Michael Minkenberg: The Radical Right in Eastern Europe. Democracy under Siege?
Die komparative Analyse rechtsradikaler Parteien und Bewegungen in Osteuropa, die Michael Minkenberg vorlegt, gewinnt ihr „tertium comparationis“ einerseits, indem die radikale Rechte in Westeuropa als Grundlinie herangezogen wird, andererseits unter Verweis auf den unvollendeten Transformationsprozess und das nicht abgeschlossene Nation-Building. Die Einzelfallstudien unter anderem zu Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn lassen sich so zu der Frage verbinden, ob die radikale Rechte vielleicht sogar eine erwartbare Nebenfolge eines beschleunigten Modernisierungsprozesses ist.
Die komparative Analyse rechtsradikaler Parteien und Bewegungen in Osteuropa, die der an der Viadrina lehrende Politikwissenschaftler Michael Minkenberg vorlegt, gewinnt ihr „tertium comparationis“ einerseits „by using the West European radical right as a baseline“ (4), andererseits unter Verweis auf den „transition process from Soviet hegemony to national independence, and from communist to democratic societies and to the unfinished process of nation-building in the region” (4, 5). Das besondere (und ambitionierte) Anliegen des Autors besteht also darin, die Einzelfallstudien zu Polen, Tschechien, der Slowakei, den baltischen Staaten, Ungarn, Rumänien und Bulgarien vor dem Hintergrund rechtskonservativer Bewegungen westeuropäischer Staaten mit einer längeren und etablierteren demokratischen Tradition zu beleuchten.
Nach der Einleitung („conceptual clarification and comoposition of the analytical models“) beschäftigt er sich im zweiten Kapitel mit dem Versuch einer Klassifikation der „radikalen Rechten“ und deren Beziehung zu Begriffen wie Neofaschismus, Populismus oder Extremismus. „In this chapter I ground the concept in modernization theory and develop an operational definition centered on the ideological core of exclusivist ultranationalism (with different ideological variants) “ (5). In Kapitel 3 widmet sich Minkenberg den je besonderen Entstehungsbedingungen der radikalen Rechten in Osteuropa. Bei dem gegebenen Umfang des Buches von knapp 150 Seiten fällt eine solche historische Spurensuche notwendigerweise knapp und holzschnittartig aus. Im fünften Kapitel werden die wichtigsten Akteure und Repräsentanten der radikalen Rechten in Osteuropa vorgestellt und Minkenberg bemüht sich um eine typologisch-ideologische Kontrastierung zu Vertretern rechter Bewegungen in Westeuropa. Insbesondere in diesem Kapitel wird deutlich, wie schwierig eine einheitliche Begriffswahl ist. Konzepte wie Kulturnation, Staatsvolk, Volksgemeinschaft etc. sind nicht nur das Ergebnis unterschiedlicher historischer Erfahrungen, sondern stehen in einem höchst komplexen Wechselverhältnis zu institutionellen Arrangements (Stichworte: Rechtsstaat und Bürgerlichkeit), insbesondere aber zur ökonomischen Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der behandelten Länder. „The analysis of parties will show that the platforms of most of the radical right in the region are more openly anti-democratic, anti-liberal, racist, and historically revisionist than those of the (successful) parties in Western Europe“ (7). Der Hinweis, dass in Osteuropa der „Bewegungscharakter “ der radikalen Rechten starker ausgeprägt sei als bei den besser organisierten rechtsnationalen Parteien in Westeuropa, ist, zumindest was die innere Struktur des opportunistischen Performanzgebarens dieser Parteien betrifft, erklärungsbedürftig. Die Vermutung, dass das organisatorische Defizit rechtspopulistischer Parteien in Osteuropa der Tatsache geschuldet sei, dass es diese Parteien und Bewegungen noch nicht lange gebe, verkennt die longue durée (ethno-)nationalistischer Gesinnungen und Mentalitäten in Osteuropa. Das Ressentiment gegenüber „Ausländern“ und Flüchtlingen ist ja gerade in Ostdeutschland ein verbreitetes Phänomen. Die Frage, ob diese Bewegungen und Parteien in Osteuropa einen nachhaltigen Einfluss auf die weitere politische Entwicklung haben werden, beantwortet Minkenberg positiv.
Worin nun bestehen die wesentlichen Unterschiede zwischen den west- und osteuropäischen Vertretern der radikalen Rechten? Minkenberg vertritt hier (unter Berufung auf eine Reihe anderer Autoren) folgende Auffassung: „East european radical right parties are characterized by a higher degree of movement-like features (weak structures, propensity for street politics), a more extreme and anti-democratic ideology, and more fluctuation or less success at the polls“ (11). Auf die Vagheit der Konzepte und Begriffe, die hier Verwendung finden, um das überaus komplexe und vor allem widersprüchliche Erscheinungsbild rechtsradikaler Parteien und Bewegungen (national, ethnonational, nationalistisch, völkisch, rassistisch etc.) zu beschreiben, verweist der Autor selbst. Dies hält ihn aber nicht davon ab, die sehr weit gespannten Begriffe sehr freizügig zu verwenden. Können die Bewegungen als Elemente, ja vielleicht sogar „erwartbare“ Nebenfolgen eines beschleunigten Modernisierungsprozesses (Westeuropa) oder aber als Zwischenstück zwischen kommunistischem Regime und demokratischer Ordnung als Transformationsnebenfolge gekennzeichnet werden? Viele (plausible) Argumente scheinen in diese Richtung zu weisen.
Minkenbergs Buch bietet eine ganze Reihe interessanter (zum Teil auch mit empirischem Material unterfütterter) Thesen, die zur weiteren Diskussion anregen können. Die umfangreiche Bibliografie bietet zudem einen guten Überblick zu den bisher vorliegenden Arbeiten zum Thema. Dennoch fehlt etwas sehr Wesentliches: Die konkrete Analyse politischer, rechtlicher und sozialer Institutionen einerseits sowie die für den Themenzusammenhang doch sehr wesentliche Frage nach dem Vorhandensein zentraler Elemente einer bürgerlichen Gesellschaft.
Außen- und Sicherheitspolitik