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Analyse / 30.10.2024

It’s the economy, stupid? Die wirtschaftspolitischen Programme von Harris und Trump und die Rolle der wirtschaftlichen Situation für die Demokratie in den USA

Foto: Investing in America event at Pittsburgh, PA with Vice President Kamala Harris on 20 February 2024. https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/97/Investing_in_America_event_at_Pittsburgh%2C_PA_with_Vice_President_Kamala_Harris_on_20_February_2024_-_17.jpg

Warum spiegelt sich die positive wirtschaftliche Bilanz der Biden-Administration nicht in den Umfragewerten der Demokraten wider? Wie sehen die wirtschaftspolitischen Programme von Harris und Trump aus? Und welche Rolle spielt soziale Ungleichheit als Erklärungsfaktor für den Trumpismus? Christian Lammert, Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Politische Systeme Nordamerikas an der FU Berlin, mit Antworten auf die wichtigsten ökonomischen Fragen wenige Tage vor der US-Wahl.

Eine Analyse von Christian Lammert

Die bevorstehenden Wahlen in den USA im Jahr 2024 stehen im Zeichen tiefgreifender gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Spannungen. Die Umfragen zeigen momentan ein Kopf-an-Kopf Rennen zwischen der Kandidatin der Demokratischen Partei – Kamala Harris und ihrem Herausforderer der Republikaner – Donald Trump. Traditionell stehen wirtschaftspolitische Themen im Wahlkampf ganz oben auf der Agenda der Wähler*innen. Ein Blick auf die vergangenen Präsidentschaftswahlen zeigt, dass eine gute wirtschaftliche Entwicklung der amtierenden Administration die Chancen wiedergewählt zu werden, normalerweise erhöht. Aber dieser Zusammenhang scheint so nicht mehr zu funktionieren. Zwar kann von einer eindeutig positiven wirtschaftspolitischen Bilanz der Biden-Administration gesprochen werden, die sich in makroökonomischen Kennzahlen wie dem BIP-Wachstum und der Arbeitslosenquote ausdrückt. Allerdings spiegeln sich diese Erfolge nicht in besseren Umfragewerten der Demokraten wider. Dieses Paradox steht im Zentrum der folgenden Überlegungen. Welche Rolle spielt die Wirtschaft im laufenden Wahlkampf und wie werden ökonomische Probleme von den beiden Kampagnen aufgegriffen? Diese Frage soll vor dem Hintergrund des generellen Zustandes der Demokratie in den USA erörtert werden.

Wirtschaftliche Bilanz der Biden-Administration

Die wirtschaftliche Bilanz der Biden-Administration seit ihrem Amtsantritt im Januar 2021 ist von Licht und Schatten geprägt. Unter Präsident Biden hat sich der Arbeitsmarkt in den USA deutlich erholt. Die Arbeitslosenquote sank von 6,3% im Januar 2021 auf 3,8% im August 2023, was nahe am Vor-Pandemie-Niveau liegt.[1] Zudem wurden in dieser Zeit über 13 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen.[2] Das Wirtschaftswachstum zeigte sich robust, mit einem BIP-Wachstum von 5,9% im Jahr 2021, 2,1% im Jahr 2022, 2,5% im Jahr 2023 und übertraf damit die meisten Erwartungen.[3] Nach der jüngsten Senkung der Leitzinsen durch die US-Zentralbank dürfte sich diese Entwicklung weiter fortsetzen.

Eine der größten wirtschaftlichen Herausforderungen der Biden-Administration war die hohe Inflation. Die Inflationsrate stieg zeitweise auf über 9%, den höchsten Stand seit 40 Jahren. Und obwohl sie sich mittlerweile auf etwa 3% abgeschwächt hat, bleiben die gestiegenen Lebenshaltungskosten für viele US-Bürger*innen ein Problem.

Die Biden-Administration hat mehrere große Investitionspakete auf den Weg gebracht. Dazu gehört der Infrastructure Investment and Jobs Act[4] mit einem Volumen von 1,2 Billionen Dollar für Infrastrukturprojekte, der Inflation Reduction Act mit Investitionen von 369 Milliarden Dollar in klimafreundliche Technologien[5] und letztendlich der CHIPS and Science Act zur Förderung der heimischen Halbleiterindustrie.[6] Diese Gesetze zielen darauf ab, die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der USA zu stärken und Arbeitsplätze zu schaffen. Auf der negativen Seite hat die expansive Fiskalpolitik der Biden-Administration zu einem weiteren Anstieg der Staatsschulden geführt.[7] Das Haushaltsdefizit belief sich im Fiskaljahr 2022 auf 1,38 Billionen Dollar.[8] Die Gesamtstaatsschulden überstiegen erstmals die Marke von 31 Billionen Dollar.[9]

In der Handelspolitik setzte die Biden-Administration teilweise den protektionistischen Kurs der Trump-Ära fort, insbesondere gegenüber China. Gleichzeitig bemühte sie sich um eine Verbesserung der Beziehungen zu traditionellen Verbündeten in Europa und Asien. Insgesamt zeigt die wirtschaftliche Bilanz der Biden-Administration eine gemischte Entwicklung. Während der Arbeitsmarkt und das Wirtschaftswachstum positiv zu bewerten sind, bleiben die hohe Inflation, steigende Staatsschulden und geopolitische Spannungen Herausforderungen für die US-Wirtschaft.

Ökonomische Einschätzung der Bürger*innen

Trotz der insgesamt positiven makro-wirtschaftlichen Indikatoren zeigen Umfragen, dass ein Großteil der US-Bürger*innen die wirtschaftliche Lage negativ bewertet:[10] Viele empfinden die Preissteigerungen, insbesondere bei Lebensmitteln und Energie, als weiterhin belastend. Ein Teil der Bevölkerung hat das Gefühl, dass die wirtschaftliche Erholung an ihnen vorbeigeht. Dies führt zu einer Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der wirtschaftlichen Realität durch die Bevölkerung und den offiziellen Statistiken.

Dass die negative Einschätzung der wirtschaftlichen Situation nicht nur eine gefühlte Wahrheit ist, zeigt die Tatsache, dass die Kaufkraft in den letzten Jahren in Folge der Pandemie, der Krise globaler Lieferketten und hoher Energiepreise enorm gelitten hat. Obwohl die Inflationsrate zurückgegangen ist, sind die Preise vieler Güte noch hoch, insbesondere für Lebensmittel.[11] Die Biden-Administration wird oft für diese Situation verantwortlich gemacht, insbesondere wegen ihrer expansiven Fiskalpolitik. Kritiker*innen argumentieren, dass die massiven Konjunkturpakete die Inflation angeheizt und zu einer Überhitzung der Wirtschaft geführt hätten. Die Fokussierung der Reformpakete auf erneuerbare Energien und die Einschränkung der fossilen Brennstoffindustrie werden für die gestiegenen Energiepreise verantwortlich gemacht. Und auch verschärfte Umwelt- und Arbeitsvorschriften werden in der öffentlichen Diskussion als Belastung für Unternehmen angesehen.

Die Wahrnehmung der Inflation bleibt also negativ, auch wenn die Rate deutlich sinkt. Trotz Lohnsteigerungen fühlen viele Haushalte, dass ihr Einkommen nicht mit den Lebenshaltungskosten Schritt hält. Ein Blick auf die Reallöhne zeigt dann auch, dass die Kaufkraft vieler Bürger*innen trotz steigender Lohneinkommen nicht wesentlich zugenommen hat.[12] Ängste vor einer möglichen Rezession bleiben bestehen. Es zeigen sich vermehrt Sorgen um die langfristige wirtschaftliche Stabilität und soziale Mobilität in den USA.[13]

Hinzu kommt zu diesen eher kurzfristigen ökonomischen Problemen, dass die Ungleichheit in der Einkommens- und Wohlstandsverteilung in den Vereinigten Staaten sich in den letzten Jahrzehnten verschärft hat und zu einem zentralen Thema im aktuellen Präsidentschaftswahlkampf geworden ist. Die Einkommens- und Vermögensschere in den USA hat sich in den letzten Jahren weiter geöffnet. Das oberste 1% der Bevölkerung besitzt mittlerweile etwa 32% des Gesamtvermögens, während die unteren 50% nur über etwa 2% verfügen. [14]

Die Überbrückung der Kluft zwischen objektiven Wirtschaftsdaten auf der einen sowie sie massenmediale Wahrnehmung auf der anderen Seite stellt eine zentrale Herausforderung für den aktuellen Wahlkampf der Demokraten dar und spielt den Republikaner als den Herausforderern in diesem Wahlkampf in die Karten. Um diese Diskrepanz zu adressieren, müsste die Harris-Kampagne ihre Kommunikationsstrategie verbessern, um die positiven wirtschaftlichen Entwicklungen der Biden-Amtszeit effektiver zu vermitteln. Die Biden-Administration und auch die Harris-Kampagne haben jedoch Schwierigkeiten, eine kohärente und kraftvolle Botschaft zu formulieren, die ihre wirtschaftlichen Errungenschaften in den Vordergrund stellt und gleichzeitig die Ängste und Sorgen der Bevölkerung ernst nimmt. Mit dem Slogan der „opportunity economy“ versucht Kamala Harris eine solche Strategie zu entwickeln[15] und die jüngsten Umfragen deuten auch darauf hin, dass sich dies – wenn auch zögerlich – auszahlt.

Die Wirtschaftsprogramme von Harris und Trump

Im Präsidentschaftswahlkampf 2024 spielt die ökonomische Ungleichheit eine prominente Rolle. Kamala Harris und Tim Walz präsentieren in ihrem Wirtschaftsprogramm einen umfassenden Plan, um insbesondere die Kosten für die Mittelschicht zu senken und eine "Chancenwirtschaft" aufzubauen. Im Zentrum stehen dabei Steuersenkungen für die Mittelschicht, etwa durch die Wiedereinführung und Ausweitung des erweiterten Kinderfreibetrags von bis zu $3.600 pro Kind sowie die Ausweitung des „Earned Income Tax Credit“ für Arbeitnehmer*innen ohne Kinder. Darüber hinaus wollen sie die Lebensmittel- und Lebenshaltungskosten durch eine Stärkung der Lieferketten, Förderung des Wettbewerbs und Bekämpfung von Preistreiberei senken.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Senkung der Gesundheitskosten. Dazu sollen die Steuergutschriften für Krankenversicherungen aus dem „Affordable Care Act“ (Obama-Care) dauerhaft erweitert und die Obergrenzen für Insulin-Kosten und Zuzahlungen auf alle Amerikaner ausgeweitet werden. Auch die Energiekosten sollen durch Investitionen in saubere Energien und Effizienzsteigerungen gesenkt werden, wobei die Steuergutschriften für energieeffiziente Technologien in Haushalten fortgeführt werden sollen.

Ein zentrales Element des Programms ist ein massives Vorhaben zum Ausbau des Wohnungsangebots mit dem Ziel, 3 Millionen zusätzliche Wohneinheiten zu schaffen. Dies beinhaltet Anreize für den privaten Sektor sowie eine historische Anzahlung von $25.000 für Erstkäufer. Zudem sollen Kleinunternehmen und Unternehmertum mit dem ambitionierten Ziel gefördert werden, 25 Millionen neue Unternehmensgründungen anzuregen.

Das Programm umfasst des Weiteren Investitionen in Innovation und industrielle Stärke, einschließlich der Wiederbelebung der heimischen Produktion und Stärkung der industriellen Basis. Auch die Stärkung der Arbeitnehmerrechte und der Aufbau einer "Care Economy" zur Schaffung von Arbeitsplätzen im Pflegebereich sind vorgesehen.

Insgesamt zielt das Programm darauf ab, die Kosten für Familien zu senken, Arbeitsplätze zu schaffen und den Mittelstand zu stärken. Es setzt auf eine Kombination aus gezielten Steuersenkungen, Investitionen in Infrastruktur und Innovationen sowie Maßnahmen zur Stärkung des Wettbewerbs und zum Schutz der Verbraucher*innen. Damit präsentieren Harris und Walz einen umfassenden Ansatz, um die wirtschaftlichen Herausforderungen der USA anzugehen und eine breitere Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg zu ermöglichen.

Donald Trumps wirtschaftliches Programm[16] für die Präsidentschaftskampagne 2024 konzentriert sich auf mehrere Kernpunkte, die von Kritiker*innen als potenziell schädlich für die US-Wirtschaft und Verbraucher*innen angesehen werden. Im Zentrum steht Trumps Plan, hohe Zölle auf Importe zu erheben, was effektiv einer nationalen Verkaufssteuer auf importierte Waren gleichkäme und die Kosten für eine durchschnittliche Familie um fast $4.000 pro Jahr erhöhen würde. Dieser protektionistische Ansatz geht einher mit einer geplanten Rückkehr zur "America First"-Politik, die Handelskriege und weitere Zölle, insbesondere gegenüber China, vorsieht.

Darüber hinaus plant Trump, den „Affordable Care Act“ abzuschaffen, was Millionen US-Bürger*innen ihrer Krankenversicherung berauben und den Schutz für Menschen mit Vorerkrankungen gefährden könnte. Im Energiesektor will er Investitionen in erneuerbare Energien zurückfahren und stattdessen auf eine Ausweitung der fossilen Energieproduktion setzen. Steuerpolitisch beabsichtigt Trump, die Steuersenkungen aus seiner ersten Amtszeit für Unternehmen und Wohlhabende beizubehalten oder sogar auszuweiten, was laut Kritiker*innen die Staatsverschuldung weiter erhöhen könnte.[17]

Ein besonders umstrittener Punkt ist Trumps kürzlich geäußerter Plan, Lebensmittelimporte zu blockieren - eine Maßnahme, die laut Expert*innen zu höheren Lebensmittelpreisen und möglichen Engpässen führen könnte, ohne die heimische Produktion signifikant zu steigern.[18] Insgesamt setzt Trumps Wirtschaftsprogramm auf einen stark protektionistischen Ansatz mit dem erklärten Ziel, die heimische Produktion zu fördern. Kritiker*innen warnen jedoch vor steigenden Kosten für Verbraucher*innen, einer Schwächung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und möglichen negativen Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum. [19] Sie argumentieren, dass Trumps Politik die Errungenschaften der letzten Jahre in Bezug auf Gesundheitsversorgung, erneuerbare Energien und internationale Handelsbeziehungen gefährden könnte.

Der Vergleich der beiden wirtschaftspolitischen Ansätze zeigt deutliche Unterschiede. Trump setzt auf eine Fortsetzung und Ausweitung seiner früheren Politik mit Steuersenkungen, Deregulierung und protektionistischen Handelsmaßnahmen. Er plant, die Unternehmenssteuern weiter zu senken, Zölle auf Importe zu erhöhen und Einwanderung stärker zu begrenzen. Harris hingegen will Steuern für Wohlhabende und Unternehmen erhöhen, um Programme für die Mittelschicht und einkommensschwache Haushalte zu finanzieren. Sie plant Investitionen in Infrastruktur, bezahlbaren Wohnraum und Kinderbetreuung sowie eine Ausweitung von Steuergutschriften.

Die Rolle der sozialen Ungleichheit als Erklärungsfaktor für den Trumpismus

Die ökonomische Ungleichheit spielte bereits eine zentrale Rolle für den populistischen Protest in den USA sowie den Wahlerfolg Trumps 2016 und hat in den letzten Jahren erheblich zur Polarisierung der politischen Landschaft beigetragen. Die zunehmende Einkommens- und Vermögensungleichheit hat das Gefühl einer "Zwei-Klassen-Gesellschaft" verstärkt. Das oberste 1% der Bevölkerung hat seinen Wohlstand stark vermehrt, während viele in der Mittel- und Arbeiterklasse stagnieren oder sogar Rückschritte erleben. Der Verlust von Arbeitsplätzen in traditionellen Industriezweigen, oft auf Globalisierung und Automatisierung zurückgeführt, hat in vielen Regionen zu einem wirtschaftlichen Niedergang geführt. Folge waren starke Ressentiments gegen das "Establishment" und internationale Handelsabkommen. Donald Trumps Slogan „Make America Great Again“ appellierte dabei an Nostalgie für eine vermeintlich bessere wirtschaftliche Vergangenheit. Einwanderer*innen werden in der Rhetorik Trumps als Konkurrenten um Arbeitsplätze und Ressourcen dargestellt. Das alles resultiert in Forderungen nach Protektionismus und einer "America First"-Politik als Reaktion auf die wahrgenommenen Nachteile der Globalisierung.

Moderate politische Positionen verlieren im Zuge der ansteigenden Polarisierung im öffentlichen Diskurs an Boden und die etablierten politischen und wirtschaftlichen Institutionen werden innerhalb der Bevölkerung zunehmend als Teil des Problems wahrgenommen. Politiker*innen, die sich als Außenseiter des Systems positionieren, gewinnen dabei an Popularität. Und das relativ offene Vorwahlsystem der Parteien in den USA, macht es einfacher für Außenseiter-Kandidaten*innen, die Nominierung der Parteien zu erlangen. So gelangen Narrative und Schuldzuweisungen eines "manipulierten Systems" in den Mainstream-Diskurs der Politik und werden von Populisten zur Mobilisierung genutzt. Dabei werden Freihandelsabkommen und Outsourcing oft als Hauptgründe für den Verlust von Arbeitsplätzen und wirtschaftliche Unsicherheit empfunden.

Die präsentierten Lösungsansätze im populistischen Diskurs sind dann recht eindeutig: Forderungen nach Handelsbeschränkungen und "Buy American"-Politiken auf der rechten politischen Seite und Vorschläge für höhere Steuern auf Großverdiener und Unternehmen, verbunden mit Versprechen, durch massive öffentliche Investitionen Arbeitsplätze zu schaffen auf der linken Seite.

Die ökonomische Ungleichheit hat somit einen fruchtbaren Boden für populistische Bewegungen geschaffen, die komplexe wirtschaftliche Probleme oft mit einfachen Lösungen und klaren Feindbildern zu adressieren. Diese Dynamik hat die politische Debatte in den USA grundlegend verändert und wird voraussichtlich auch in Zukunft eine wichtige Rolle in der US-amerikanischen Politik spielen.

Die Krise des politischen Systems und die Erosion des Vertrauens

Das politische System der Vereinigten Staaten befindet sich in einer tiefgreifenden Vertrauenskrise. Diese manifestiert sich in einer zunehmenden Erosion des Bürgervertrauens in politische Institutionen und gefährdet die Grundlagen der repräsentativen Demokratie.[20] Die extreme politische Polarisierung hat zu einer Spaltung der Gesellschaft[21] und in einem noch größeren Ausmaß der politischen Eliten geführt.[22] Dies erschwert die Konsensfindung und untergräbt das Vertrauen in die Fähigkeit der politischen Akteure, überparteilich zu agieren. Die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich hat bei vielen Bürger*innen zu einem Gefühl der Entfremdung vom politischen System geführt. Die Fragmentierung der Medienlandschaft und die Verbreitung von Fehlinformationen haben zu einer Erosion des gemeinsamen Faktenfundaments beigetragen. Unklare Zuständigkeiten, fehlende Koordinierung zwischen Bundesstaaten und lokalen Behörden sowie Entscheidungsunfähigkeit auf nationaler Ebene haben das Vertrauen in die Effektivität des politischen Systems untergraben.

Der Aufstieg populistischer Bewegungen, insbesondere des Rechtspopulismus US-amerikanischer Prägung, ist eine direkte Folge dieser Vertrauenskrise. Krisen wie die COVID-19-Pandemie werden in einem beispiellosen Ausmaß politisiert, was die Spaltung der Gesellschaft weiter vertiefte. Eine wachsende Skepsis gegenüber Wissenschaft und Expert*innen erschwert faktenbasierte Politikentscheidungen. Die Vertrauenskrise erschwert die effektive Regierungsführung und die Umsetzung notwendiger Reformen. Die Legitimität demokratischer Entscheidungen wird dadurch zunehmend in Frage gestellt.

Die Wiederherstellung des Vertrauens in politische Institutionen ist eine zentrale Herausforderung für die Zukunft der amerikanischen Demokratie. Dies erfordert tiefgreifende Reformen, die darauf abzielen, die politische Polarisierung abzubauen und den überparteilichen Dialog zu stärken. Dazu muss die ökonomische Ungleichheit reduziert, die soziale Mobilität gefördert und die Medienkompetenz der Bürger gestärkt werden, um gegen Desinformation und Fake-News gewappnet zu sein.

Fazit: Die Zukunft der US-amerikanischen Demokratie

Die bevorstehenden Wahlen in den USA werden nicht nur über die zukünftige Ausrichtung der amerikanischen Wirtschaftspolitik entscheiden, sondern auch darüber, ob das politische System in der Lage ist, die Herausforderungen sozialer Ungleichheit und politischer Polarisierung zu bewältigen. Die wirtschaftspolitischen Programme von Kamala Harris und Donald Trump bieten zwei sehr unterschiedliche Visionen für die Zukunft Amerikas, aber beide müssen sich mit der tief verwurzelten sozialen Ungleichheit auseinandersetzen, die das politische System destabilisiert und das Vertrauen der Bevölkerung in die Demokratie untergräbt.

Die Frage, die sich stellt, ist, ob die US-amerikanische Demokratie in der Lage sein wird, die gegenwärtige Krise zu überwinden und eine gerechtere und inklusivere Gesellschaft zu schaffen. Dazu wird es notwendig sein, das Vertrauen der Bevölkerung in die politischen Institutionen wiederherzustellen und eine Wirtschaftspolitik zu verfolgen, die das Wohlstandsniveau breiter Bevölkerungsschichten anhebt und die Kluft zwischen Arm und Reich verringert.

Die Wahl 2024 könnte sich als entscheidender Moment für die Demokratie in den USA erweisen. Sie wird darüber entscheiden, ob die Vereinigten Staaten den Weg des Populismus und der Polarisierung weitergehen oder ob eine Rückkehr zu einer Politik möglich ist, die auf Konsens und dem Versprechen sozialer Aufstiegschancen basiert. Unabhängig vom Wahlausgang wird die zukünftige Regierung vor der enormen Aufgabe stehen, die Demokratie zu stabilisieren und den sozialen Zusammenhalt wiederherzustellen. Nur so kann die Gesellschaft die Herausforderungen der Zukunft erfolgreich meistern und ihren führenden Platz in der globalen Ordnung behaupten.


Anmerkungen: 

[1] U.S. Bureau of Labor Statistics. (2023). Labor Force Statistics from the Current Population Survey.

[2] U.S. Bureau of Labor Statistics. (2023). Employment Situation Summary.

[3] U.S. Bureau of Economic Analysis. (2023). Gross Domestic Product.

[4] The White House. (2021). Fact Sheet: The Bipartisan Infrastructure Deal.

[5] U.S. Congress. (2022). H.R.5376 - Inflation Reduction Act of 2022

[6] U.S. Congress. (2022). H.R.4346 - CHIPS and Science Act of 2022.

[7] U.S. Department of the Treasury. (2023). Monthly Treasury Statement.

[8] Congressional Budget Office. (2023). The Budget and Economic Outlook: 2023 to 2033.

[9] Federal Reserve Bank of St. Louis. (2023). Federal Debt: Total Public Debt.

[10] Pew Research Center. (2024). Economic Attitudes and Perceptions in the United States.

[11] Congressional Budget Office. (2023). The Budget and Economic Outlook: 2023 to 2033.

[12] Global wage report 2022-23: the impact of inflation and COVID-19 on wages and purchasing power (1st ed.). (2022). ILO. https://doi.org/10.54394/ZLFG5119.

[13] Chetty, Raj, et al. "The Fading American Dream: Trends in Absolute Income Mobility Since 1940." Science, vol. 356, no. 6336, 2017, pp. 398-406. DOI: 10.1126/science.aal4617.

[14] Saez, Emmanuel, and Gabriel Zucman. "The Rise of Income and Wealth Inequality in America: Evidence from Distributional Macroeconomic Accounts." Journal of Economic Perspectives, vol. 34, no. 4, Fall 2020, pp. 3-26. DOI: 10.1257/jep.34.4.3

[15] Harris, K. (2024). A Vision for America's Future: Economic Policy Proposals. Campaign Publication.

[16] Sorkin, Andrew Ross. "Trumponomics 2.0: Breaking Down Donald Trump's Economic Plan." The New York Times, September 6, 2024. https://www.nytimes.com/2024/09/06/business/dealbook/trumponomics-trump-economy.html.

[17] Tax Foundation. "Donald Trump Tax Plan Ideas: Details & Analysis." Tax Foundation, September 19, 2024. https://taxfoundation.org/research/all/federal/donald-trump-tax-plan-2024/.

[18] Chait, Jonathan. "Trump's Plan to Reduce Grocery Prices: Restrict Food Imports." New York Magazine, September 18, 2024. https://nymag.com/intelligencer/article/trumps-plan-to-reduce-grocery-prices-restrict-food-imports.html

[19] Craven, Stephen. "Trump's second term would cost Americans more at the produce aisle, candy store and coffee shop." CNN, March 21, 2024. https://www.cnn.com/2024/03/21/opinions/trump-tariffs-food-prices-craven/index.html

[20] Jones, J. M., & Saad, L. (2023). Confidence in U.S. Institutions Down; Average at New Low. Gallup News. https://news.gallup.com/poll/510778/confidence-institutions-down-average-new-low.aspx

[21] Finkel, E. J., Iyengar, S., Klar, S., Mason, L., & Willer, R. (2023). Political sectarianism in America: A destructive cycle of othering, aversion, and moralization. Science, 379(6637), eabq5535. https://doi.org/10.1126/science.abq5535

[22] Hare, C., & Poole, K. T. (2023). Polarization in Congress: Measurement and Causes. Annual Review of Political Science, 26, 173-192. https://doi.org/10.1146/annurev-polisci-041721-094215



DOI: 10.36206/AN24.5
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