Eine nukleare Neuausrichtung der NATO. Das Bündnis muss sich an neue sicherheitspolitische Realität anpassen
Das gültige Nuklearkonzept der NATO ist in großen Teilen überholt. Im Jahr 2011 erarbeitet und 2012 verabschiedet, ging es noch von einer Sicherheitslage aus, in der Russland als Partner der NATO galt, mit dem sogar nukleare Abrüstung in Europa möglich schien. Aber nicht nur diese Annahme hat sich nicht bewahrheitet, auch die Eskalation in Nordkorea, die autokratischen Tendenzen in der Türkei (in der US-Atomwaffen gelagert sein sollen) oder das Ausscheiden der Atommacht Großbritannien aus der EU bringen die Nuklearfrage ganz nach oben auf der NATO-Agenda. Karl-Heinz Kamp erläutert, welche Elemente eine neue NATO-Nuklearstrategie enthalten sollte.
Die nukleare Frage ist zurück auf der NATO-Tagesordnung, seit Moskau den eigenen Machtanspruch wieder mit militärischer Gewalt und Drohungen gegen die Nachbarn untermauert. Die Rückkehr von Abschreckung und Verteidigung nach 2014 kam für viele überraschend, hatten doch nach dem Ende des Kalten Krieges auch Fachleute wie der ehemalige US-amerikanische Verteidigungsminister Robert S. McNamara ein Wiedererstarken der russischen Bedrohung für so wahrscheinlich gehalten wie ein „Wiederaufleben der Religionskriege des 16. und 17. Jahrhunderts in Europa“.
Im Bereich der konventionellen Waffen hat die NATO auf Russlands Aggression in der Ukraine erstaunlich schnell und entschlossen reagiert und mit gezielten militärischen Maßnahmen Abschreckung gerade in Osteuropa aufgebaut. Dem im Artikel 5 des NATO-Vertrages kodifizierten Versprechen der Bündnissolidarität wird durch diese Verstärkungen, die sich noch über Jahre hinziehen dürften, Glaubwürdigkeit verliehen.
Im Nuklearbereich hüllt sich die Allianz hingegen nach wie vor in Schweigen, obgleich offensichtlich ist, dass eine glaubwürdige Abschreckung sowohl konventionelle Streitkräfte als auch Kernwaffen beinhalten muss. Weder wurden mögliche Veränderungen bei der militärischen „Hardware“ thematisiert noch gab es eine ernsthafte Diskussion darüber, welche konzeptionellen Veränderungen im nuklearstrategischen Bereich vorgenommen werden müssen. Selbst das Kommuniqué des NATO-Gipfeltreffens in Wales im Herbst 2014 – dem ersten nach der Annexion der Krim – wiederholte lediglich die bekannte Formulierung, dass Abschreckung auf einem angemessenen Mix von konventionellen und nuklearen Waffen beruhen müsse. Wie dieser Mix auszusehen habe und welche Anpassungen angesichts des grundlegenden sicherheitspolitischen Gezeitenwandels des Jahres 2014 erforderlich sind, ist bisher offen.
Das erstaunt, gerade weil Russland bereits vor der Ukraine-Krise, aber insbesondere nach der Annexion der Krim, deutliche nukleare Drohungen ausgesprochen hat. Auch geht die sich permanent verschärfende Nordkorea-Krise zumindest mit Blick auf interne Nukleardebatten scheinbar spurlos am Bündnis vorbei. Zwar hat beispielsweise Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Vermittlung angeboten und dabei an die Rolle Deutschlands bei der Aushandlung des Iran-Abkommens erinnert – allerdings würde eine solche Vermittlung außerhalb der NATO geschehen.
Was sind also die strategischen Grundlagen der nuklearen Abschreckung der NATO, welchen Veränderungen waren sie in den vergangenen Jahren ausgesetzt und welche Elemente müsste eine den neuen sicherheitspolitischen Realitäten entsprechende Nuklearstrategie enthalten?
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Der vollständige Beitrag ist erschienen in: SIRIUS - Zeitschrift für Strategische Analysen, Band 1, Heft 4: https://www.degruyter.com/view/j/sirius.2017.1.issue-4/sirius-2017-0086/sirius-2017-0086.xml?format=INT
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