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Rezension / 06.03.2017

Josef Braml: Trumps Amerika. Auf Kosten der Freiheit. Der Ausverkauf der amerikanischen Demokratie und die Folgen für Europa

Köln, Quadriga 2016

Josef Braml leitet aus einer Analyse des politischen Systems der USA und ihres gesellschaftlichen Zustandes bereits vor der Wahl Donald Trumps Hinweise auch für Europa ab – dazu zählt der Rat, auf soziale Gerechtigkeit zu achten und die EU zu vertiefen. Den europäischen Regierungen und transatlantischen Netzwerken empfiehlt er, im Gespräch ‚unter Freunden‘ beim Thema Demokratie auch deren liberale Qualitäten hervorzuheben.

 Das Buch bietet einen Überblick über das politische System und die Gesellschaft der Vereinigten Staaten. Der Autor Josef Braml ist ein Kenner der Materie – bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) leitet er die Redaktion des Jahrbuchs Internationale Politik, zuvor hat er sich in unterschiedlichen beruflichen Stationen mit den USA auseinandergesetzt, war legislativer Berater im US-Abgeordnetenhaus, Projektleiter beim Aspen Institute Berlin und Mitarbeiter eines US-amerikanischen Thinktanks.

Im ersten Kapitel untersucht er, wie frei die US-amerikanische Gesellschaft ist und kommt zum Ergebnis, dass die Realität häufig von den propagierten Idealen abweicht. So ist es dem Präsidenten seit dem 11. September 2001 im Einsatz gegen den Terrorismus möglich, im Notfall die Gewaltenkontrolle aufheben. „Die amerikanische Demokratie läuft Gefahr, ihren liberalen Charakter im Zuge des globalen Krieges gegen den Terror preiszugeben.“ (80) Im zweiten Kapitel zeigt Braml die Macht von Wirtschaftsunternehmen und ihre Möglichkeiten der politischen Einflussnahme auf. Eine besonders hohe Machtkonzentration diagnostiziert er in den Medien, der Informationstechnologie, der Öl- und Rüstungsindustrie und den Finanzdienstleistungen. Im dritten Kapitel geht es um die Rolle von Thinktanks, also Netzwerken von Interessenvertretern, die in den USA politische Entscheidungen direkt und indirekt beeinflussen. „In keinem anderen Land wird ein derart breiter und offener politischer Diskurs gepflegt, an dem sich auch Thinktanks maßgeblich beteiligen und in dem sie ihre verschiedenen Kommunikationsrollen ausüben können“ (149).

Leider geht es bei all dem entgegen des Buchtitels nur am Rande um Donald Trump. Bezugspunkt der Ausführungen ist in der Regel die Regierung Obama. Dies hängt sicherlich damit zusammen, dass es sich um eine aktualisierte Neuausgabe des im März 2016 erschienenen Buchs „Auf Kosten der Freiheit“ handelt. Für die Gegenwart lässt sich daraus dennoch einiges lernen. Beispielsweise zeigt der Autor immer wieder die Grenzen der politischen Macht des US-amerikanischen Präsidenten innerhalb des politischen Systems auf. So auch im vierten Kapitel, wo er belegt, wie der Kongress die Politik Obamas bremste. „Während in der Sicherheitspolitik selbst die amerikanische Justiz fehlende Gewaltenkontrolle bemängelt, sind dem Präsidenten in fast allen anderen Bereichen, etwa in der Energie-, Umwelt-, Wirtschafts- und Handelspolitik, die Hände gebunden.“ (160) In Kapitel fünf widmet sich Braml der Außenpolitik der USA und erläutert insbesondere die Beziehungen zu Ägypten, Saudi-Arabien, dem Iran sowie China und Russland.

Lesenswert ist vor allem das letzte Kapitel, in dem der Autor konkrete Handlungsanleitungen zur Verteidigung unseres liberalen Systems formuliert. Er rät europäischen Regierungen stärker auf US-Entscheidungsträger einzuwirken und Problemlagen in Europa wie in den USA zu benennen. Dazu zählt er insbesondere das Gefangenlager Guantánamo. „Europas Regierungen und Elitennetzwerke wie die Atlantik-Brücke wären gut beraten, beim Gespräch ‚unter Freunden‘ beim Thema Demokratie auch deren liberale Qualitäten hervorzuheben“ (231). Er rät europäischen Regierungen auch, im gemeinsamen Vorgehen gegen den Terrorismus noch stärker auf die begrenzte Wirksamkeit militärischer Mittel hinzuweisen. Stattdessen sollten sie die Entwicklungshilfe ausbauen und die Ausgaben bei einer Gegenüberstellung der Verteidigungskosten geltend machen. Eine weitere Aufgabe, so Braml, wird sein, das Vertrauen in die Finanzmärkte zu stärken. „Wenn es Europa und den USA nicht gelingt, Vertrauen in ihre Finanzmärkte wiederherzustellen, fehlt es auch an harten und weichen Machtressourcen.“ (237) Im Besonderen thematisiert der Autor noch die Beziehungen zu Russland und China. Gegenüber Russland sei es besser, auf einen gemeinsamen Markt hinzuarbeiten statt auf Sanktionen zu setzen. Im Verhältnis zwischen China und den Vereinigten Staaten sollte Deutschland „eine diplomatische Brückenfunktion“ (238) einnehmen, um Konflikte zu reduzieren und Chancen der Zusammenarbeit aufzuzeigen.

Schließlich gibt der Autor uns auch konkrete Handlungsanweisungen auf den Weg, die wir in Deutschland und Europa umsetzen sollten. So empfiehlt er für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Dies wirke der „Wut der Unzufriedenen“ (240) entgegen, die bereits in England für den Brexit und in den USA für die Wahl Donald Trumps verantwortlich gewesen sei. Banken und Finanzdienstleister mit Steuern zu finanzieren, wirke sich dabei entgegengesetzt aus. Braml rät in Anbetracht der Krise in Europa auch zu einer Erweiterung der Europäischen Währungsunion um eine Steuer- und Politische Union. „Es besteht aber durchaus Grund zur Hoffnung: Viele der bisherigen Krisen können rückblickend als Geburtswehen einer Union im Werden gedeutet werden.“ (241) Braml spricht sich außerdem für deutliche Investitionen in die Bildung aus, um die Konkurrenzfähigkeit der westlichen Staaten zu sichern. Ein Fachkräftemangel im technischen Bereich führe zu Abwanderung von Unternehmen ins Ausland. Braml empfiehlt in die Ausbildung von Flüchtlingen zu investieren und in den Schulen das Pflichtfach Wirtschaft einzuführen. Die Investitionen in die Bildung betrachtet er auch als Beitrag zur Generationengerechtigkeit. „Auch wenn durch die derzeit noch gute Wirtschaftslage und vorhandenen Überschüsse der Rentenversicherung politische Begehrlichkeiten geweckt werden, Beiträge oder Steuern zu senken, sollte dieses Geld besser in die Zukunft investiert werden: in Bildung.“ (243)

Zusammenfassend: Der Autor ist ein Kenner der USA und sein Buch bietet auf knapp 250 Seiten einen gut lesbaren, durchaus zu empfehlenden Überblick über das US-amerikanische politische System. Seine Thesen bieten Stoff für Diskussionen und Auseinandersetzung. Überzeugend wirkt der Ratschlag, mehr in Bildung, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe zu investieren. Anderes wird sich erst mit einem gewissen Zeitabstand besser beurteilen lassen. Ein Defizit des Buches ist bereits erwähnt: Leser*innen, die mehr über das Leben von Donald Trump wissen möchten, werden enttäuscht sein. Viel mehr als dass er der neue Präsident der USA ist, lässt sich über ihn hier nicht erfahren.

 

CC-BY-NC-SA
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