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/ 22.02.2017

Tom Burgis: Der Fluch des Reichtums. Warlords, Konzerne, Schmuggler und die Plünderung Afrikas

Der Originaltitel „Looting Machine“ zeigt an, dass es nicht um die Analyse eines Mysteriums geht, sondern um eine „Maschine“ im Sinne eines Mechanismus, der bewusst initiiert wird. Dass der Reichtum Afrikas an Ressourcen zugleich das Verhängnis ist, das viele in Armut und Bürgerkrieg leben lässt, ist also kein unabwendbares Schicksal, wie Tom Burgis zeigt, sondern das Ergebnis einer Politik, in der sich die Gier weniger (in Afrika) und der Eigennutz vieler (erst in den westlichen Industrieländern, nun auch in China) miteinander vermengen.

Der Originaltitel „Looting Machine“ zeigt an, dass es nicht um die Analyse eines Mysteriums geht, sondern um eine „Maschine“ im Sinne eines Mechanismus, der bewusst initiiert wird. Dass der Reichtum Afrikas an Ressourcen zugleich das Verhängnis ist, das viele in Armut und Bürgerkrieg leben lässt, ist also kein unabwendbares Schicksal, wie Tom Burgis zeigt, sondern das Ergebnis einer Politik, in der sich die Gier weniger (auf der afrikanischen Seite) und der Eigennutz vieler (erst in den westlichen Industrieländern, nun auch in China) miteinander vermengen. Burgis, Auslandsreporter der Financial Times und lange ihr Westafrika-Korrespondent, legt eine gründliche Analyse vor, die vor allem auf eigene Recherche gestützt ist, für die aber auch Untersuchungen der UN und der Weltbank sowie von US-amerikanischen und britischen Ermittlungsbehörden herangezogen worden sind. Sein Buch ist dabei an einer Zeitenwende erschienen: Der Einfluss der ehemaligen Kolonialmächte und anderer Länder des Nordens wird zurückgedrängt durch das erstarkende Engagement der Volksrepublik China.


Das Scheitern des Westens

„An der westlichen Kritik am Vordringen Chinas nach Afrika ist sehr viel Heuchelei“ (182), schreibt Burgis. Die Weltbank selbst habe einen Bericht in Auftrag gegeben, in dem 2003 der Politik der Weltbank, des Internationalem Währungsfonds (IWF) und der Welthandelsorganisation (WTO) in Afrika ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt worden sei: Die ressourcenreichen Länder sind demnach über Jahre und Jahrzehnte zu einer Ausbeutung ihrer Reichtümer angehalten worden, unter Inkaufnahme von Umweltverschmutzungen, Zwangsumsiedlungen und der Wegnahme von Weideland. Trotzdem, so fanden die Gutachter heraus, sind „arme Länder mit großen Rohstoffvorräten zwischen 1960 und 2000 zwei bis drei Mal langsamer gewachsen [...] als die, die keine besaßen“ (202). Das vielleicht krasseste Beispiel einer Geschäftsbeziehung, die unter diesen Vorzeichen seit Jahrzehnten zum Nachteil der einheimischen Bevölkerung geführt wird, ist die Ausbeutung der nigerianischen Ölvorkommen durch den Konzern Shell. In diesem Kontext erklärt Burgis auch die holländische Krankheit, die aus dem Ressourcenreichtum entsteht: Die Dollars, die durch die Exporte eingenommen werden, drücken den Wert der Landeswährung nach oben, Importe werden im Verhältnis billiger und schwächen die einheimische Produktion. Die Arbeitslosigkeit steigt, Armut ist die Folge.


China tritt auf

Seit den 1990er-Jahren hat ein neuer Partner für Afrika die Bühne betreten: China. Wie groß der Schwung ist, den diese neuen Beziehungen aufgenommen haben, verdeutlicht Burgis anhand einiger Zahlen: „2002 betrug das Volumen des chinesischen Handels mit Afrika 13 Milliarden Dollar, die Hälfte des afrikanischen Handels mit den USA. Zehn Jahre später war dieser Betrag auf 180 Millionen Dollar gestiegen und erreichte damit das Dreifache des Handels zwischen den USA und China – auch wenn das europäische Handelsvolumen mit Afrika immer noch das Doppelte betrug.“ (111) Am Beispiel Nigers, das sein Uran bislang vornehmlich an Frankreich verkauft hat, zeigt Burgis auch, warum China als neuer Partner freundlich begrüßt wurde. Die Volksrepublik versprach, sich nicht in die inneren Angelegenheiten der afrikanischen Staaten einzumischen und als Gegenleistung für Rohstoffe die Infrastruktur des jeweiligen Landes auszubauen. Tatsächlich liefert China im Verhältnis zu westlichen Staaten nur wenige Waffen nach Afrika und setzt eindeutig den Schwerpunkt auf friedliche Beziehungen.


Die Verwandlung von Ressourcen in Privateigentum

Dass so viele Länder Afrikas trotz ihrer Ressourcen arm bleiben, erklärt Burgis mit einem sich wiederholenden Muster: Die postkolonialen Eliten verschmelzen wirtschaftliche und politische Macht miteinander. So hat die Clique um den angolanischen Präsidenten José Eduardo dos Santos die Reichtümer des Landes in ihr Privateigentum verwandelt, indem zunächst Manuel Vicente, ein Schwager des Präsidenten, zum Chef der staatlichen Ölgesellschaft Sonangol wurde. Diese Position nutzte er, wie Burgis herausarbeitet, um sich und andere Angehörige dieser Clique zu bereichern, indem über Beteiligungen und Unternehmensneugründungen Lizenzen zur Ölförderung billig vom Staat gekauft und teuer weiterverkauft wurden – über Steuerparadiese und Briefkastenfirmen auch an sich selbst. Durch allein fünf Geschäfte dieser Art hat zum Beispiel der kongolesische Staat zwischen 2010 und 2012 insgesamt 1,36 Milliarden Dollar verloren – „mehr Geld, als ihm in dieser Zeitspanne an humanitärer Hilfe zufloss“ (72). Dieses Streben einiger nach privater Bereicherung – ob in Nigeria am Öl, in der Demokratischen Republik Kongo an Mineralien oder in Guinea am Bauxit – ist die Ursache für Armut, zerfallende Staaten und Krieg, lautet eine der zentralen Thesen des Autors. Ethnien oder Religionen würden von Einzelnen bis hin zum Schüren von Bürgerkriegen benutzt, um Patronagenetzwerke aufzubauen mit dem Ziel, über eine rohstoffreiche Region herrschen zu können; mit dem Geld aus dem Verkauf der (oftmals geschmuggelten) Rohstoffe werden Gefolgsleute und Wahlen gekauft. Burgis konstatiert außerdem, dass ein Staat, der sein Einkommen aus Rohstoffen generiert und nicht aus dem Steueraufkommen, sich seinen Bürgern meist auch nicht verpflichtet fühlt.


Schattengesellschaften

Vor diesem Hintergrund kann die Idee des (vermeintlich) neutralen Austausches zwischen China und den afrikanischen Ländern – Rohstoffe gegen Infrastruktur – aber eben nur das sein: eine Idee. Die konkrete Ausgestaltung der Beziehungen ist mehr und mehr davon geprägt, wie Burgis zeigt, dass nicht nur die rohstoffreichen Staaten Afrikas, sondern auch China eine Schattengesellschaft besitzt, deren Währungen persönliche Beziehungen und Korruption sind. Ein anschauliches Beispiel stellt der illegale Import gefälschter Textilien nach Nigeria dar. Die Stoffe werden nach afrikanischer Art in China hergestellt und an den korrumpierten Behörden vorbei über die nigerianische Grenze gebracht. In der Folge ist der heimische Textilmarkt praktisch zusammengebrochen, da die nigerianischen Produzenten ihre Ware allein aufgrund der sehr hohen Stromkosten nur sehr viel teurer anbieten können. Da sie aber kaum noch etwas absetzen können, haben nicht nur die Textilarbeiter ihre Beschäftigung verloren, auch die meisten der Baumwollbauern mussten aufgeben. So ist durch das Einwirken Chinas eine ganze Volkswirtschaft geschwächt worden, die ohnehin mit dem Ressourcenfluch zu kämpfen hat. Aber auch hinsichtlich des direkten Zugriffs auf die Ressourcen zeigt sich bereits, dass die afrikanischen Länder von ihren neuen Partnern nicht profitieren werden. Ausgangspunkt dieser These und roter Faden des Buches sind der oben genannte Manuel Vicente und die Queensway Group, ein Hongkonger Syndikat, das nach Recherchen von Burgis von dem chinesischen Geheimstdienstmitarbeiter Sam Pa gesteuert wird. Nachdem Sonangol zum zweitgrößten Öllieferanten Chinas geworden war, gründeten Sonangol unter Vicente sowie Sam Pa mit zwei Partnern die New Bright International Development Limited als Grundstein der Queensway Group, sodass fortan nicht nur in Angola, sondern auch durch weitere Beteiligungen und Unternehmensgründungen in anderen Ländern die Gewinne aus dem Rohstoffexport in wenige private Taschen umgelenkt werden können. Auffällig ist, dass auch hier, wie beim illegalen Textilhandel, nicht der chinesische Staat als Akteur auftritt, sondern Einzelpersonen, über deren Vernetzung mit dem Staat nur spekuliert werden kann. Neben diesem Angola-Muster, bei dem „Infrastruktur und billige Kredite unter undurchsichtigen Bedingungen gegen Rohstoffe getauscht werden“, beobachtet Burgis noch einem zweiten Weg Chinas, „an die Rohstoffe Afrikas heranzukommen: der Kauf von Anteilen an etablierten westlichen Unternehmen, die schon seit Langem vom Öl und den Mineralien des Kontinents profitieren“ (178). Als ein Fazit zitiert Burgis Lamido Sanusi, den früheren Gouverneur der Zentralbank Nigerias: „‚Afrika öffnet sich gerade bereitwillig einer neuen Form des Imperialismus.‘“ (185)

 

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