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Veranstaltungsbericht / 04.07.2024

Jahrestagung des DVPW-Arbeitskreises „Wahlen und politische Einstellungen“

Konfliktlinienmodell nach Frank Decker | Urheber: Roland Struwe
Konfliktlinienmodell nach Frank Decker | Urheber: Roland Struwe

Was sind die neuesten Fragestellungen, Erkenntnisse und Entwicklungen im Bereich der Wahl- und Einstellungsforschung? Antworten gab es auf der Jahrestagung des DVPW-Arbeitskreises „Wahlen und politische Einstellungen“, die am 6. und 7. Juni an der Universität Siegen stattfand. Vor dem Hintergrund des Superwahljahrs 2024 wurden dabei insbesondere gesellschaftliche Konfliktlinien und die Erklärung von Wahlverhalten, aber auch das Thema politisches Vertrauen und Einstellungen von Minderheiten im Fokus. Jan Meyer und David Kirchner berichten hier über die Tagung.

Ein Tagungsbericht von Jan Meyer und David Kirchner

Das Superwahljahr 2024 ist vom Thema der politischen Polarisierung geprägt. Doch wie Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser mit ihrer vielbeachteten Studie „Triggerpunkte“ gezeigt haben – siehe dazu die Rezension von Stefan Wallaschek –, geht die Rede von der Polarisierung nicht unbedingt mit einer realen Polarisierung einher – zumindest nicht in dem Sinne, dass sich zwei politisch verfeindete Lager gegenüberstehen, wie es in der Berichterstattung und den Debatten in den sozialen Medien oftmals den Anschein hat. Dennoch lassen sich, wie auch Mau, Lux und Westheuser feststellen, verschiedene Konfliktlinien in der Gesellschaft ausmachen, die teilweise über die politischen Lagergrenzen hinweggehen und auch quer zueinander verlaufen können.

Die Jahrestagung des Arbeitskreises „Wahlen und politische Einstellungen“, die am 6. und 7. Juni in Siegen stattfand und von den Sprecher*innen des Arbeitskreises Kathrin Ackermann, Martin Elff und Nils Steiner organisiert wurde, stand im Zeichen dieser zahlreichen gesellschaftlichen und politischen Konfliktlinien im Superwahljahr 2024. Schließlich wird in diesem Jahr nicht nur ein starkes Abschneiden der AfD bei den ostdeutschen Landtagswahlen prognostiziert, sondern auch im gesamten europäischen und nordamerikanischen Raum mit Wahlerfolgen rechtspopulistischer Parteien gerechnet. Gleichzeitig sind die Erfolge von Rechtspopulist*innen zwar ein wichtiges, aber bei weitem nicht das einzige Thema der politischen Wahl- und Einstellungsforschung.

Und so ging es auf der Tagung in Siegen auch um ganz andere Fragen, wie beispielsweise die politischen Einstellungen von Minderheiten, die Messung von politischem Vertrauen, den Einfluss von Krisen oder Wahlen auf lokaler Ebene. In insgesamt 28 Vorträgen wurden sowohl bereits durchgeführte quantitativ-empirische Studien präsentiert als auch geplante Forschungsvorhaben (Pre-Analysis Plans) zur Diskussion gestellt. Dass die Erklärung von Wahlergebnissen auf allen Ebenen zentraler Gegenstand der politikwissenschaftlichen Wahl- und Einstellungsforschung ist, wird wenig überraschen.

Dabei versucht die Wahlforschung aber nicht nur die Frage “Wer wählte wen und warum” zu beantworten, sondern widmet sich der Vermessung der politischen Landschaft insgesamt, insofern sie die Analyse von Wahlentscheidungen in den gesamtgesellschaftlichen Kontext einbettet: So werden beispielsweise neben der individuellen Wahlentscheidung und der Wirkung des sozialen Umfelds auch die Effekte politischer Ereignisse und gesellschaftlicher Entwicklungen untersucht.

Dies geschieht vor dem Hintergrund einer politischen Landschaft, die sich in vielen westlichen Demokratien in den letzten Jahrzehnten beginnend mit dem Aufstieg grüner Parteien aus dem Spektrum der Neuen Sozialen Bewegungen und rechtsradikaler Parteien grundlegend verändert hat. Ein entscheidender Forschungsstrang in Tradition der “Cleavage-Theorie” erklärt diese Veränderung durch das Aufkommen einer neuen kulturellen Konfliktlinie. Diese liege quer zur klassischen ökonomischen Links-Rechts-Kategorisierung und thematisiert Fragen im Zusammenhang mit kulturellen Modernisierungsprozessen.

Eine prominente Darstellung sieht die Pole dieser neuen Spaltung als „grün-alternativ-libertär“ (GAL) und „traditionalistisch-autoritär-nationalistisch“ (TAN), die jeweils von den relativ jungen grünen und rechtsradikalen Parteien repräsentiert werden. Zur Skizzierung des politischen Raums, so die zugrundeliegende und weit geteilte Annahme, brauche es inzwischen mindestens zwei voneinander unabhängige Dimensionen.

“GAL-TAN” und darüber hinaus: Der Einfluss der Sozialstruktur

Mit diesen großen sozialstrukturellen Veränderungen und ihren Einflüssen auf individuelles und kollektives Wahlverhalten setzten sich fünf Beiträge der Konferenz auseinander. Aus bestehender Forschung ist gut dokumentiert, dass dem formalen Bildungsgrad, dem Geschlecht und dem Alter auf Individualebene große Erklärungskraft bei der Wahlentscheidung zukommt – dies gilt insbesondere für die Wahl rechtspopulistischer Parteien auf der einen Seite und grüner Parteien auf der anderen Seite: Die Wähler*innen der Grünen sind im Schnitt weiblich, höher gebildet, und jünger als die Durchschnittswählenden. Umgekehrt sind die Anhänger*innen rechtspopulistischer Partei männlich, weniger gebildet, und ebenfalls jünger.

Doch wie hängen Alter, Bildung und Geschlecht hier zusammen? Armin Schäfer und Nils D. Steiner zeigen, dass es sinnvoll ist, das Zusammenspiel der drei Faktoren zu betrachten. So ist bekannt, dass jüngere Kohorten mit etwas höherer Wahrscheinlichkeit rechtsradikale Parteien und mit sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit die Grünen wählen. Innerhalb der Kohorten hat die Bildung jedoch einen zusätzlichen Einfluss auf die Wahlentscheidung.

So gilt für alle Generationen, dass die Wahrscheinlichkeit, die radikale Rechte zu wählen, mit höherem Bildungsniveau sinkt, während die Wahrscheinlichkeit, die Grünen zu wählen, damit steigt. Entscheidend ist nun aber, dass diese „intragenerationalen Bildungsunterschiede“ bei den jüngeren Kohorten ausgeprägter sind - vor allem, was den Einfluss auf die Stimmabgabe für die radikale Rechte anbelangt. Und auch das Geschlecht spielt eine entscheidende Rolle: Bei keiner anderen Gruppe ist die Wahrscheinlichkeit grün zu wählen, so groß wie bei jungen, hochgebildeten Frauen.

Neben „objektiven“ Faktoren wie Alter, Bildungsgrad und Geschlecht kommt der Frage, wie Menschen ihren ökonomischen Status einschätzen, eine große Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund präsentierte Micaela Grossmann ihre Studie, in der sie untersucht, inwiefern die Übereinstimmung von subjektiver und objektiver Klassenzugehörigkeit die politischen Einstellungen eines Individuums beeinflusst. Entgegen anderslautenden Ansichten, dass Klasse in der „nivellierten Mittelstandsgesellschaft“ (Schelsky) mit ihrer Wissensökonomie und kleinteiligen Milieustruktur keine Rolle mehr spiele, kommt Grossman zum Schluss: „class is not dead“. Dies gelte insbesondere für die subjektive Klasseneinschätzung, die starke Auswirkungen auf wirtschaftliche und soziale Wahrnehmungen von Menschen hat: Menschen, die sich der Arbeiter*innenklasse zugehörig fühlen, bewerten die Gesellschaftsstruktur demnach deutlich hierarchischer als ihre Mitbürger*innen aus der Mittel- und Überschicht.

Der von Julius Kölzer vorgestellte Pre-Analysis Plan nimmt das Umfragehoch des “Bündnis Sahra Wagenknecht” (BSW) zum Anlass, sich die potenziellen – und wie sich seit der Europawahl sagen lässt: tatsächlichen - Wähler*innen des BSW genauer anzusehen: Während die meisten bisherigen Studien bestimmte Orientierungen zu politischen Sachfragen getrennt von soziokulturellen und ökonomischen Motivationen zur Wahl des BSW betrachteten, plädiert Kölzer dafür, sie im Begriff des “welfare chauvinism” zusammenzudenken.

Darunter versteht man in der Forschung eine politische Position, die einen generösen Wohlfahrtsstaat grundsätzlich befürwortet, aber gleichzeitig dafür eintritt, dass lediglich eine bestimmen Gruppe – meist die Inländer – in den Genuss dieser Leistungen kommen sollen. Damit unterscheidet sich der Wohlfahrtschauvinismus sowohl von der neoliberalen Idee eines schlanken Staates als auch vom Prinzip eines universalistischen Wohlfahrtstaats. Mithilfe dieses Konzepts verspricht sich Kölzer in der noch ausstehenden Analyse, die Wahlentscheidung für das BSW unmittelbar aus der “linksautoritären” Einstellung der Wähler*innen und nicht nur aus einem Mix vermeintlich unzusammenhängender Themen ableiten zu können.

In der Politikwissenschaft war für Deutschland in diesem Zusammenhang schon seit geraumer Zeit von einer Repräsentationslücke die Rede: Links-autoritäre Wähler*innen hätten schon länger keine „natürliche“ politische Heimat und das BSW stoße nun in diese Lücke vor. Doch selbst vor diesem strukturellen Hintergrund und der Popularität von Sahra Wagenknecht in Teilen der Bevölkerung überrascht der rasche Aufstieg dieser neuen Partei, die laut aktuellen Umfragen beispielsweise in Sachsen stärker als alle Ampel-Parteien zusammen ist. Was also zur Etablierung kleiner Parteien beiträgt, ist die Ausgangsfrage des Vortrags von Werner Krause.

Eine gängige Erklärung sei der Einfluss der von Sperrklauseln wie der deutschen Fünfprozenthürde, die Wahlerfolge kleiner Parteien unwahrscheinlicher mache – schließlich liege es im Interesse der Wähler*innen, auch durch Abgeordnete der gewählten Partei im Parlament repräsentiert zu werden.  Während Sperrklauseln die Etablierung neuer Parteien also eher erschweren, betrachtet Krause den Einfluss von öffentlichen Umfragen als positiven Einflussfaktor für die Etablierungschancen einer Partei: Bereits die Tatsache, dass eine neue Partei überhaupt bei der Berichterstattung zu Wahlumfragen nationalen Umfangs vertreten sei, könne so ihre Chancen auf den Eintritt ins Parlament verbessern. Da Umfragen somit eine komplexere Rolle spielten als gedacht, plädiert Krause dafür, auch die in Umfragen (noch) herrschende Unsicherheit der Befragten bei der Präferenz für eine Partei besser zu kommunizieren, um den Parteienwettbewerb nicht zu verzerren.

So wichtig die Betrachtung der Individualebene auch ist, sie allein reicht nicht aus, um eine Erklärung von Wahlverhalten zu leisten. Schließlich leben Menschen nicht einfach als Individuen vor sich hin, sondern in einem sozialen Kontext. Lebensweltlich spielt insbesondere der Wohnort dabei eine entscheidende Rolle und auch empirisch zeigt sich, dass die AfD in Großstädten einen insgesamt schwereren Stand hat. Doch wie sieht es innerhalb der Städte aus? Schließlich sind gerade Großstädte alles andere als homogene Blöcke, sondern intern hochgradig ausdifferenziert.

Carolin Ehlers und Ansgar Hudde zeigen, dass sich das Wahlergebnis der AfD sowohl in westdeutschen, noch stärker aber in ostdeutschen Städten zwischen den Vierteln unterscheidet. Als Muster lassen sich je nach Stadt ein Zentrums-Peripherie-Gefälle, ein Nord-Süd-Gefälle oder einzelne „Ausreißer“-Stadtteile identifizieren. Eine mögliche Erklärung: In weniger wohlhabenden, ethnisch heterogenen Viertel mit einer fluktuierenden Einwohnerschaft sei der Anteil von AfD-Wähler*innen höher.

Julian Erhardt präsentierte sein Forschungsvorhaben mit dem an den klassischen Demokratietheoretiker Alexis de Tocqueville angelehnten Titel „Voluntary associations as schools of democracy?“. Dabei postuliert er einen Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Sozialkapital und der Qualität von Demokratie. Sozialkapital versteht er dabei nicht wie der Soziologe Pierre Bourdieu als eine Form der Macht des Einzelnen, sondern im Anschluss an den Politikwissenschaftler Robert Putnam als gesamtgesellschaftliche Größe in Form eines sozialen Netzes, das sich aus drei Faktoren – Vertrauen, generalisierter Reziprozität und freiwilliger Vereinigungen – zusammensetzt.

Im Anschluss an eben diesen Putnam beschrieb der politische Theoretiker Anton Jäger den zeitgenössischen Politikmodus jüngst als „hyperpolitisch“: Zwar sei der gesellschaftliche Politisierungsgrad hoch, nach über 30 Jahren neoliberaler Atomisierungskur gebe es aber kaum eine soziale Infrastruktur, um die vorhandenen politischen Wallungen effektiv zu kanalisieren. Eine häufige Kritik an Jäger, die auch Stefan Wallaschek in seiner Rezension für dieses Portal vorbrachte, lautete, dass Jägers Erzählung zwar argumentativ überzeuge, ihm aber „die Datengrundlage fehlt“. Vor diesem Hintergrund ist es ausdrücklich zu begrüßen, wenn auch empirisch arbeitende Wissenschaftler wie Erhardt die Rolle von Sozialkapital als demokratische Stütze weiterhin in den Blick nehmen und theoretische Analysen auf diese Weise unterfüttern.

Wahlen in der Krise

Politische Einstellungen und politisches Verhalten wurden auf der Tagung aus mehreren Perspektiven in den Blick genommen. Ein Schwerpunkt lag auf dem Einfluss von Krisen und Krisenerfahrungen: Wem vertrauen die Bürger*innen während einer Krise? Und hat das Erbe der Sozialisation in einem autoritären Regime Einfluss auf die Veränderung des politischen Vertrauens in Krisenzeiten?

Beim Einfluss von Krisen auf das Wahlverhalten denken viele zuerst an die Wiederwahl der Schröder-Regierung im Kontext des Elbe-Hochwassers von 2002. Den Einfluss solcher „zufälligen” Krisen auf Wahlen hat Jan Berz untersucht: Seine Studie untermauert damit empirisch die anekdotische Erklärungskraft der sogenannten „Gummistiefelbilder“. Konkret spielen in diesem Zusammenhang die Leistungen einer Regierung bei der Milderung der Krisenfolgen wie auch die Schwere der Krise eine Rolle dafür, ob die Regierung für die Konsequenzen verantwortlich gemacht wird – auch in den Fällen, in denen diese darauf keinerlei Einfluss haben konnte.

Wie Steffen Wamsler und Gundula Zoch anhand der politischen Einstellungen in Ost- und Westdeutschland während der Covid-19-Pandemie gezeigt haben, kann die regionale Zugehörigkeit einen deutlichen, wenn auch nicht systematisch erklärbaren Einfluss auf das Vertrauen in politische Institutionen in Krisenzeiten haben. Neben dem stärker gesunkenen Vertrauen in die Regierung im zweiten Pandemiejahr fiel etwa in Ostdeutschland auch die kurzfristig höhere Unterstützung der Regierung (Rally-’round-the-Flag-Effekt) geringer aus, so das Ergebnis ihrer Studie.

Inwiefern Krisen auch eine indirekte, langfristige Wirkung auf das Wahlverhalten entfalten können, hat Alejandro Ecker anhand des Erfolgs des argentinischen Präsidenten Javier Milei untersucht. Die Anfälligkeit für populistische Vereinnahmungen in Krisenzeiten führt Ecker auf die Sozialisierung zurück: Wer während seiner politischen Sozialisierung die Folgen ökonomischer Krisen miterlebt habe, sei weniger geneigt, bei erneutem Auftreten solcher Krisen, die Stimme einem radikalen Kandidaten zu geben. Tatsächlich konnte Ecker für die Kohorten, auf die das nicht zutrifft, eine höhere Affinität zu Milei beobachten.

Als zeitgenössische Krise ist auch der Klimawandel allgegenwärtig. Michael Grunenberg hat dazu eine gemeinsam mit Christian Henning durchgeführte Studie zum Einfluss der gegenwärtigen Klimapolitik auf das Wahlverhalten vorgestellt, die mit Blick die Entscheidung zur Nichtwahl und deren Konsequenzen für die Repräsentation politischer Positionen in diesem Politikfeld eine Forschungslücke füllt.

Ungleiche Startchancen: Jugendliche und Erstwähler*innen

Als eine Hoffnungsträgerin für den Klimaschutz gilt vielen die Klimabewegung auf der Straße, die in großen Teilen von jungen Menschen getragen wird. Und tatsächlich zeigen Umfragen, dass das Thema Klimaschutz bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen hohen Stellenwert hat. Gleichzeitig hat die Europawahl auch demonstriert, dass „die Jugend“ kein einheitlicher Block ist, sondern Erstwähler*innen höchst unterschiedlichen Parteien ihr Vertrauen schenken.

Trotz der erhöhten Aufmerksamkeit für die Wahlentscheidungen von jungen Erwachsenen und vereinzelter Bemühungen, auch Kinder und Jugendliche durch politische Planspiele, Jugendparlamente oder durch die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahren bei Europa- und manchen Kommunal- und Landtagswahlen einzubinden, ist Politik in Deutschland weiterhin meist „Sache der Erwachsenen“. Damit hängt es wohl auch zusammen, dass politikwissenschaftliche Untersuchungen zu den politischen Einstellungen und dem politischen Wissen, besonders bei Kindern im Alter des Übergangs von der Grund- auf eine weiterführende Schule, bislang Mangelware sind.

Es ist also eine echte Leerstelle, der sich Simone Abendschön, Mical Gerezgiher, Patricia Kamper und Markus Tausendpfund annehmen, wenn sie das politische Wissen bei Schüler*innen zu Beginn der Mittelstufe untersuchen. Neben der Datenerhebung als solcher sei insbesondere das Ergebnis hervorzuheben, dass Kinder bereits über rudimentäre politische Kenntnisse verfügten. Allerdings zeige sich bei den Kompetenzen eine ungleiche Verteilung zwischen Kindern, die mit Deutsch als Muttersprache aufgewachsen seien und denjenigen, die die Sprache erst im späteren Kindesalter erlernt hätten. Die Autor*innen betonen selbst, dass angesichts der hohen Relevanz von politischem Wissen für die eigene demokratische Teilhabe aus demokratietheoretischer Perspektive gewährleistet sein müsse, dass allen Kindern die gleichen Chancen für den Erwerb politischen Wissens zur Verfügung stünden.

Das Vorhandensein politischen Wissens ist - nicht nur, aber besonders bei jungen Menschen - eng mit der Bereitschaft und der Möglichkeit politischen Partizipation verknüpft, deren grundlegendste Form die Teilnahme an Wahlen ist. In der Forschung ist gut dokumentiert, dass das Gefühl politischer Selbstwirksamkeit die Wahrscheinlichkeit wählen zu gehen erhöht. Umgekehrt wächst mit der Teilnahme an Wahlen auch das Gefühl politischer Selbstwirksamkeit.

Diesen Mechanismus bei Erstwähler*innen genauer zu verstehen, ist das Ziel des vorgestellten Pre-Analysis Plan von Susanne Garritzmann, Sigrid Roßteutscher, Birgit Becker und Max Jansen. Geplant ist zudem die Hypothese zu testen, dass das Gefühl politischer Selbstwirksamkeit für Erstwähler*innen aus benachteiligten Verhältnissen die Wahrscheinlichkeit zu wählen besonders stark erhöht. Da es ihnen an alternativen Mobilisierungsfaktoren wie politisch engagierten Eltern und Netzwerken mangele, sei die politische Selbstwirksamkeit für sie eine besonders wichtige Ressource, um die mit der ersten Wahlbeteiligung verbundenen Hürden zu überwinden.

Politische Einstellungen von und mit Blick auf Minderheiten

Neben jungen Leuten standen auch die politischen Einstellungen von, zwischen und zu gesellschaftliche(n) Minderheiten im Zentrum der Konferenz. So brachten L. Constantin Wurthmann und Sigrid Roßteutscher ihre Fragestellung bereits im Titel „LGBTQ+, migrantisch, jung oder weiblich – Wie solidarisch sind Marginalisierte zueinander?“ auf den Punkt. Gibt es, wie der Kinofilm “Pride” exemplarisch gezeigt hat, eine „Koalition der Minderheiten“, die sich auf eine solidarische Haltung von diskriminierten Gruppen untereinander stützt? Mit anderen Worten: Sind Migrant*innen, LGBTQ+-Menschen, Frauen und junge Menschen natürliche Verbündete im Kampf um mehr Gerechtigkeit? Oder sehen sie sich umgekehrt als Konkurrent*innen um eine begrenzte Menge an Solidarität der Mehrheitsgesellschaft: Der Kampf um Gleichstellung als Nullsummenspiel mit Gewinner*innen und Verlierer*innen.

Wurthmann und Roßteutscher können zeigen, dass junge Erwachsene die einzige Gruppe sind, die die politischen Ziele aller anderen marginalisierten Gruppen unterstützt. Frauen seien indifferent in Bezug auf die Senkung des Wahlalters und Einwanderungsfragen, während LGBTQ+-Personen keine explizite Position in Bezug auf Solidarität mit Frauen (z. B. in der Debatte um Abtreibungsrechte) einnähmen. Hingegen befürworteten alle marginalisierten Gruppen (mit Ausnahme migrantischer Menschen) diejenigen politische Positionen, die ihren eigenen Interessen dienten.

Dies könne jedoch nicht durch rein egoistische Motive erklärt werden, da sich beispielsweise auch über 60-jährige Frauen klar für reproduktive Rechte wie Abtreibungen aussprächen. Und dennoch sind die Ergebnisse der Studie aus normativer Perspektive ernüchternd, zeigen sich doch keine besonderen Formen der Solidarität zwischen marginalisierten Gruppen. Dies muss insbesondere denjenigen Vertreter*innen bzw. Verfechter*innen von Theorien und Strategien zu denken geben, die in zu bildenden „Äquivalenzketten“ (Laclau/Mouffe) zwischen höchst heterogenen unterdrückten Gruppen mit unterschiedlicher Interessenlage den zentralen Motor für progressive Politik sehen.

Doch wie steht es um das politische Wissen gesellschaftlicher Minderheiten? Jessica Kuhlmann zeigt, dass deutsche Staatsbürger*innen mit einem türkischen Migrationshintergrund über ein höheres politisches Wissen verfügen als ihre Landsleute mit postsowjetischem Migrationshintergrund. Eine mögliche Erklärung laute, dass im Gegensatz zu Zuwanderer*innen aus der ehemaligen Sowjetunion, die als Russland-Deutsche die deutsche Staatsbürgerschaft relativ schnell nach ihrer Ankunft erwerben konnten, Zuwanderer*innen mit türkischem Hintergrund oft verschiedene institutionelle Hürden wie einen Einbürgerungstest überwinden mussten, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten.

Ist die Wiederkehr des Rechtsradikalismus samt anderer regressiver bis reaktionärer Epiphänomenen eine nichtbeabsichtigte Nebenfolge der gesellschaftliche „Fundamentalliberalisierung“ (Habermas) nach 1968, die sich in einer Pluralisierung von Lebensstilen, einer Aufwertung marginalisierten Gruppen und einer allgemeinen Frischluftkur für die miefige Bundesrepublik widerspiegelt? Mit etwas Mut zur Zuspitzung lässt sich behaupten, dass die Beantwortung dieser Frage im Kleinen das Ziel der Untersuchung von Conrad Ziller und Theresa Hummler ist.

Konkret fragen sie, ob die Zunahme transfeindlicher Gewalt und politischer Rhetorik als eine Art „Backlash“ bestimmter gesellschaftlicher Gruppen gegen die Verbesserung der rechtlichen Stellung von Transmenschen angesehen werden könne. Auf Basis eines experimentellen Designs finden Ziller und Hummler Belege für die These eines „eingebetteten Backlashs“, die davon ausgeht, dass individuelle Voreinstellungen und soziale Normen zusammenwirkten und zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich der öffentlichen Unterstützung für Minderheitenrechte führen könnten. Während sich sowohl starke Befürworter*innen als auch Gegner*innen einer rechtlichen Gleichstellung in ihrem Standpunkt sicher seien, kämen Personen mit ambivalenten Positionen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen – abhängig davon, ob man ihnen ein transfeindliches oder transfreundliches Statement als soziale Norm präsentiere.

Wenn es um die Solidarität innerhalb bestimmter Gruppen innerhalb der Bevölkerung geht, spielt traditionell die lokale Zugehörigkeit eine große Rolle. So kamen auf der Tagung auch die Besonderheiten lokaler Zugehörigkeiten und Wahlen zur Sprache. Kerstin Völkl und Angelika Vetter konnten anhand von Gemeinderatswahlen verschiedener Bundesländer nachweisen, dass lokale Wahlen nicht wie teils behauptet “Nebenwahlen” seien, deren Ausgang in hohem Maße von der Präferenz bestimmter Bundesparteien und entsprechenden politischen Themen abhänge. Stattdessen seien lokale Themen und Persönlichkeiten entscheidend für die Wahlentscheidung. Umgekehrt spiele auch die Wahrnehmung kollektiver lokaler und regionaler Identitäten eine wichtige Rolle bei nationalen Wahlen: Wie Arndt Leininger und Tilko Swalve in ihrem Beitrag zeigen, habe bereits das Tragen eines regional üblichen Nachnamens der Kandidierenden bei Bundestagswahlen einen Einfluss auf ihren Wahlerfolg.

Vertrauen und Misstrauen gegenüber politischen Akteuren und Institutionen

In Zeiten des Erstarkens populistischer Kräfte gerät mit dem Vertrauen ein für das Gelingen politischer Repräsentation essenzieller Faktor in den Blick. Populistische Parteien wachsen besonders gut auf dem Nährboden schwindenden Vertrauens in die politische Klasse. Abgesehen von der Frage, ob dieser Vertrauensverlust begründet ist oder nicht, erwachsen aus einem Vertrauensverlust massive Probleme für die Legitimität und das Funktionieren demokratischer Staaten. Werden die politischen und weltanschaulichen Positionen der Bürger*innen nicht angemessen vertreten, ist nicht nur der zentrale Eckpfeiler moderner Demokratien beschädigt, sondern die Bürger*innen merken dies auch und entziehen dem politischen System die Unterstützung.

Dementsprechend war die Messung des Vertrauens von Wähler*innen in die politischen Akteure und Institutionen ein weiteres zentrales Thema der Tagung. Von besonderem Interesse ist hierbei die Frage nach dem Zusammenhang von der Übereinstimmung der Einstellungen und Lebensweisen zwischen den Bürgern*innen und den politischen Akteuren und dem Vertrauen, das ihnen und dementsprechenden Institutionen entgegengebracht wird.

Lucca Hoffeller zeigt in Bezug auf die Einstellungen, dass es einen eindeutigen Zusammenhang gibt, die Bürger*innen an unterschiedliche politische Akteure aber offenbar unterschiedliche Repräsentationserwartungen haben. Überraschenderweise scheint die Übereinstimmung mit der eigenen Partei, für die Bürger*innen am wenigsten wichtig zu sein, während die Übereinstimmung mit Parlament und Regierung eine deutlich gewichtigere Rolle für das individuelle Vertrauensniveau zu spielen scheint. Dies deute darauf hin, dass die Übereinstimmung mit einer Partei Bürger*innen zwar mit politisch-emotionalen Identifikationsmöglichkeiten ausstatte, für die Frage des Systemvertrauens aber die Politikergebnisse, die nun mal maßgeblicher von der Regierung und dem Parlament bestimmt würden, eine größere Rolle spielten.

Die Identifikationsgrade sind oftmals nicht nur zwischen Wähler*innen und Partei unterschiedlich, sie können auch mit Blick auf deren eigene Funktionäre variieren. Eine besonders interessante Frage ist, wie die Wähler*innen Politiker*innen wahrnehmen, die mit ihrer eigenen Partei offensichtlich nicht auf einer Linie liegen: Als unglaubwürdige Abweichler*innen oder doch als eigenwillige Charakterköpfe, die sich von niemandem etwas vorschreiben lassen? Als Beispiele denke man etwa an Klaus Ernst, der lange Zeit für die Linke (teilweise als Vorsitzender im Umweltausschuss) im Bundestag saß und als leidenschaftlicher Porschefahrer bekannt ist. Oder Alice Weidel, Spitzenpolitikerin der rechtsradikalen AfD, die mit ihrer sri-lankischen Partnerin in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft ihre Kinder großzieht und einen Zweitwohnsitz in der Schweiz hat.

In ihrer Untersuchung kam Tatjana Brütting zu dem überraschenden Ergebnis, dass Sympathisant*innen einer bestimmten Partei die Abweichung eines Politikers von der Linie dieser nicht etwa verteidigten, sondern umgekehrt, besonders kritisch sähen. Parteianhänger*innen schalten also nicht in den Verteidigungsmodus, sondern sind mit „ihrer“ Partei sogar am kritischsten.  In der sonstigen Wählerschaft würden Abweichler*innen zwar als weniger kompatibel mit der Partei, der sie angehören wahrgenommen, dies gehe jedoch nicht auf Kosten ihrer persönlichen Bewertung durch die Wähler*innen.

Ein fundamentaler Bruch der Vertrauensbeziehung liegt im Falle der “Reichsbürger” vor, wie Alexander Jedinger in einer gemeinsam mit Marlene Hilgenstock durchgeführten Studie untersucht hat. Neben einem besorgniserregenden Unterstützungspotenzial in der Gesellschaft von etwa 20 Prozent machten sie eine für den politischen Umgang mit dieser Bewegung möglicherweise folgenreiche Beobachtung: Anders als die ideologischen Kernpunkte der Reichsbürger suggerierten, hätten die gängigen Theorien aus der Rechtsextremismusforschung ihnen zufolge kaum Erklärungskraft für die Hinwendung zu den Reichsbürgern. Jedinger resümiert, dass die Reichsbürgerbewegung weniger durch autoritäre, sondern durch nonkonformistische Haltungen geprägt sei, die sich aus tiefem Misstrauen gegenüber Politik und Staat speise.

Ist die Gesellschaft politisch “polarisiert”?

In ihrem Buch beschrieben Mau, Westheuser und Lux Triggerpunkte als diejenigen Punkte, deren ‘Triggern’ im ganzen Körper Schmerzen auslösen: „Ohne die Analogie zu medizinischen Begriffen überdehnen zu wollen, verstehen wir Triggerpunkte als jene Orte innerhalb der Tiefenstruktur von moralischen Erwartungen und sozialen Dispositionen, auf deren Berührung Menschen besonders heftig und emotional reagieren“ (246). Damit beschreiben sie also nicht einfach Meinungsunterschiede in einzelnen Sachfragen, sondern Differenzen, die so fundamental seien, dass sie heftige affektive Reaktionen in Gang setzten.

Eben diese Prozesse besser zu verstehen, ist auch das Ziel von Maximilian Filsinger und Markus Freitag. Hierfür greifen sie auf das Konzept der „affektiven Polarisierung“ zurück, das die emotionale Bindung an die eigene Gruppe bei gleichzeitiger Feindseligkeit gegenüber der anderen Gruppe beschreibt. Affektive Polarisierung wird von ihnen nicht anhand von Parteigrenzen untersucht: Stattdessen versuchen sie Polarisierung entlang der emotional besetzten „Triggerpunkte“ Impfung, Migration, Klimawandel und gendersensible Sprache zu verstehen. Filsinger und Freitag zeigen, dass insbesondere die Positionierung von Menschen bei den Themen Migration und Klima das Potential habe, ihre soziale Identität zu formen und sie affektiv zu polarisieren. Eine kompromissorientierte Bearbeitung dieser Themen sei dann schwieriger, da sie nicht als Sachprobleme, sondern als identitätsstiftende Grundsatzfragen betrachtet würden.

Wann immer vom Zuwachs bei rechtspopulistischen Parteien die Rede ist, ist meistens auch die Rede vom Einfluss der sozialen Medien. Als alleiniger Zugang zu politischen Informationen gelten sie gemeinhin nicht nur aufgrund der fehlenden redaktionellen Einschätzung als problematisch, sondern stehen auch in dem Ruf insbesondere über emotionale Präsentation politischer Inhalte die von den jeweiligen Sendern gewünschten Reaktionen hervorzurufen. Paul Vierus widmet sich in diesem Zusammenhang der Frage, inwieweit der Präsentationsmodus – ob als Text, Audio oder Videobotschaft – einen Einfluss auf emotionale politische Reaktionen hat. Wenngleich sich allgemein betrachtet kein relevanter Unterschied feststellen ließe, kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass insbesondere „vulnerable Gruppen“ (solche mit einem geringen Bildungsabschluss oder einer schwierigen ökonomischen Situation) in höherem Maße anfällig für emotionale politische Reaktionen seien, wenn es sich um ein „lebendiges“ Medium wie beispielsweise ein Video handele.

Neben dem Einfluss sozialer Medien auf den Rechtsextremismus wurde in der Öffentlichkeit auch immer wieder dessen Rolle innerhalb der Bundeswehr diskutiert. Denn dass Rechtsextremist*innen trotz Gegenmaßnahmen in der Bundeswehr dienen, ist nicht erst seit dem Skandal um die Verwicklungen des „Kommando Spezialkräfte“ bekannt. Unklar ist hingegen laut Markus Steinbrecher, wie rechtsextremes Gedankengut in die Streitkräfte gelangt. Seine gemeinsam mit Nina Leonhard und Heiko Biehl verfasste Studie ziele daher darauf ab, zu erklären, ob rechtsextreme Einstellungen von außen in die Bundeswehr kämen (Selektionshypothese) oder sich bei den Soldat*innen erst in der Bundeswehr entwickelten (Sozialisationshypothese).

Da der Studienbericht zum Zeitpunkt des Vortrags noch nicht durch das Verteidigungsministerium freigegeben war, konnten leider noch keine konkreten Ergebnisse vorab genannt werden. Die Studie bietet nach Steinbrechers Einschätzung jedoch eine belastbare Datenbasis für die verfolgten Fragestellungen und gibt umfassend Einblick in die politischen Einstellungen der Bundeswehrangehörigen.

Während die Bundeswehr immer wieder von Rechtsextremismusskandalen erschüttert wurde, war in Bezug auf öffentliche Universitäten in den letzten Jahren von einem ganz anderen Vorwurf die Rede: Es existiere, so die Diagnose in Feuilletons und Talkshows, an deutschen Hochschulen eine (vermeintliche) Cancel Culture durch progressive Studierende, die am liebsten alle Bücher verbieten und alle Redner*innen ausladen wollten, die ihnen nicht in die Agenda passten. Doch wie sieht es mit empirischen Belegen hierzu aus? Tatsächlich zeigte eine Studie von Matthias Revers und Richard Traunmüller aus dem Jahr 2020, dass sich eine beträchtliche Anzahl von Studierenden für eine Einschränkung der Redefreiheit auf dem Campus ausspricht.

Gleichzeitig erhielt diese Studie sowohl inhaltliche als auch methodische Kritik. Nun stellte Alexander Wuttke die Grundzüge einer Nachfolgestudie vor, die auf dem Prinzip der „adversarial collaboration“ beruht. Dabei handelt es sich um einen Ansatz zur Beilegung wissenschaftlicher Streitigkeiten, bei dem Forscher*innen, die unterschiedliche Standpunkte zu einem bestimmten Thema vertreten, zusammenarbeiten, um Fortschritte in ihrer strittigen Forschungsfrage zu erzielen. Wuttke betonte das Erkenntnispotential, das entstehe, wenn Forscher*innen mit ihren Kritiker*innen kooperierten, konnte allerdings noch keine finalen inhaltlichen Ergebnisse präsentieren.

Politikwissenschaft im Superwahljahr

Die politische Landschaft in Deutschland ist in Bewegung, dies wurde auch auf der Tagung des AK Wahlen und politische Einstellungen immer wieder deutlich. Denn Verschiebungen im Parteiengefüge, Parteineugründungen und Veränderungen in der Bindung von Parteien und ihren Wähler*innen werfen neue Fragen auf, die erforscht werden möchten. Die Verschiebungen stellen Wissenschaftler*innen empirisches Material bereit, das untersucht werden kann, und haben das Potential, alte Gewissheiten infrage zu stellen.

Angesichts der Komplexität von Wahlentscheidungen und Transformationen ganzer Parteiensysteme in Windeseile (man denke nur an Italien oder Frankreich) ist ein empirisch unterfüttertes Verständnis von Wahlentscheidungen essenziell. Und auch die Untersuchungen zu politischen Einstellungen unterschiedlicher Minderheiten, Jugendlicher und die Rolle von politischem Vertrauen im politischen Prozess geben Aufschluss, an denen ein differenziertes Verständnis von Politik nicht vorbeikommt.

Die Beiträge dieser Tagung des AK Wahlen und politische Einstellungen setzten sich mit diesen offenen Fragen auseinander und brachten innovative Erklärungsversuche ins Spiel. Was auf der Tagung nur selten zur Sprache kam, sind die praktischen Konsequenzen, die aus den Erkenntnissen gewonnen werden können. Insofern besteht hier noch Diskussionsbedarf, der am besten unter Einbeziehung anderer politikwissenschaftlicher Teildisziplinen geführt werden kann. Denn gerade im Hinblick auf das Superwahljahr 2024 ist es von großer Bedeutung, dass die Politikwissenschaft auf der Grundlage der in Siegen geleisteten Erklärungen für politische Einstellungen und Wahlverhalten insgesamt eine stärkere Rolle in den gesellschaftlichen Debatten einnimmt.

DOI: https://doi.org/10.36206/TB24.1
CC-BY-NC-SA
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