/ 16.01.2014
Joachim Radkau
Theodor Heuss
München: Carl Hanser Verlag 2013; 640 S.; 27,90 €; ISBN 978-3-446-24355-2Just in dem Jahr, indem die FDP sich aus dem Bundestag verabschiedet, erscheint eine üppige Biografie über ihren einstigen Parteivorsitzenden Theodor Heuss. Dabei war es nicht der Zustand des Liberalismus in Deutschland, der den Bielefelder Historiker Joachim Radkau bewog, dieses Buch zu schreiben. Vielmehr schließt er damit an die von ihm 2005 vorgelegte Max Weber‑Biografie (siehe Buch‑Nr. 28656) an, an der ihn selbst erstaunte, dass er Heuss „dort nicht weniger als 20 Mal zitiert“ (15) hatte. Das Werk eignet sich ohnehin wenig, um daraus Schlüsse für die künftige FDP zu ziehen, was nicht an Radkau, sondern an Heuss liegt. Der erste Bundespräsident war ohne Zweifel eine liberale Persönlichkeit. Typisch für einen solchen bildungsbürgerlich beflissenen Liberalen war und ist es aber, sich von allzu aufwändiger Organisationsarbeit oder gar von tief schürfenden Grundsatzdebatten eher fernzuhalten. So durchzieht das Leben Theodor Heuss' ein ständiges Einerseits‑andererseits. Was Heuss mitbrachte, waren keineswegs stringente programmatische Überzeugungen, sondern eine innere Unabhängigkeit, die ihn schon mal zu merkwürdigen Standpunkten führte, wobei das möglicherweise noch am wenigsten seine Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz begründete. Über lange Zeit verließ er nicht die Empore des mündigen Bürgers beziehungsweise des journalistisch geschulten Dozenten, hielt sich aus den Niederungen des parteipolitischen Klein‑Kleins mit all seinen Rankünen und Wendungen eher fern. Dort wurde er immer wieder von jenen ausgestochen, die fintenreicher, listiger, geschickter vorgingen als der intellektuelle, aber keineswegs unnahbare oder kühle Heuss. Eine solche Persönlichkeit erscheint dann sicherlich als widersprüchlich, ja fast als kauzig, war indes unter den Bedingungen der Jahre nach 1949 eine geeignete Persönlichkeit im Amt des Staatsoberhaupts, ohne dass dieses zwingend war. Radkau entwirft mit einem beschwingten Stil und unter Einbezug etlicher Neben‑ und Randaspekte ein umfassendes Porträt, wobei er insbesondere dem einstigen Naumann‑Schüler und dem Politiker, Publizisten und Wissenschaftler der Weimarer Zeit viel Raum widmet. Das Wichtigste daran ist, dass Radkau zwei Versuchungen, denen jeder Biograf schnell anheimfällt, widersteht: Weder wird Heuss idealisiert noch von Kritik verschont.
Stephan Klecha (SKL)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Institut für Demokratieforschung der Universität Göttingen.
Rubrizierung: 2.3 | 2.31 Empfohlene Zitierweise: Stephan Klecha, Rezension zu: Joachim Radkau: Theodor Heuss München: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36617-theodor-heuss_44743, veröffentlicht am 16.01.2014. Buch-Nr.: 44743 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenDr., wiss. Mitarbeiter, Institut für Demokratieforschung der Universität Göttingen.
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