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Rezension / 13.03.2019

Matthias Herdegen: Der Kampf um die Weltordnung. Eine strategische Betrachtung von Macht und Recht

München, C. H. Beck 2019

Stehen wir vor dem Heraufziehen einer neuen Weltordnung? Diese Frage stellt Matthias Herdegen – er lehrt in Bonn Öffentliches Recht und Völkerrecht – in den Mittelpunkt seiner Analyse, die er sowohl aus politikwissenschaftlicher als auch aus juristischer Perspektive beleuchtet. Dabei stellt er gängige Theorien der internationalen Politik dar, erläutert seine Vorstellungen vom Begriff der Macht und beschreibt die Inhalte einer internationalen Ordnung. Bei der Lektüre wird nach Meinung des Rezensenten die Skepsis des Autors an der derzeitigen kontinentaleuropäischen Außenpolitik deutlich.

Eine Betrachtung der geostrategischen Lage verdeutlicht, dass sich die Weltordnung im Wandel befindet: Die USA agieren zunehmend unilateral, was mit dem Begriff „America first“ zutreffend zum Ausdruck gebracht wird. Mit dem Aufstieg Chinas ist ein globaler Akteur auf der Weltbühne erschienen, der zielstrebig eigene Interessen verfolgt. Auch Akteure wie Russland oder die Türkei zeigen erneut einen imperialistischen Drang nach Ausdehnung. Vor diesem Hintergrund stellt Matthias Herdegen die Frage: Stehen wir vor dem Heraufziehen einer neuen Weltordnung? (12)

In den Mittelpunkt seiner Analyse stellt der Autor das Völkerrecht und beleuchtet es sowohl aus politikwissenschaftlicher als auch aus juristischer Perspektive.

Im ersten der in insgesamt 13 Kapitel gegliederten Monografie legt er das theoretische Fundament, indem er gängige Theorien der internationalen Politik, wie etwa den Liberalismus, Realismus oder Idealismus, darstellt und diese auch aus rechtlicher Perspektive beleuchtet. Im zweiten Abschnitt nähert sich Herdegen dem Machtbegriff, den er sehr weit fasst. Darunter subsumiert er nicht nur Aspekte der militärischen und wirtschaftlichen Macht, die sogenannte hard power, sondern auch solche der kulturellen und kommunikativen Macht, die sogenannte soft power. Im dritten Teil werden vor allem kooperative Theorien besprochen. In den folgenden neun Kapiteln werden die Inhalte einer internationalen Ordnung beschrieben, die zwischenstaatlichen Regularien und die Privilegien einiger besonders mächtiger Staaten aufgezeigt. Zudem werden die Themen „Selbstverteidigung“ (185 ff.) innerhalb der internationalen Ordnung und „Waffengewalt für Menschenrechte“, die sogenannte Humanitäre Intervention (197 ff.), beleuchtet. Hervorzuheben sind die Kapitel elf und zwölf, in denen der Autor zum einen den Ansatz von internationalen Gerichtshöfen erklärt und den Zusammenhang zwischen Innen- und Außenpolitik erläutert. Im letzten Part werden die bis dahin getätigten Aussagen zusammengeführt.

Bei der Lektüre wird die Skepsis des Autors an der derzeitigen kontinentaleuropäischen Außenpolitik deutlich – das gilt vor allem für die deutsche. Immer wieder kommt zum Vorschein, dass Herdegen die aktuelle Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland für naiv hält. Den Ansatz, innenpolitische Strukturen und Prozesse auf außenpolitische Ordnungssysteme zu übertragen, hält er für wenig erfolgreich. Menschenrechte, Solidarität gegenüber Entwicklungsländern und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen mögen für hiesige Belange eine hohe Relevanz haben, in großen Teilen der Welt spielen, so Herdegen, diese Interessen jedoch kaum eine Rolle.

Der Text ist gut lesbar und verständlich geschrieben, allerdings ist das Buch durch zahlreiche kurze Unterkapitel geprägt, die wie eigenständige Begriffsdefinitionen aufbereitet sind. Dem Autor gelingt es dabei nicht, einen Zusammenhang zwischen den einzelnen (Unter-)Kapiteln herzustellen. Auch aufgrund der häufigen Wiederholungen wird kein roter Faden erkennbar. Die Arbeit hat ihren Wert in der detaillierten Begriffsdarstellung einzelner Aspekte der internationalen Ordnung, doch einen echten Mehrwert für die Politikwissenschaft bietet sie eher nicht. Der Autor bezieht sich immer wieder auf geostrategische Konflikte, wie die eingangs erwähnten Spannungen zwischen China beziehungsweise Russland und den Staaten der westlichen Welt. Regionale Auseinandersetzungen finden keine Berücksichtigung, könnten jedoch als Gegenbeispiele dienen.

Trotz seiner Kritik am aktuellen Vorgehen der deutschen Außenpolitik bietet er keine realistischen Handlungsoptionen an.

Die von Herdegen ausführlich beschriebenen Sachverhalte stellen keine Neuigkeiten für die internationalen Beziehungen in der Politikwissenschaft dar. Vermutlich muss man dem Autor zugutehalten, dass er als Jurist, er lehrt in Bonn Öffentliches Recht und Völkerrecht, möglicherweise mit den politikwissenschaftlichen Forschungsbereichen wenig vertraut ist. Die vorgetragenen Kapitel sind zudem kaum durch Fakten unterlegt. Umfangreiche Statistiken und Auswertungen von vorhandenem Datenmaterial fehlen weitgehend. Auch wird die zu Beginn gestellte Frage nach dem Heraufziehen einer neuen Weltordnung nicht beantwortet.

 

CC-BY-NC-SA
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