Selbstverständnis versus Wirklichkeit. Die US-Gesellschaft und ihre politische Kultur in Kurzrezensionen
In seinem Buch „Der Mythos Amerika“ beschreibt Manfred Henningsen einen Amerikanismus, der weder „die Zerstörung der indianischen Lebenswelten“ noch die Institution der Sklaverei und den Rassismus als Erblast anerkenne. Damit verstellten sich die Bürgerinnen und Bürger selbst bis heute den ehrlichen Blick auf das eigene Land und lebten mit einer „Diskrepanz zwischen symbolischem Selbstverständnis und gesellschaftlicher Wirklichkeit.“ Wie ein Blick auf die Literatur zeigt, ist diese gesellschaftliche Wirklichkeit tatsächlich geprägt von großer Ungleichheit – nicht nur, aber vor allem zu Lasten der afroamerikanischen Bevölkerung.
In seinem Buch „Der Mythos Amerika“ beschreibt Manfred Henningsen einen Amerikanismus, der weder „die Zerstörung der indianischen Lebenswelten“ noch die Institution der Sklaverei und den Rassismus als Erblast anerkenne. Damit verstellten sich die Bürgerinnen und Bürger selbst bis heute den ehrlichen Blick auf das eigene Land und lebten mit einer „Diskrepanz zwischen symbolischem Selbstverständnis und gesellschaftlicher Wirklichkeit.“ Wie ein Blick auf die Literatur zeigt, ist diese gesellschaftliche Wirklichkeit tatsächlich geprägt von großer Ungleichheit – nicht nur, aber vor allem zu Lasten der afroamerikanischen Bevölkerung.
Joseph Stiglitz, der 2001 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten hat, gehört zu denjenigen, die seit vielen Jahren und dabei auch während der Amtszeiten von Präsident Obama engagiert gegen die soziale Ungleichheit anschreiben. Diese könnte sehr wohl mit geeigneten politischen Mitteln begegnet werden, so seine Position, was neben Gründen der Gerechtigkeit auch geboten sei, um die Zukunft des Landes zu sichern.
Soziale Rechte werden allgemein aber geringgeschätzt, wie Britta Grell und Christian Lammert in ihrer Einführung in die „Sozialpolitik in den USA“ zeigen. Arbeitslosigkeit und Armut gelten als persönliche Angelegenheit. Die im Vergleich zu anderen OECD-Staaten schwach entwickelten Sozialleistungen seien aber nicht nur in der politischen Kultur der Eigenverantwortung begründet, sondern vor allem auch in dem eher nur losen Zusammenhalt einer sozial heterogenen Gesellschaft, in der der Rassismus deutlich nachwirke. Mit der Ablehnung eines Ausbaus sozialer Leistungen werde, so zitieren Grell und Lammert verschiedene Autoren, den Afroamerikaner*innen zugleich die volle Integration verwehrt.
Alice Goffman geht in ihrer Beobachtung der sozialen Wirklichkeit in „On the Run“ noch einen Schritt weiter: Die Armen und damit vor allem die Afroamerikaner würden kriminalisiert und unter dem Deckmantel der Strafjustiz repressiv unterdrückt. Diese Mechanismen der Diskriminierung stehen in einer langen Tradition, wie Manfred Berg in „Lynchjustiz in den USA“ schildert: Anders als in den europäischen Staaten habe sich das Gewaltmonopol des Staates nur schwach ausgebildet, woraus auch in der Gegenwart ein hohes Maß an privater Gewaltanwendung resultiere.
Vor diesem Hintergrund kann die – symbolische – Bedeutung der Wahl des Afroamerikaners Barack Obama zum Präsidenten nicht hoch genug eingeschätzt werden. Aber sie reichte nicht aus, um die Wunden der geschichtlich tief verwurzelten Rassendiskriminierung zu heilen, so die Feststellung in dem Sammelband „Obama and the Paradigm Shift“. Aber Obamas Anspruch sei ohnehin ein anderer und realistischer gewesen, schreibt Sebastian Emling: Er sei keinesfalls als Messias aufgetreten, sondern eher als Therapeut, der die Nation an ihre Kräfte erinnerte.
Die folgenden Kurzrezensionen berücksichtigen die deutschsprachige Literatur (inklusive einiger Übersetzungen), die überwiegend während der zweiten Amtszeit Obamas erschienen sind und soziale Brüche wie Konflikte spiegeln. Ergänzend sind unter dem Titel „Auch das ist Amerika“ Bücher über die afroamerikanische Seite der Geschichte der USA im 20. Jahrhundert zusammengestellt.
Lynchjustiz in den USA
Hamburg: Hamburger Edition 2014; 275 S.; 32,- €; ISBN 978-3-86854-273-8Obama and the Paradigm Shift. Measuring Chance
Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2012 (American Studies 225); 301 S.; hardc., 42,- €; ISBN 978-3-8253-6069-6Von "In God We Trust" zu "Yes We Can". Wandel und Neukonzeption des Untersuchungsfeldes Religion und Politik in den USA am Beispiel des Wahlkampfes Barack Obamas
Berlin: Lit 2013 (Interdisziplinäre Studien zu Politik und Religion 2); 512 S.; 499 €; ISBN 978-3-643-11926-1Um das Sicherheits- und Wohlstandsinteresse seiner Bevölkerung langfristig zu wahren, müsse Europa in wichtigen weltpolitischen Fragen gemeinsam auftreten und seine Kräfte bündeln. Doch es gebe zu viele mitsprache- und vetoberechtigte Mitgliedstaaten, deren Interessen außerdem stark divergieren. Um diese Selbstblockade zu überwinden, hält Winfried Veit es für notwendig, die Zahl der vetoberechtigten Mitgliedstaaten zu senken. Wenige, aber gewichtige europäische Staaten sollten sich zu einem Kerneuropa zusammenschließen, das seine Außen- und Sicherheitspolitik vergemeinschaftet.
Wie viel Ungleichheit verträgt die Demokratie? Armut und Reichtum in den USA
Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2003 (Nordamerikastudien 17); 308 S.; kart., 34,90 €; ISBN 3-593-37244-4On the Run. Die Kriminalisierung der Armen in Amerika. Aus dem Englischen von Noemi von Alemann, Gabriele Gockel und Thomas Wollermann
München: Verlag Antje Kunstmann 2015 ; 368 S. ; 22,95 €; ISBN 978-3-95614-045-7The United States as a Divided Nation. Past and Present
Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2014 (Prager Schriften zur Zeitgeschichte und zum Zeitgeschehen 7); 319 S.; hardc., 64,95 €; ISBN 978-3-631-65108-7Sozialpolitik in den USA. Eine Einführung
Wiesbaden: Springer VS 2013 (Lehrbuch); 303 S.; 29,95 €; ISBN 978-3-531-18133-2Obamas politischer Körper
Berlin: Berlin University Press 2009; 569 S.; geb., 29,90 €; ISBN 978-3-940432-76-6Der Mythos Amerika
Frankfurt a. M.: Eichborn 2009 (Die andere Bibliothek 255); 357 S.; 32,- €; ISBN 978-3-8218-4595-1Amerika! Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke und Gregor Seferens
Berlin: Siedler Verlag 2013; 621 S.; Ln., 34,99 €; ISBN 978-3-8275-0023-6Wahnsinn Amerika. Innenansichten einer Weltmacht
München/Zürich: Piper 2012; 287 S.; 3. Aufl.; geb., 18,99 €; ISBN 978-3-492-05531-4Tea Party. Die weiße Wut. Was Amerikas Neue Rechte so gefährlich macht
München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2012; 279 S.; 14,90 €; ISBN 978-3-423-24904-1Die Erben des Malcolm X. Afroamerikanische Muslime zwischen Widerstand und Anpassung
Bielefeld: transcript Verlag 2015 (global local Islam); 359 S.; 34,99 €; ISBN 978-3-8376-2668-1Der Wandel ist machbar. Manifest für ein neues Amerika. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Sandra H. Lustig und Ina Goertz
München: oekom verlag 2013; 250 S.; 19,95 €; ISBN 978-3-86581-438-8Ohne Gnade. Polizeigewalt und Justizwillkür in den USA. Aus dem Amerikanischen von Jürgen Neubauer
München/Berlin/Zürich: Piper 2015; 413 S.; geb., 20,- €; ISBN 978-3-492-05722-6Reich und Arm. Die wachsende Ungleichheit in unserer Gesellschaft. Aus dem amerikanischen Englisch von Thorsten Schmidt
Berlin: Siedler Verlag 2015; 512 S.; geb., 24,99 €; ISBN 978-3-8275-0068-7Der Preis der Ungleichheit. Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht. Aus dem amerikanischen Englisch von Thorsten Schmidt
München: Pantheon 2014; 541 S.; 14,99 €; ISBN 978-3-570-55240-7Barack Obama gegen John McCain. Neue Strategien im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2008?
Marburg: Tectum Verlag 2009; 284 S.; pb., 24,90 €; ISBN 978-3-8288-9978-0Barack Obama und die Macht der Worte
Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2010; 243 S.; 24,95 €; ISBN 978-3-531-17505-8
Außen- und Sicherheitspolitik
Weitere Literatur
Sina Arnold
Das unsichtbare Vorurteil. Antisemitismusdiskurse in der US-amerikanischen Linken nach 9/11
Verlag Hamburger Edition 2016
Edward Ashbee / John Dumbrell (Eds.)
The Obama Presidency and the Politics of Change
Basingstoke, Palgrave Macmillan 2017
Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.)
Black America
Bonn, Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 12/2018)
Michael Butter / Astrid Franke / Horst Tonn (Hg.)
Von Selma bis Ferguson – Rasse und Rassismus in den USA
Bielefeld, Transcript Verlag 2016
Patrisse Khan-Cullors / Asha Bandele
When They Call You a Terrorist: A Black Lives Matter Memoir
New York, St. Martin's Press 2018
Christian Lammert / Markus B. Siewert / Boris Vormann (Hrsg.)
Handbuch Politik USA
Wiesbaden, VS Verlag für Sozialwissenschaften 2016
Christopher J. Lebron
The making of Black lives matter. A brief history of an idea
New York, Oxford University Press 2017
Sanford V. Levinson, Joel Parker, Melissa S. Williams (Hrsg.)
American Conservatism
Baden-Baden, Nomos Verlag in Gemeinschaft mit NYU Press 2016
George Packer
Die Abwicklung. Eine innere Geschichte des neuen Amerika
Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag 2014
Charlotte Potts
Protest im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Tea Party und Occupy im Vergleich
Baden-Baden, Nomos Verlag 2016
Aus der Annotierten Bibliografie
Auch das ist Amerika. Die afroamerikanische Seite der Geschichte
zum Thema
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Das unsichtbare Vorurteil. Antisemitismusdiskurse in der US-amerikanischen Linken nach 9/11
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The Obama Presidency and the Politics of Change
Basingstoke, Palgrave Macmillan 2017
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Bielefeld, Transcript Verlag 2016
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When They Call You a Terrorist: A Black Lives Matter Memoir
New York, St. Martin's Press 2018
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Handbuch Politik USA
Wiesbaden, VS Verlag für Sozialwissenschaften 2016
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The making of Black lives matter. A brief history of an idea
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Die Abwicklung. Eine innere Geschichte des neuen Amerika
Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag 2014
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Protest im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Tea Party und Occupy im Vergleich
Baden-Baden, Nomos Verlag 2016