SIRIUS Heft Heft 1 / 2019 ist erschienen.
Mit Erscheinen des ersten Heftes der Zeitschrift SIRIUS des Jahres 2019 sind ausgewählte Beiträge online frei verfügbar. Einen Überblick über das gesamte Heft verschafft das Editorial der Herausgeber, das wir hiermit vorstellen. Den Schwerpunkt dieser Ausgabe bilden die Herausforderungen durch China. Es werden einige ausgewählte Fragen aufgegriffen, wie etwa die, welche strategischen Beweggründe die Volksrepublik China veranlasst haben, große Teile der südchinesischen See zu annektieren. Ferner geht es um die Initiativen Chinas im Nahen und Mittleren Osten sowie darum, ob China versuchen wird, sich in Syrien als Macht des Wiederaufbaus zu etablieren.
China wird mehr und mehr nicht nur als wirtschaftlicher, sondern auch als ein politischer und militärischer Herausforderer des Westens wahrgenommen. Was das im konkreten Einzelfall bedeutet, wird im deutschsprachigen Raum zumeist nur am Rande diskutiert oder verschwimmt in allgemeinen Ermahnungen oder düsteren Ahnungen. Besonders die One-Belt-One-Road Initiative (OBOR) Beijings ist Gegenstand vieler Spekulationen und zum Teil weitgehender Erwartungen und Ängste. In Asien hingegen wird vor allem wahrgenommen, mit welcher Energie und Risikobereitschaft die politische Führung in China sich dran macht das internationale Meer der Südchinesischen See durch Aufschüttung und Befestigung von Riffen und unbewohnten Atollen zu annektieren und wie sehr dabei militärische Gesichtspunkte im Vordergrund stehen.
Das vorliegende Heft widmet sich schwerpunktmäßig der chinesischen Herausforderung, wobei einige ausgewählte und herausragende Fragen aufgegriffen werden, bzw. über interessante Forschungsprojekte berichtet wird. An erster Stelle steht der Beitrag von Sarah Kirchberger und Patrick O’Keefe. Der Artikel reflektiert die Ergebnisse eines mehrjährigen Forschungsvorhabens, in dessen Rahmen die Verfasser der Frage nachgegangen sind, welche strategischen Beweggründe die Volksrepublik China veranlasst haben, große Teile der südchinesischen See zu annektieren und damit das Völkerrecht massiv zu verletzen. Sie testen unterschiedliche Hypothesen und gelangen am Ende zu der Schlussfolgerung, dass hinter der chinesischen Politik eine ambitionierte weltpolitische Agenda steht, die ohne Rücksicht auf internationale Bedenken durchgezogen wird. Die Südchinesische See wird offensichtlich zu einer maritimen Bastion für die derzeit in Bau befindliche nuklearstrategische Unterseeboot-Flotte Chinas ausgebaut, die auf der südchinesischen Insel Hainan ihren Heimathafen hat und gleichzeitig soll damit auch der neue Weltraumbahnhof auf der Insel geschützt werden.
Der Beitrag von Stefan Lukas setzt sich mit den Initiativen Chinas im Nahen und vor allem im Mittleren Osten auseinander und fragt nach deren Umsetzung und den dabei offenkundig werdenden Problemen. Vor allem die OBOR Initiative stellt China vor enorme Herausforderungen, die nicht nur technischer, finanzieller und infrastruktureller Natur sind, sondern die auch erkennen lassen, dass China im Zuge seines strategischen Vorrückens viele regionale Konflikte und Probleme erbt. Der Kurzbeitrag von Jacob Rosen-Koenigsbuch geht auf eine Frage ein, die sich derzeit viele Beobachter im Nahen Osten stellen: wird China das bestehende Vakuum in Syrien nutzen, um sich dort als Macht des Wiederaufbaus zu etablieren? Russland und der Iran sind dazu nicht in der Lage, der Westen will das Regime Assad nicht stabilisieren – da bleibt eigentlich nur noch China.
Dem Thema China widmen sich auch zwei strategische Kommentare – einer aus deutscher Sicht und einer aus amerikanischer Sicht. Während der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, General Klaus Naumann, betont wie wichtig es für Europäer sei, die strategische Herausforderung Seitens Chinas endlich in ihrer Vieldimensionalität zu verstehen und darauf zu reagieren, schlägt Anthony Cordesman vom CSIS andere Töne an. Die US-Administration sei dabei, in ihrer Politik gegenüber China zu sehr auf Konfrontation zu setzen. Dadurch würden beide Seiten geradezu spiegelbildlich die Betonung mehr und mehr auf einseitige Gewinne und auf militärische Eindämmung der jeweils anderen Seite setzen. Cordesman sieht Ähnlichkeiten mit der deutsch-britischen Rivalität in den drei Jahrzehnten vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs und mahnt davor, die gleichen Fehler zu begehen, die zu Anfang des 20. Jahrhunderts zu einer Verrohung der internationalen Beziehungen geführt hätten. Der Beitrag von Cordesman wird ergänzt durch die Besprechung seiner gerade beim CSIS erschienenen Studie über China und das neue strategische Wettrüsten. Ebenfalls wird eine Studie der RAND Corporation zu den Ambitionen und Plänen der chinesischen Rüstung im Bereich der Luftstreitkräfte besprochen.
Die weiteren Beiträge dieses Heftes befassen sich mit anderen Themen. Der Aufsatz von Ulff Brüggeman zur Strategie des „Islamischen Staates“ vertritt die These, dass sich der IS gegenüber dem Westen an Konzepte der Strategie des führerlosen Widerstandes orientiert habe und damit gescheitert sei. Der Autor eröffnet damit eine interessante Debatte zu den strategischen Überlegungen auf Seiten terroristischer Organisationen. Der Aufsatz von Charles King Mallory IV knüpft an frühere Aufsätze in dieser Zeitschrift an, die sich mit dem Thema Abschreckung unter den heutigen Bedingungen befassen. Sein Artikel stellt einen Beitrag zur theoretischen Auseinandersetzung mit der Frage dar, wie man sich Abschreckung vorstellen muss, die zwischen unterschiedlichen Domänen changiert, und welche allgemeinen Regeln und Erfordernissen eine kluge Abschreckungspolitik beachten muss.
Die Kurzanalyse von Joachim Krause nimmt das Ergebnis der Zwischenwahlen in den USA in den Blick und fragt nach den Aussichten für die kombinierten Präsidentschafts- und Kongresswahlen im November 2020. Derzeit sehen die Aussichten nicht gut aus für eine zweite Präsidentschaft von Donald Trump, aber ein Sieg der Demokraten ist alles andere als sicher. Auch in diesem Heft der Zeitschrift SIRIUS werden Studien aus der Welt der Thinktanks vorgestellt. Schwerpunkte sind dieses Mal westliche Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Russland, Terrorismus und Extremismus sowie Cyber-Sicherheit. Bei den Buchbesprechungen stehen zwei umfassendere Analysen im Vordergrund: zum einen Wolfgang Ischingers pessimistische Analyse der internationalen Entwicklung sowie der Strategic Survey des IISS vom Herbst Jahr 2018. Letzterer übertrifft noch die Analyse Ischingers in Sachen Pessimismus. Das IISS führt den neuen Begriff des „tolerance war“ ein, womit gemeint ist, dass dem Westen feindlich gesonnene Staaten dazu tendieren, die Grenzen militärischer Risiken immer weiter auszutesten. Remko Leemhuis legt eine scharfsinnige Kritik des Buches „Armageddon im Orient“ von Michael Lüders vor und Jeronimo L.S. Barbin macht die Leser mit einem interessanten französischen Beitrag zur Abschreckungsdiskussion vertraut (Pierre Vandier). Zum Abschluss folgt eine Besprechung des derzeit besten Buches zu autonomen Waffensystemen (Paul Scharre: Army of None) durch Niklas Schörnig.
Zur Inhaltsübersicht von SIRIUS – Zeitschrift für Strategische Analysen, Band 3, Heft 1/2019: https://www.degruyter.com/view/j/sirius.2019.3.issue-1/issue-files/sirius.2019.3.issue-1.xml
Außen- und Sicherheitspolitik
Aus den Denkfabriken
Der Territorialstreit um das „asiatische Mittelmeer“. Der Konflikt der Volksrepublik mit anderen Anrainerstaaten
Die Auseinandersetzungen um einige unbewohnte Felsen dominieren derzeit das Erscheinungsbild der chinesischen Außenpolitik. In verschiedenen aktuellen Studien zum Thema zeigt sich, dass weniger die Felsen an sich von Bedeutung sind, sondern es um weitreichende Statusfragen geht. Die Volksrepublik demonstriert in diesen Konflikten auch, dass sie sich nicht an internationale Aushandlungsprozesse und Schiedssprüche gebunden sieht.
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Der Traum von einer neuen Weltordnung. Die chinesische Außenpolitik im Spiegel aktueller Analysen
Die ideologischen Leuchtfeuer, an denen sich die chinesische Außenpolitik orientiert, haben gewechselt – von der „harmonischen Gesellschaft“ ist nun weniger die Rede. Die Vorstellung von einem starken Staat, getragen vom Nationalismus, und das Streben nach einer Weltordnung, die nicht mehr (allein) von den USA strukturiert wird, prägen die Politik von Staats- und Parteichef Xi Jinping. Diese Verschiebung hat Folgen: Die nach wie vor propagierte Friedfertigkeit wird zunehmend konterkariert durch Chinas deutlich zur Schau getragene Unnachgiebigkeit in den Territorialkonflikten im Südchinesischen Meer. Entstanden sind damit im asiatisch-pazifischen Raum neue sicherheitspolitische Spannungen.
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