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Rezension / 01.11.2024

Richard L. Abel: How Autocrats seek Power. Resistance to Trump and Trumpism

London, Routledge 2024

Richard L. Abels Buch bietet eine umfassende Dokumentation der Autokratisierungsbestrebungen von Donald Trump und liefert eine chronologische Übersicht der entsprechenden Ereignisse seit 2016. Abel beleuchtet den Einfluss von Medien, sozialen Netzwerken und beschreibt die Geschehnisse rund um den Sturm auf das Kapitol. Obwohl das Buch als Nachschlagewerk nützlich ist, kritisiert unsere Rezensentin Tamara Ehs, dass es an analytischen Anteilen und konkreten Vorschlägen zur Stärkung der US-Demokratie mangelt.

Eine Rezension von Tamara Ehs

Unabhängig davon, ob Donald J. Trump die US-Wahl am 5. November gewinnt oder verliert, wird er ein weiteres Kapitel in seinem Drehbuch der Autokratisierung aufschlagen. Damit ist nicht bloß das „Project 2025“ (auch bekannt als „2025 Presidential Transition Project“) gemeint, also der Plan zur raschen Umgestaltung der Exekutive im Fall eines Sieges der Republikanischen Partei, sondern all die vielen kleinen, für die breite Bevölkerung zunächst weitgehend unmerklichen Schritte, mit denen er bereits in den beiden Wahlkämpfen 2016 und 2020 sowie während seiner Amtszeit und insbesondere nach der verlorenen Wahl 2020 operierte.

Der emeritierte Rechtsprofessor der Universität von Los Angeles (UCLA), Richard L. Abel, zeichnet dieses Drehbuch akribisch nach. Er entfaltet eine chronologische Nachlese der Ereignisse, die stellenweise eher journalistisch anmutet. Doch Abel merkt an: „If journalism is a first draft of history, this is a second” (x). Der Leserin wird somit eine Enzyklopädie der Ereignisse vom Wahlkampfduo und der Administration Trump/Pence bis gegenwärtig zu Trump/Vance geboten.

Wer angesichts des Untertitels „Resistance to Trump and Trumpism“ jedoch auch eine Darlegung von Strategien des Widerstands erwartet, wie sie etwa das „Thüringenprojekt“ des Verfassungsblogs anbietet, wird enttäuscht werden. Die Gegenstrategien erschließen sich lediglich konkludent; und Richard Abel verabsäumt es, klare Vorschläge zu unterbreiten, wie die man die US-Demokratie stärken und wehrhaft machen könnte. Stattdessen bietet das Buch einen anderen Zugang zum Widerstand gegen die Autokratisierung, den der Kongressabgeordnete und Anklageführer des zweiten Amtsenthebungsverfahrens gegen Trump, Jamie Raskin, im Vorwort so beschreibt: „The elemental act of resistance to fascism is active memory, recording and remembering the ominous and sinister events that break from the ethical, moral, and social norms of liberal democracy“ (vii).

Das Drehbuch der Autokratisierung

Es geht Richard Abel um die Rekonstruktion der Ereignisse, um daraus „just as the military […] lessons learned“ zu ziehen (2). Er beginnt seine Darstellung deshalb mit einer kurzen sozialwissenschaftlichen Einordnung über ökonomische Ungleichheit und Polarisierung der US-amerikanischen Gesellschaft, die erst den Boden für Autokraten bereitet haben. Außerdem blickt er zurück bis ins Jahr 1994 und weist auf Newt Gingrichs Memo „Language: A Key Mechanism of Control“ hin, das als erstes Kapitel des Drehbuchs der Autokratisierung gelesen werden könne. Denn darin spornte Gingrich seine Parteifreunde an, über die Demokraten künftig mit Begriffen wie „betray, pathetic, radical, selfish, traitors“ etc. zu sprechen. Trump selbst treibt all dies aber auf die Spitze, als er 2016 in seinen ersten Wahlkampf einsteigt.

Richard Abel verlässt in jenen Kapiteln oftmals seine Profession als Rechtswissenschaftler und unternimmt Ausflüge in die Sprach-, Medien- und Politikwissenschaft. Dies sind die schwächeren Passagen des Buches, bei denen man sich ganz besonders wünscht, er hätte der juristischen Aufarbeitung jener Jahre mehr Platz eingeräumt.

Der Sturm aufs Kapitol

Es ist nämlich äußerst erhellend, wenn Abel – wie zum Beispiel im Unterkapitel „Judicial Oversight“ – seine Analyse darlegt: Er prüft darin, ob sich die politische Weltanschauung der Richterinnen und Richter (dargestellt anhand der Parteizugehörigkeit jenes Präsidenten, der sie einst nominiert hatte) in ihren Entscheidungen zu den zahlreichen Wahlanfechtungen 2020 widerspiegelt. Obgleich er allgemein eine „extraordinarily strong correlation“ (63) feststellt, offenbarte sich doch, dass Trump sich gerade in Frage des Wahlrechts in seiner ersten Amtszeit noch nicht auf eine gleichgeschaltete Richterschaft verlassen konnte.

Für diesen Fall hatten Berater wie allen voran Steve Bannon aber vorgesorgt und den Weg zum „Sturm aufs Kapitol“ am 6. Januar 2021 rhetorisch und mithilfe der (sozialen) Medien vorbereitet. Wiederum verlässt Abel an dieser Stelle der Chronik die rechtswissenschaftliche Analyse und gibt seitenweise Wortprotokolle aus Nachrichtensendungen von Fox News oder Tweets von Donald Trump und seinem Team wieder. In diesen Teilen des Buches wird die Leserin dann zwar an den Einfluss von Social Media und an Hashtags wie „Stop the Steal“ erinnert, vermisst aber entweder eine profunde medienwissenschaftliche Einordnung oder eben die Bedeutung jener Dokumente für spätere juristische (und parlamentarische) Verfahren. Der Autor bietet keines von beidem; und so blättert man zwar interessiert durch ein Nachschlagewerk der Ereignisse, muss jene erhellenden Analysen, für die Richard L. Abel eigentlich renommiert ist, aber mit der Lupe suchen.

Eine Enzyklopädie mit analytischen Schwächen

Das Buch hat als Enzyklopädie und Chronik durchaus seine Berechtigung, und falls Donald Trump die anstehende Wahl verliert, kann man es zur Hand nehmen, um nachzuschlagen, welche Taktiken wohl wiederholt würden; doch als wissenschaftliches Buch gibt es nur Hinweise und Ansatzpunkte, an denen man weiterforschen möchte. Das letzte Kapitel mit dem Titel „Saving Democracy“ fasst nochmals alle charakterlichen Schwächen und strafrechtlichen Vergehen Trumps zusammen: „fired those who refused to comply“, „appointed yes-man“ (263), „fabricated stories of mail vote fraud“, „even urged his own supporters to vote twice – in-person and by mail – a criminal act in every state” (264).

Allerdings legt Abel an keiner Stelle seiner Abhandlung klar dar, wie denn nun die Demokratie gerettet werden könne: Sollte man das Electoral College (Wahlmännerkollegium) reformieren oder abschaffen? Inwiefern müsste man das Wahlrecht ändern, um faire und freie Wahlen zu garantieren? Wie muss man mit parteipolitisch gezogenen Wahlkreisen (Gerrymandering) umgehen? Was müsste gegen Wählerunterdrückung getan werden? All diese Fragen sind sowohl rechts- als auch politikwissenschaftlich zu bearbeiten, bleiben jedoch leider vollkommen unbeantwortet. Richard L. Abel schließt seine Chronik mit der Anmerkung, dass die Retterinnen und Retter der Demokratie insbesondere bei den Verwaltungsbeamten zu suchen wären, die sich „proud of their service“ (275) gegen Trumps Umsturzpläne gestellt hätten. Das mag ja sein, aber als Analyse eines namhaften Juristen ist diese Antwort doch recht dürftig.



DOI: 10.36206/REZ24.35
CC-BY-NC-SA
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