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Rezension / 23.08.2024

Stefan Eich: Die Währung der Politik: Eine politische Ideengeschichte des Geldes

Hamburg, Hamburger Edition 2023

Geld ist kein neutrales Tauschmittel, sondern eine durch und durch politische Institution. So lässt sich eine zentrale Aussage von Stefan Eichs Buch zusammenfassen, in dem er die politische Ideengeschichte des Geldes von Aristoteles über Locke, Fichte, Marx und Keynes bis in die Gegenwart erzählt. Joscha Wullweber, Professor für Politische Ökonomie und Transformation an der Universität Witten/Herdecke, lobt Eichs hervorragende „De- und Rekonstruktion des Geldes“, die helfe, „Geld als Institution demokratischer Selbstbestimmung“ zu begreifen.

Ein theoretisches und demokratisches Verständnis von Geld zu entwickeln, scheint heute angesichts der großen gesellschaftlichen Krisen wie Kriege, Pandemien, extremer Ungleichheit und der sich zunehmend verschärfenden Klimakrise wichtiger denn je. Denn auch wenn Geld beziehungsweise dessen Verfügbarkeit nicht zwangsläufig alle diese Krisen lösen kann, so wird doch beispielsweise hart um die Fragen gerungen, wie monetäre Ressourcen verteilt werden, welche Vermögensunterschiede noch legitim sind, wie viel sich Staaten verschulden dürfen und ob Regierungen besser sparen oder Schulden aufnehmen sollten, um zum Beispiel Investitionen, sozialen Ausgleich und die sozial-ökologische Transformation zu finanzieren. Stefan Eich schreibt: „Geld als politische Institution [beruht] auf Formen von kollektiver Vorstellungskraft, die die Gegenwart mit der Vergangenheit und Zukunft verbinden“ (23).

Eich, Assistenzprofessor für Regierungslehre an der Georgetown University, zeichnet mit seinem 2023 erschienenen Buch „Die Währung der Politik. Eine politische Ideengeschichte des Geldes“ anhand ausgewählter Theoretiker die politische Geschichte des Geldes beziehungsweise die Politik der politischen Gestaltung des Geldes nach. In einer Art Archäologie der sedimentierten ideengeschichtlichen Schichten, beginnend bei Aristoteles und John Locke über Johann Gottlieb Fichte und Karl Marx bis hin zu John Maynard Keynes, legt er die verschiedenen geldtheoretischen Ansätze frei, um ihre Plausibilität und vor allem ihr demokratisches Potenzial auszuloten, um die großen Fragen unserer Zeit beantworten zu können.

Geldtheoretische Klassiker und andere Autoren

Eich geht es im Kern nicht nur darum, zu zeigen, dass Geld eine politische Komponente besitzt. Seine theoretischen Analysen sind grundlegender: Es sei demnach unmöglich, Geld als solches aus einer rein ökonomischen Sichtweise heraus zu verstehen, da es sich dabei um eine durch und durch politische Institution handele. Geld repräsentiere gesellschaftliche Verhältnisse und die Fragen, wer die Geldform bestimmen und wer Geld schöpfen darf, seien historisch hart umkämpft. In diesem Sinne reiht sich Eich damit in eine Vielzahl neuerer Arbeiten ein, die sich mit Geldtheorien beschäftigen (Gabor/ Vestergaard 2016; Beggs 2017; Pistor 2017; Lawson 2018; Ricks 2018; Koddenbrock 2019; Sgambati 2020; Murau/ Pforr 2020; Wullweber 2024).

Im Gegensatz zu diesen Arbeiten, die stark von den aktuellen Entwicklungen seit der globalen Finanzkrise von 2007 bis 2009 geprägt sind und neue Formen des Geldes und der Geldschöpfung und damit einhergehende Dynamiken und Machtverschiebungen im Finanzsystem untersuchen, wie zum Beispiel Shadow Money und Repurchase Agreements (Repos) im Schattenbankensystem, nähert sich Eich den Geldtheorien durch eine intensive und kritische Auseinandersetzung mit den geldtheoretischen Klassikern (Locke, Marx, Keynes), aber auch mit Autoren, die auf den ersten Blick nicht unbedingt als Geldtheoretiker bekannt sind (Aristoteles und vor allem Fichte). Ausgangspunkt der theoretischen Auseinandersetzung sind historische Geldkrisen, denn durch „Krisen eröffnen sich Fenster, die das bislang unvorstellbare politisch möglich, ja häufig sogar notwendig machen“ (11).

Kritik an Neoklassik und Chartalismus

Eich dekonstruiert in seinem Buch zum einen die neoklassische Erzählung, die sich weiterhin in vielen Standardlehrbüchern der Ökonomik findet und davon ausgeht, dass Geld spontan aufgrund von marktwirtschaftlichen Prozessen entstanden sei. In diesen Lehrbüchern ist Geld nichts weiter als ein Tauschmittel oder eine Ware unter vielen möglichen Tauschmitteln oder Waren. Für die vorherrschende Ökonomik ist Geld daher vernachlässigbar, wenn es um die Analyse der Funktionsweise von Marktprozessen geht. Mehr noch, in Standardlehrbüchern werden nach wie vor falsche Erklärungen über Geld und die Geldschöpfung verbreitet, weswegen sich seit den 2010er-Jahren zunehmend die Zentralbanken selbst in der Pflicht sehen, diese Darstellungen zu korrigieren (McLeay/ Radia/ Ryland 2014a, 2014b; Bundesbank 2017; Ihrig/ Weinbach/ Wolla 2021).

In der Erzählung beziehungsweise der Orthodoxie vom Geld als neutralem Schleier sieht Eich mehr als nur falsche und fehlgeleitete Versuche der Ökonomik, Geld zu verstehen (siehe ausführlich Bandelj/ Wherry/ Zelizer 2017). Vielmehr handele es sich um eine Depolitisierungsstrategie, eine „Politik der Entpolitisierung des Geldes“ (12), die sehr bewusst vom politischen Kern des Geldes ablenke.

Eich sieht zugleich auch den Chartalismus beziehungsweise Nominalismus, die vielleicht stärkste Gegenerzählung zur Warentheorie des Geldes, kritisch. Laut der Theorie des Chartalismus bestimmt der Staat, welches Geld als gesetzliches Zahlungsmittel zu gelten habe und wer dieses schöpfen dürfe. Während der Chartalismus im Gegensatz zur Warentheorie des Geldes also den politischen Charakter des Geldes betont, konzentriert sich politische Macht hier vor allem auf das Privileg, Steuern zu erheben und auf diese Weise die Bürgerinnen und Bürger zwingen zu können, die ausgegebene Währung zu akzeptieren. Während hier also der erste Schritt in Richtung einer Politisierung von Geld getan wird, bleibe der Chartalismus an dieser Stelle stehen, anstatt die nächsten Schritte zu gehen, die verschiedenen Nuancen von Politik und Macht auszuarbeiten und Geld als „ambivalentes politisches Projekt im Spannungsverhältnis von Vertrauen und Gewalt“ (21) zu konzeptualisieren.

Geld als "fragiles politisches Konstrukt“

Für Eich hingegen ist Geld sowohl Produkt politischer Macht als auch Quelle von Macht. Er betont die Hybridität des Geldes, das stets ein „fragiles politisches Konstrukt“ (15) darstelle. Dies geschieht, indem Eich die Ideengeschichte des Geldes anhand von politischen Auseinandersetzungen nachzeichnet, in denen es um konkurrierende Zukunftsvisionen, das Zusammenspiel von kollektivem Glauben, (staatlicher) Gewalt, Vertrauen und Erwartungen, die Unterscheidung von privat und öffentlich, Politik und Ökonomie, die Rolle des Staates, die Frage der Geldschöpfung und die heutigen politischen wie kapitalistischen Grenzen der Formbarkeit der gesellschaftlichen Institution „Geld“ geht. Diese politische Geschichte des Geldes soll es letztlich ermöglichen, unser heutiges Geldsystem und dessen Krisendynamiken besser zu verstehen und Alternativen denken zu können. Das beinhaltet auch, die Rolle des Souveräns, in der modernen Zeit in Form des Staates, kritisch zu reflektieren.

Die von Eich vorgelegte De- und Rekonstruktion des Geldes beziehungsweise der politischen Form des Geldes überzeugt. Allerdings weicht Eich trotz dieser hervorragenden kritischen Auseinandersetzung der Frage aus, wie eine politische Theorie des Geldes aussehen könnte, die es erlaubt, Geld als Institution demokratischer Selbstbestimmung besser zu verstehen. Eich möchte keine weitere Ursprungsgeschichte des Geldes vorlegen, die vorgibt, nun die richtige zu sein. Das ist nachvollziehbar. Allerdings ist es durchaus möglich, Theorien des Geldes zu entwickeln, die keinen geschichtstranszendenten Anspruch erheben.

Eich ist hier zu bescheiden; man könnte auch sagen, er macht es sich etwas zu einfach. Denn Geld als Institution demokratischer Selbstbestimmung zu verstehen, beinhaltet auch, Geldtheorie als ständig im Werden begriffen zu konzeptualisieren, das heißt als immer nur vorläufiges Zwischenergebnis eines Kommunikationsprozesses zwischen unterschiedlichen Ansätzen, Denkrichtungen und Theorieangeboten, von denen keine den alleinigen Erklärungsanspruch erhebt. Hier wäre es spannend gewesen, von Eichs eigener Geldtheorie zu lesen oder zumindest die Konturen einer solchen Theorie zu erfahren.

Insbesondere in Krisenzeiten, in denen die Rufe nach neuen geldpolitischen Ansätzen (Aguila/ Wullweber 2024) und Regulierungen, wie zum Beispiel nach einem Bretton-Woods II (Gallagher/ Kozul-Wright 2021) oder nach einem grünen Bretton-Woods-System (Aguila/ Haufe/ Wullweber 2024) immer lauter werden, ist der Bedarf an Theorieangeboten groß. Solche globalen Regulierungssysteme könnten die Finanzströme auf ein vernünftiges Maß beschränken, Finanzkrisen deutlich reduzieren und Finanzmittel für nachhaltige Investitionen auch und gerade im globalen Süden bereitstellen. Während Eich zu Recht die Unzulänglichkeiten des Bretton-Woods-Systems des 20. Jahrhunderts kritisiert, weicht er selbst der Frage aus, wie „ein demokratischeres globales Geld aussehen [könnte], das seinem Charakter als öffentliches Gut gerecht wird“ (277).

Die richtigen Fragen für eine Politisierung des Geldverständnisses

Eich versteht es mit seinem Buch, die richtigen Fragen zu stellen und auf diese Weise einen fruchtbaren Nährboden für weitere geldtheoretische Entwicklungen und Ansätze zu schaffen. Er lädt uns ein, die intellektuelle Monokultur, die weiterhin die Neutralität des Geldes propagiert, in ein Biotop vieler verschiedener Theorie zu verwandeln (Wullweber 2019). Ein solches plurales Theorieverständnis ermöglicht es, Geld, Geldschöpfung und Ressourcenallokation im Zusammenhang mit Macht, Herrschaft und Gerechtigkeit zu konzeptualisieren, denn „Geld ist ein Schlachtfeld, auf dem verschiedene Zukunftsvorstellungen miteinander ringen“ (11). Durch die Politisierung des Geldes beziehungsweise des Geldverständnisses wird dieses zugleich wieder demokratisiert und kann auf diese Weise neue Wege eröffnen, die es dringend braucht, um den Herausforderungen unserer Zeit wirkungsvolle Antworten entgegenzusetzen.


Literatur

  • Aguila, Nicolás/ Haufe, Paula/ Wullweber, Joscha (2024): The Ecor as Global Money: Towards a Green Bretton Woods System to finance sustainable and just transformation, in: Sustainability Science, DOI: 10.1007/s11625-024-01484-8.
  • Aguila, Nicolás/ Wullweber, Joscha (2024): Greener and cheaper: Green monetary policy in the era of inflation and high interest rates, in: Euroasian Economic Review, 14 (1), 39-60.
  • Bandelj, Nina/ Wherry, Frederick F./ Zelizer, Viviana (2017): Money talks: explaining how money really works, Princeton: Princeton University Press.
  • Beggs, Michael (2017): The state as a creature of money, in: New Political Economy, 22 (5), 463-477.
  • Bundesbank (2017): Geld und Geldpolitik, Frankfurt am Main: Deutsche Bundesbank.
  • Gabor, Daniela/ Vestergaard, Jakob (2016): Towards a theory of shadow money, Working Paper, Institute for New Economic Thinking, https://www.ineteconomics.org/perspectives/blog/towards-a-theory-of-shadow-money.
  • Gallagher, Kevin P./ Kozul-Wright, Richard (2021): The Case for a New Bretton Woods, London: Polity.
  • Ihrig, Jane/ Weinbach, Gretchen C./ Wolla, Scott A. (2021): Teaching the Linkage Between Banks and the Fed: R.I.P. Money Multiplier, Federal Reserve Bank of St. Louis, Econ Primer: September 2021, https://files.stlouisfed.org/files/htdocs/publications/page1-econ/2021/09/17/teaching-the-linkage-between-banks-and-the-fed-r-i-p-money-multiplier_SE.pdf.
  • Koddenbrock, Kai (2019): Money and moneyness: thoughts on the nature and distributional power of the ‘backbone’ of capitalist political economy, in: Journal of Cultural Economy, 12 (2), 101-118.
  • Lawson, Tony (2018): The Constitution and Nature of Money, in: Cambridge Journal of Economics, 42, 851–873.
  • McLeay, Michael/ Radia, Amar/ Ryland, Thomas (2014a): Money in the modern economy, in: Bank of England Quarterly Bulletin, 54 (1), 4-13.
  • McLeay, Michael/ Radia, Amar/ Ryland, Thomas (2014b): Money creation in the modern economy, in: Bank of England Quarterly Bulletin, 54 (1), 14-27.
  • Murau, Steffen/ Pforr, Tobias (2020): What is money in a critical macro-finance framework? in: Finance and Society, 6 (1), 56-66.
  • Pistor, Katharina (2017): From Territorial to Monetary Sovereignty, in: Theoretical Inquiries in Law, 18, 491–518.
  • Ricks, Morgan (2018): The Money Problem: A Rejoinder, in: Accounting, Economics, and Law, 8 (2), DOI: 10.1515/ael-2018-0018.
  • Sgambati, Stefano (2020): Historicizing the money of account: a critique of the nominalist ontology of money, in: Journal of Post Keynesian Economics, 43 (3), 417-444.
  • Wullweber, Joscha (2019): Monism vs. pluralism, the global financial crisis, and the methodological struggle in the field of International Political Economy, in: Competition and Change, 23 (3), 287-311.
  • Wullweber, Joscha (2024): Central Bank Capitalism. Monetary Policy in Times of Crisis, Stanford: Stanford University Press.


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