Matthias Quent, Christoph Richter, Axel Salheiser: Klimarassismus. Der Kampf der Rechten gegen die ökologische Wende
Rechtspopulistische und radikal rechte Gruppen, die die Existenz von Rassismus negieren, leugnen häufig auch den menschengemachten Klimawandel. Dies sei kein Zufall, ihnen „gehe es nicht um die Zukunft des Planeten, sondern um ihre Privilegien in einer ungleichen Welt“. Daher seien Kämpfe gegen Klimawandel und Diskriminierung nicht zu trennen. In ihrer Philippika zeigen Matthias Quent, Axel Salheiser und Christoph Richter die Verkettung von Anti-Ökologismus, globalem Machtgefälle und Klimawandel auf, „die in dieser Konsequenz neu“ sei, findet Vincent Wolff.
„Radikal rechte Ideologien wie die des Rechtspopulismus waren und sind ein politisches Projekt zur Verteidigung des Status quo der globalen und nationalen Ungleichheiten“ (134), so das Autorentrio Matthias Quent, Christoph Richter und Axel Salheiser über ihre These der Verbindung von Rassismus und Anti-Ökologismus. Im Kern gehe es um „Verantwortungsabwehr sowie die Legitimierung sozialer und globaler Ungleichheit und klimarassistischer Zustände“ (14), umreißen die Autoren ihre These. Es sei kein Zufall, dass dieselben Gruppen, die die Existenz von Rassismus negierten, auch oftmals den menschengemachten Klimawandel leugneten. Das habe System, denn Rechte profitierten von der strukturellen Ungleichheit des Klimawandels. Daher sei der Kampf gegen den Klimawandel nicht vom Kampf gegen rassistische Strukturen zu trennen. Rechten gehe es nicht um die Zukunft des Planeten, sondern um ihre Privilegien in einer ungleichen Welt. Zudem seien die Konsequenzen des Klimawandels ungleich verteilt, es herrsche nach wie vor Uneinsichtigkeit und damit auch eine Empathielosigkeit gegenüber Menschen, die bereits heute unter den Auswirkungen der Klimakrise litten. Dabei sei das Lager der so genannten Anti-Ökolog*innen diffus. Der gemeinsame Nenner zwischen den rechten, neoliberalen und rechtslibertären Strömungen sei, dass “sie in aggressiver Weise gesellschaftliche und globale Ungerechtigkeiten rechtfertigen und verteidigen” (120).
Auch wenn die wissenschaftlichen Exkurse zu den Auswirkungen der Klimakrise nicht neu sind, ist ihre Einordnung relevant für das Gesamtnarrativ. Dabei tritt das Autorenteam explizit systemkritisch auf: „Die Geschichte vom menschengemachten Klimawandel ist die Geschichte vom ‚Erfolgsmodell Kapitalismus‘“ (23), so die Verfasser. Diese vermeintliche Erfolgsgeschichte greife aber zu kurz, denn sie sei eine „weiße, westliche, meist männliche und materielle wie kulturell privilegierte“ (23), die andere Perspektiven verschleiere. Die aktuellen Strukturen seien rassistisch und es gehe jetzt darum, diese zu verändern. Die kritische Betrachtung des Rassismus solle nicht beschämen, sondern dazu einladen, drängende Probleme anzugehen und die sie legitimierenden Strukturen kritisch zu hinterfragen.
Entscheidend sei zudem, dass die Erderwärmung nicht einfach nur menschengemacht sei, „sie ist industriegemacht“ (49, Hervorhebung im Original). Das falle oft unter den Tisch, weil man im modernen Neoliberalismus den Menschen weismachen wolle, dass alle verantwortlich seien. Dann frage niemand mehr nach der konkreten Verantwortung für den Klimawandel oder stelle gar die Systemfrage.
Um Klimaschutz zu erstreiten, sei es wichtig, ähnliche politische Fragen als Handlungsanleitungen zu nehmen. So seien einst Regulationen des Rauchens auch gegen politische Widerstände erstritten worden, heute seien diese Gesetze und Maßnahmen aber nicht mehr strittig. Im Kern gehe es beim Kampf gegen Klimawandel und Rassismus als einzelnen Sachfragen eben auch um das Grundsätzliche, nämlich um die Verteidigung der Demokratie. Denn der rechte Einsatz gegen die ökologische Wende sei ein Angriff auf die Demokratie als Ganzes. Werden die Klimaziele nicht erreicht, zementiere dies die bestehende Ungleichheit. Und die Klimaziele werden nicht erreicht, wenn entweder falsche Politik, Ignoranz und zu geringer öffentlicher Druck sowie die rechte Gegenbewegung Politik und Gesellschaft lähmen. Tatsächlich biete die Klimakrise vielmehr ein „Möglichkeitsfenster für die Faschisierung der Politik – durch offene Bündnisse oder schleichende Übernahme rechter Inhalte“ (234). Die Autoren beschränken sich dabei nicht auf Deutschland – Quent, Richter und Salheiser zeigen internationale Parallelen auf. So ähnelten Klimaschutz-Gegner*innen in Tschechien und Ungarn den Aktivist*innen in Brasilien und in den USA. Das Rollback gegen Klimaschutz-Maßnahmen sei schon lange nicht mehr eine nur auf einzelne Nationalstaaten begrenzte Sache. Ähnlich dem Klimaschutz sind Anti-Ökolog*innen ein globales Problem, das damit auch global angegangen werden müsse.
Die Verfasser fordern Umverteilung: „Wer durch mehr Emissionen den Klimawandel verschärft, muss mehr zum Schutz des Klimas leisten und für die Unterstützung der besonders Betroffenen und Verletzlichen aufkommen. Das ist so logisch wie gerecht“ (242). Und sie fordern dies kämpferisch: „Neutralität und Passivität im heute bedeuten ein ‚Weiter so‘ für die bestehenden Ungleichheitsverhältnisse und machen die Zuspitzung von Konflikten in der Zukunft wahrscheinlicher“ (240). Deshalb müsse jetzt gehandelt werden, und das schnell und effektiv. Damit könne nicht noch länger gewartet werden, die Veränderungen müssten noch in diesem Jahrzehnt geschehen. Angesichts der Folgen der Klimakrise wehren sich die Autoren nicht gegen das Etikett „Öko-Sozialismus“: „Sollen uns die Rechten eben Ökosozialismus vorwerfen, denn für Milliarden Menschen könnte eine demokratische, menschenrechtskonforme, sozial gerechte und nachhaltige Gesellschaft die Rettung sein“ (243 f.).
Matthias Quent, Christoph Richter und Axel Salheiser liefern somit ein brandaktuelles Buch. Für sie hat die Klimafrage an Bedeutung gewonnen, wie auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine mit seinen Auswirkungen zeige: „Politik und Wirtschaft in Deutschland waren und sind eng verstrickt in die fossile Machtbasis des Kremls und seiner Oligarchen“ (9). Somit betreffe die Frage des Ausbaus erneuerbarer Energien unmittelbar die geopolitische Lage in Europa.
Zahlreiche neue Erkenntnisse der Klimawissenschaften liefert das Buch nicht, dafür wird aber eine überzeugende Brücke zwischen Machtgefälle und Klimawandel geschlagen, die in dieser Konsequenz neu ist. Die drei Autoren untermauern die These des Klimarassismus solide und erweitern die Klimadebatte substanziell. Ihr Zusammendenken des Kampfes gegen den Klimawandel mit anderen gesellschaftlichen Kämpfen stellt den entscheidenden Mehrwert des Buches dar. Das Werk ist eine Kampfschrift – nicht, um Skeptiker*innen zu überzeugen, sondern um in der breiten Klima-Bewegung den intersektionalen Kampf stärker zu verankern. Dafür eignet sich das Buch, es liest sich flüssig und ist auch für Einsteiger*innen gut zugänglich. Die öffentliche Kritik am Buch, die sich online bereits abzeichnet, zeigt: Quent, Richter und Salheiser haben einen Nerv getroffen.
Außen- und Sicherheitspolitik
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Externe Veröffentlichungen
Oliver Buschek, Matthias Quent / 14.09.2022
BR
Reinhard Olschanski / 01.01.2020
Blätter für deutsche und internationale Sicherheitspolitik
Imeh Ituen /18.11.2019
taz