Trumponomics. Die wirtschaftspolitischen Vorstellungen des Präsidenten – auch im O-Ton
Die wirtschaftspolitischen Ankündigungen Donalds Trumps haben bereits während des Wahlkampfes für großes Aufsehen gesorgt, die Welt wähnte die USA zwischenzeitlich vor Handelskrieg mit der Volksrepublik China. Seine Handels- und Wirtschaftspolitik hat seit seinem Amtsantritt aber keineswegs an klaren Konturen gewonnen. Das Interview, das er The Economist gegeben hat, hätte Aufschluss geben können, stellte Trump aber nur als wenig informiert bloß. Aufklärung bieten zwei SIRIUS-Beiträge.
Handelskrieg mit der Volksrepublik China. Dieser Konflikt scheint sich seit dem Staatsbesuch von Xi Jinping in den USA etwas beruhigt zu haben. Die genauen Konturen der Handels- und Wirtschaftspolitik des neuen Präsidenten sind aber in den vergangenen Wochen und Monaten keineswegs klarer geworden. Das Interview, das er The Economist gegeben hat, hätte Aufschluss geben können, stellte Trump aber nur als wenig informiert bloß. In den zahlreichen Kommentaren wurden seine Aussagen im besten Fall als Fehlannahmen identifiziert. Aufklärung bieten zwei SIRIUS-Beiträge: In „Die Welt des Stephen K. Bannon“ und in Donald Trump und die internationale Handelspolitik werden der ideologische Hintergrund und die absehbaren Folgen eines Protektionismus analysiert.
Die Ankündigungen des Präsidenten folgen durchaus den in diesen Analysen geschilderten Grundannahmen. Dies gilt für die Aussage, die USA würden das Pariser Klimaschutzabkommen verlassen, oder auch für die Entscheidung zugunsten des Weiterbaus der umstrittenen Dakota Access Pipeline. Dennoch ist bislang nicht das Bild einer kohärenten Politik entstanden, wie Derek Thompson am Beispiel der vom Weißen Haus ausgerufenen „Woche der Infrastruktur“ zeigt – ebenso wie in der Gesundheits- oder Steuerpolitik sind Detailfragen ungeklärt, Zeitpläne zur Umsetzung der Politik Trumps fehlen ganz.
Das Interview
The Economist
Transcript: The Economist talks to the President of the United States about economic policy
The Economist, 11. Mai 2017
Der US-Präsident hat der britischen Wochenzeitschrift The Economist ein Interview zu Fragen seiner Wirtschaftspolitik gewährt. Ebenfalls anwesend bei diesem Gespräch, das am 4. Mai 2017 stattgefunden hat, waren Finanzminister Steve Mnuchin sowie Gary Cohn, Direktor des National Economic Councils der Vereinigten Staaten. Später gesellte sich außerdem Vize-Präsident Mike Pence hinzu. The Economist hat sich entschlossen, das Interview unbearbeitet zu veröffentlichen, um einen unmittelbaren Einblick in die Gedankengänge und rhetorischen Fähigkeiten Trumps zu ermöglichen. Auf die Frage, ob so etwas wie „Trumponomics“ existiert, nickte der Präsident und antwortete: „It really has to do with self-respect as a nation. It has to do with trade deals that have to be fair.”
The Economist
Cooking up an economic policy. Donald Trump’s economic strategy is unimaginative and incoherent
The Economist, 13. Mai 2017
Die Redaktion von The Economist hat die wirtschaftspolitischen Aussagen Donald Trumps einer kritischen Analyse unterzogen. Hingewiesen wird unter anderem darauf, dass er die Arbeitsplätze in der Fertigung fetischisiert, obwohl nur 8,5 Prozent der US-amerikanischen Arbeiter in diesem Bereich beschäftigt sind. Auch betone er den Kohleabbau sehr, obwohl in der Solarindustrie zweieinhalbmal so viele Menschen beschäftigt seien. Die propagierten „Trumponomics” seien in sich nicht nur zusammenhanglos, so die Analyse, sondern geradegehend schlecht – die echten Themen würden ignoriert, etwa die Tatsache, dass die industrielle Automatisierung mehr Jobs in der Produktion gekostet habe als der Wettbewerb mit China.
Nikolaus Piper
Trumps wirre Wirtschaftspläne
Süddeutsche Zeitung, 18. Mai 2017
Die Veröffentlichung der Interviews hat ein sehr großes Medienecho hervorgerufen. Stellvertretend für die Kommentare in deutschen Medien soll hier der Beitrag von Nikolaus Piper stehen, in dem wichtige Aussagen Trumps noch einmal dargestellt werden. Unter Hinweis auf die Erfahrungen, die mit dem „Reaganomics“ gesammelt wurden, beschreibt Piper, was bei einer Umsetzung der Trump’schen Ankündigungen voraussichtlich tatsächlich passieren wird. Ein Beispiel sind die geplanten Steuersenkungen: „Wenn das Defizit im Staatshaushalt steigt, dann steigt in der Regel auch das Defizit in der Handelsbilanz. Die Amerikaner müssen weniger Steuern zahlen und haben mehr Geld zur Verfügung, von dem sie einen Teil auch für Reisen in die Karibik, BMWs aus Deutschland und Anzüge aus Italien ausgeben. Auch das hat Reagan seinerzeit erlebt: Sowohl das Handelsdefizit, als auch der Kurs des Dollar stiegen während seiner ersten Amtszeit massiv. Die US-Währung verteuerte sich von 1,80 Mark auf fast drei Mark, die amerikanische Exportwirtschaft wurde schwer getroffen, was den Erfolg der Steuersenkungen zunichte zu machen drohte. Es bedurfte der Intervention der Finanzminister und Notenbankchefs der großen Industrieländer am 22. September 1985 im Plaza-Hotel in Manhattan, um die Aufwertung des Dollars zu stoppen.“
Ben White / Aubree Eliza Weaver
Trump's remarkable Economist interview
Politico, 5. Mai 2017
Für den englischsprachigen Raum sei hier der Beitrag von Ben White und Aubree Eliza Weaver genannt, die mit Interview-Aussagen und weiteren Zitaten sowohl die Inkohärenz der wirtschaftspolitischen Aussagen als auch glatte Falschaussagen zu einem Mosaik zusammenfügen. Hingewiesen wird dabei unter anderem auf die fehlende Idee zur Zukunft des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (North American Free Trade Agreement, NAFTA)
Der ideologische Hintergrund
Joachim Krause
Die Welt des Stephen K. Bannon. Wie revolutionär ist die Trump-Administration?
SIRIUS – Zeitschrift für Strategische Analysen, Heft 2, Juni 2017
Joachim Krause befasst sich mit dem Weltbild des strategischen Chefberaters von Donald Trump. Dabei sollen polemische Verkürzungen vermieden werden. Die zentralen Elemente der Gedankenwelt des Stephen K. Bannon sind, was die Gegenwartsanalyse betrifft, (1) die Orientierung an einem zyklischen Weltbild, (2) eine Kritik am Kapitalismus und am politischen Establishment, und (3) die Furcht vor einer neuen Welle eines Totalitarismus, die aus dem politischen Islam entstehen könnte. Seine Überlegungen zur politischen Programmatik bestehen in erster Linie aus der Forderung nach (1) Wiederherstellung demokratischer Souveränität durch die Zerschlagung einer angeblich parasitären politischen Klasse in den USA, (2) die Wiederherstellung nationaler Souveränität durch die Absage an Globalismus und Multilateralismus sowie (3) der Primat der Bekämpfung des totalitären Islamismus in der internationalen Politik. (Abstract)
Die Zukunft der Handelspolitik
Henning Klodt
Donald Trump und die internationale Handelspolitik
SIRIUS – Zeitschrift für Strategische Analysen, Heft 2, Juni 2017
Die Abkehr der neuen US-Regierung vom Leitbild des internationalen Freihandels und die Hinwendung zu einer merkantilistisch geprägten Industriepolitik sind unübersehbar. Das wird die Wohlstandsgewinne aus internationalem Handel beeinträchtigen und zwar sowohl in den USA als auch in vielen anderen Ländern. Durch die avisierten Strafzölle werden zudem keine Industriearbeitsplätze in die USA zurückgebracht, sondern gut ausgebaute und sensible internationale Wertschöpfungsnetzwerke zerstört. Die Verlierer werden gerade die Industriearbeiter sein, als deren Anwalt sich Donald Trump geriert. Dennoch sollte die EU darauf verzichten, handelspolitische Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen, und lieber ihre Bemühungen fortsetzen, den Freihandel zu fördern, notfalls auch ohne Beteiligung der USA. (Abstract)
Die Ankündigungen
Michael D. Shaer
Trump Will Withdraw U.S. From Paris Climate Agreement
The New York Times, 1. Juni 2017
und
Philipp Bumb
Nine reasons Trump’s withdrawal from the Paris climate agreement doesn’t make sense
The Washington Post, 1. Juni 2017
In der umfangreichen Berichterstattung über die Ankündigung des Präsidenten, die USA würden sich aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zurückziehen, wird diese als Umsetzung eines Wahlversprechens eingeordnet, wobei Trump explizit seinem Slogan „America first“ folge. Kritisiert wird, dass er den Klimawandel überhaupt nicht verstanden habe und mit der einseitigen Aufkündigung der internationalen Absprache den Interessen nicht nur der Welt, sondern auch ausdrücklich seines Landes schade. Übersehen habe Trump zudem, dass in den USA der Wandel hin zur Nutzung erneuerbarer Energie längst eingesetzt habe. Zahlreiche Unternehmer plädierten denn auch dafür, dem Pariser Abkommen treu zu bleiben.
Derek Thompson
The Potemkin Policies of Donald Trump. The simplest summary of White House economic policy to date is four words long: There is no policy
The Atlantic, 7. Juni 2017
Das Weiße Haus habe eine „Woche der Infrastruktur“ angekündigt, schreibt Derek Thompson, der Präsident sei aber in seiner diesbezüglichen Rede nicht über einige Allgemeinplätze hinausgekommen – zu besichtigen sei eine Potemkinsche Politik, der jegliche Präzisierungen oder gar Zeitpläne fehlten. Damit ähnelten diese Ankündigungen von Infrastrukturmaßnahmen denen zur Steuerreform, die längst hätte vorgelegt werden sollen. Thompson erinnert in diesem Zusammenhang an den Versuch, Obamacare abzuschaffen – nach dem Abstimmungserfolg, den Trump mühsam im zweiten Anlauf im Repräsentantenhaus durchsetzen konnte, liegt die erneute Reform der Gesundheitsversicherung nun im Senat: „Several GOP senators say they may not repeal Obamacare this year – or ever. It is as if, after seven years of protesting Obamacare, the party lost the muscle memory to publicly defend and enact legislation.”
Außen- und Sicherheitspolitik
Kommentare
Josef Braml
Mit Sicherheit gefährlich. Mit seinen Strafzöllen hebelt Trump auch die US-Gewaltenkontrolle und die internationale Ordnung aus
DGAPkompakt 6, 14. März 2018
„US-Präsident Donald Trump setzt nicht nur handelspolitische Ziele durch, indem er seine Strafzölle auf Stahl und Aluminium mit der nationalen Sicherheit begründet. In der NATO gleichen die Zölle einem Erpressungsmanöver und für die Welthandelsorganisation (WTO) sind sie ein Präzedenzfall, der sie obsolet machen könnte. Im eigenen Land hebelt Trump damit die Gewaltenkontrolle aus und der Kongress wird ihn nicht einmal stoppen. Dennoch sollten Deutschland und Europa nicht mit Retourkutschen reagieren.“ (Zusammenfassung)
Jeffrey D. Sachs, interviewt von Anja Papenfuß
„Ich würde nicht darauf wetten, dass Trump in einem Jahr noch Präsident ist“
Internationale Politik und Gesellschaft, 13. Juni 2017
Jeffrey D. Sachs hält den US-Präsidenten für „ökonomisch völlig inkompetent“. Im Kontrast zu dessen handelspolitischen Ankündigungen bewertet er den politischen und wirtschaftlichen Umgang Deutschlands mit der Globalisierung als im „Großen und Ganzen“ gut. Sachs, Professor für Sustainable Development, Health Policy und Management, Direktor des Earth Institutes an der Columbia University in New York und Special Adviser des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für die Millennium Development Goals, fordert die Weltgemeinschaft auf, sich nicht von dem Rückzug der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen beeindrucken zu lassen. „Es interessiert auch niemanden, ob Trump an den Klimawandel glaubt oder nicht. Er ist in dieser Hinsicht ungefähr der ignoranteste Mensch, den ich kenne. Seine Ansichten werden niemanden dazu bringen, die Evidenz für den Klimawandel anzuzweifeln.“ Die Tage Trumps im Amt hält er ohnehin für gezählt: „Ich würde nicht darauf wetten, dass er in einem Jahr noch Präsident ist. Ich stelle mir kein bestimmtes Szenario vor, aber er treibt alle in den Wahnsinn.“
Nathan Hultman
The galvanized world response to Trump’s Paris Agreement decision
Brookings Institution, 7. Juni 2017
Der Rückzug aus dem Pariser Klimaschutzabkommen sei ein großer Fehler, schreibt Nathan Hultman. Die USA geben seiner Einschätzung nach damit ihre globale Führungsrolle auf und statt die eigene Wirtschaft klimagerecht weiter zu modernisieren, werde sie von Trump zurück in das 19. Jahrhundert gesteuert. Die Rede des Präsidenten sei durch Unwahrheit und Fehlinterpretationen geprägt gewesen. Im Ergebnis sei die Koalition derjenigen, die sich für den Klimaschutz einsetzten, global nur noch fester geworden, während sich gleichzeitig im Inland die Unterstützung für das Pariser Abkommen formiert habe.
Aus der Annotierten Bibliografie
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