegen die linksliberale Obama-Regierung das einigende Band sei.

Die Dissertation ist in 13 Kapiteln gegliedert, wobei die Frage im Fokus steht, ob es sich bei der Tea Party um eine strategische Protestbewegung handelt. Der Untersuchungszeitraum reicht vom offiziellen Entstehen der Tea Party im Februar 2009 bis zu den Midterm Elections im November des Folgejahres, denn: „In diesem zeitlichen Rahmen verbuchte sie ihren größten Wahlerfolg und etablierte sich durch zahlreiche Gewinne ihrer Kandidaten als politische Kraft.“ (27) Methodisch wählt Oswald eine Framing-Analyse, mit der er die ideologischen Kernprinzipien der Tea Party mit den Säulen Limited Government und Free Market ins Visier nimmt. Der Kommunikation der Tea Party, für die der Nachrichtensender Fox News als ‚Leitmedium‘ eine Schlüsselbedeutung hat, widmet er ein eigenes Kapitel.

Die Gründungslegende der Tea Party mit dem (nicht nur) von Fox News bereitwillig aufgegriffenen Graswurzel-Narrativ einer „Armee von Davids, die gegen eine Goliath-Regierung aufbegehrt“ (41), verwirft Oswald als unhaltbar. Die dezentral initiierten Aktivitäten der Bewegung seien von Anfang an relativ professionell koordiniert worden. Fiskalkonservativ gesinnte Wirtschaftsoligarchen wie die Gebrüder Charles und David Koch und die von ihnen gesponserten Thinktanks und Interessengruppen fungierten als treibende Kräfte hinter der Gründung der Tea Party. Limited Government, schon in der Ära Reagan zugkräftiges Mantra der US-Konservativen, habe als strategische Klammer große Mobilisierungserfolge gezeitigt. Sozialkonservative und religiös fundierte Positionen, die innerhalb der Tea-Party-Community weitaus strittiger gewesen seien und auch einen Keil zwischen die potenzielle Wählerklientel getrieben hätten, seien an den Rand gedrängt worden.

Den Protest gegen die vorgeblich despotische Obama-Regierung inszenierte die Tea Party dabei nicht nur im Rekurs auf die Boston Tea Party, die als populärer historischer Referenzpunkt bei der Namensgebung Pate stand. Auch der stetige Appell an das Ideal der „Gründerväter als ‚Vorzeigekonservative‘“ (125) bediente die Sehnsucht nach der nostalgisch verklärten Vergangenheit. „Um die radikale Ausrichtung der Tea Party legitim zu gestalten, waren die Gründerväter eine hervorragende Quelle.“ (126) Bei der mit Sozialismus-Vorwürfen einhergehenden Dämonisierung des Afroamerikaners Obama durch die Tea Party, teils begleitet von rassistischen Untertönen, wirkte die verheerende Wirtschaftskrise 2008 als Katalysator. Die Tea Party zielte deshalb auf eine Kurskorrektur der Grand Old Party (Republikaner), die sich, so die Hoffnung, unter dem Druck der Tea-Party-Aktivisten auf ihre programmatischen Kernüberzeugungen zurückbesinnen sollte. Die Wegbereiterfunktion für Trump ist hierin bereits enthalten.

Oswald arbeitet in seiner empirisch gehaltvollen, gut lesbaren Studie auch die Bedeutung der Medien-Allianz mit Fox News für den Erfolg der Tea Party heraus. Der dem konservativ-republikanischen Spektrum gewogene Nachrichtensender habe ein gezieltes Reframing im Sinne der Tea-Party-Agenda betrieben. Reiche und Unternehmer, so die Botschaft, seien von größtem Nutzen für die Gesellschaft. „Sie trügen schließlich die größte Steuerlast und deshalb auch am meisten zum Staat bei“ (204), so die simple Logik. Die Obama-Regierung hofiere hingegen korrupte Eliten, und von ihren sozialpolitischen Maßnahmen würden vor allem ‚faule Parasiten‘ profitieren.

Im abschließenden Fazit bejaht Oswald die Forschungsfrage. Trotz einer beträchtlichen, verschiedentlich zum Vorschein kommenden Binnenheterogenität der einzelnen Bewegungszellen sei die Tea Party als eine strategische Protestbewegung einzustufen, die auf ein sendungsbewusstes Netzwerk aus Finanziers, Medienakteuren und Think Tanks zurückgehe.

CC-BY-NC-SA
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