Republikanischer Sieg auf ganzer Linie: die USA nach der Kongresswahl
Im Schatten der US-Präsidentschaftswahlen drohen die Kongresswahlen in der öffentlichen Aufmerksamkeit unterzugehen. US-Experte Michael Kolkmann (Universität Halle-Wittenberg) schildert die Ausgangslage vor der Wahl und fasst die Ergebnisse für Senat und Repräsentantenhaus zusammen. Anschließend ordnet er das Ergebnis in den Kontext des politischen Systems der USA ein, um den legislativen Handlungsspielraum von Präsident Trump abzuschätzen.
Eine Analyse von Michael Kolkmann
Traditionell liegt das Augenmerk der interessierten politischen Öffentlichkeit auf dieser Seite des Atlantiks auf der US-Präsidentschaftswahl. In deren Schatten hat aber auch in diesem Jahr eine Kongresswahl stattgefunden, bei der das gesamte US-Repräsentantenhaus sowie ein Drittel des US-Senats neu gewählt wurden. Gemäß der Funktionslogik des präsidentiellen politischen Systems der Vereinigten Staaten entscheidet nicht zuletzt der Kongress über die Handlungsspielräume des alten und neuen US-Präsidenten Donald J. Trump. Daher empfiehlt es sich, nicht nur auf das Weiße Haus, sondern auch zum Capitol Hill zu blicken, um abzuschätzen, was in den kommenden beiden Jahren in der US-amerikanischen Politik bis zur nächsten Kongresswahl im November 2026 zu erwarten ist. Im Folgenden sollen nach einer kurzen Skizze der Ausgangsbasis vor der Wahl das Wahlergebnis zusammengefasst und die künftigen möglichen inhaltlichen Schwerpunkte der Arbeit des Kongresses erläutert werden. Schließlich folgt eine Verortung der Arbeit des Kongresses innerhalb des politischen Systems der Vereinigten Staaten, um den erwähnten potenziellen Handlungsspielraum des Präsidenten einschätzen zu können.
Rückblick auf die vergangenen beiden Jahre
Der am 3. Januar 2025 an ein Ende kommende 118. Kongress (2023-2025) bot eine Reihe von besonderen Ereignissen. Zunächst benötigte der Kandidat der Republikaner für das Amt des Parlamentspräsidenten („Speaker“), Kevin McCarthy (Kalifornien), im Januar 2023 bemerkenswerte 15 Wahlgänge, um eine Mehrheit seiner eigenen Parteikolleg*innen hinter sich zu versammeln.[1] Grundlage des schlussendlichen Erfolges war eine Reihe von Zugeständnissen McCarthys an Mitglieder des ultrakonservativen „Freedom Caucus“ innerhalb der republikanischen Fraktion – im Gegenzug machten sie McCarthy zum Speaker. Seit dem Jahr 1923 war der Speaker stets im ersten Wahlgang gewählt worden. Anders als etwa der Bundestagspräsident stellt der Speaker das höchste Amt der Mehrheitspartei im Repräsentantenhaus dar und verfügt über eine ganze Reihe von Instrumenten, um den parlamentarischen Prozess im Sinne seiner Partei steuern zu können.
Nur etwas mehr als ein halbes Jahr später wurde McCarthy am 3. Oktober 2023 mit 216 zu 210 Stimmen als Speaker bereits wieder abgewählt. In der Geschichte der Vereinigten Staaten stellt dies ein Novum dar: Nie zuvor war ein Speaker des Repräsentantenhauses überhaupt abgewählt worden. Ende Oktober nominierte die Republikanische Fraktion dann Mike Johnson (Louisiana) für das einflussreiche Amt. Zuvor war es drei anderen Kandidaten nicht gelungen, die nötigen Stimmen zu erhalten, Johnson wurde somit der vierte Kandidat. In der Abstimmung Ende Oktober erhielt er letztendlich 220 der 429 Stimmen und wurde damit zum Speaker gewählt.[2]
Der 118. Kongress wird von politischen Beobachter*innen als einer der am wenigsten produktiven Kongresse seit der Great Depression angesehen. In seinen zwei Jahren wurden weniger als 40 Gesetzesvorhaben verabschiedet, während es im Kongress zuvor, der von den Demokraten dominiert wurde, mehr als 300 waren.[3] Nicht zufällig liegt die öffentliche Zustimmung zur Arbeit des Parlaments gegenwärtig bei gerade einmal 13 Prozent.[4]
Die Ausgangslage der Wahl 2024
Vor der Kongresswahl vom 5. November 2024 kamen die Demokraten im Senat auf eine knappe Mehrheit von 51 (von 100) Sitzen. Zu diesen 51 Mitgliedern des Senats gehörten mit Angus S. King (Maine), Joe Manchin (West Virginia), Bernie Sanders (Vermont) und Kyrsten Sinema (Arizona) vier offiziell unabhängige Senator*innen, die aber in der Regel mit den Demokraten stimmten. Die Republikaner ihrerseits kamen auf 49 Sitze. In den beiden Jahren zuvor (2021-2023) war das Verhältnis der Sitzverteilung im Senat 50 zu 50. Bei Stimmengleichstand in Abstimmungen des Senats entscheidet die Stimme der Vizepräsidentin. Insgesamt 33 Mal, davon 26 Mal in den ersten beiden Jahren der Präsidentschaft von Joe Biden, war daher Vizepräsidentin Kamala Harris das Zünglein an der Waage.[5]
Bereits vor der Wahl war klar, dass die Verteidigung der Mehrheit für die Demokraten eine außerordentliche Herausforderung darstellen würde, denn sie mussten von den 33 zur Wahl stehenden Sitzen insgesamt 23 Sitze verteidigen. Die Republikaner benötigten für eine Mehrheit hingegen den Gewinn eines weiteren Sitzes, falls der neue Vizepräsident ein Republikaner sein würde, bzw. zwei Sitze, falls dieser ein Demokrat sein würde.
Hintergrund dieser Ausgangslage ist, dass die Senator*innen in drei Klassen eingeteilt sind, die der Reihe nach zur Wiederwahl anstehen: In diesem Jahr musste sich die Klasse 1 der Wiederwahl stellen. Gewählt werden die Mitglieder des Senats auf sechs Jahre, aber bedingt durch die Klasseneinteilung steht alle zwei Jahre ein Drittel der Senator*innen zur Wahl.
Neben den regulären Wahlen zum Senat fanden am 5. November zudem zwei Nachwahlen („special elections“) statt. Zum einen in Kalifornien, wo es um die Nachfolge der verstorbenen Dianne Feinstein ging, zum anderen in Nebraska, wo ein Nachfolger für Senator Ben Sasse gesucht wurde, der sein Amt im Januar 2023 zur Verfügung gestellt hatte, um Präsident der University of Florida zu werden.
Zur Wahl stand ebenfalls das gesamte Repräsentantenhaus mit seinen gesetzlich festgelegten 435 Mitgliedern. Hier kamen die Republikaner vor der Wahl auf eine knappe Mehrheit von 222 Sitzen, bis zur Wahl war diese Zahl – etwa durch Rücktritt – auf 220 gesunken. Für die Mehrheit in der Kammer werden 218 Stimmen benötigt, die Republikaner lagen zuletzt also nur äußerst knapp über dieser Marke. Die Demokraten kamen in den beiden vergangenen Jahren im Repräsentantenhaus auf 213 Mitglieder. Laut Umfragen im Vorfeld der Wahl wurde ein äußerst knappes Rennen erwartet, viele Beobachter*innen hielten einen Vorsprung von weniger als fünf Mandaten, für eine der beiden Parteien, für wahrscheinlich.
Das Wahlergebnis im Detail
Die Republikaner gewannen mit relativ knappen Mehrheiten sowohl den Senat als auch das Repräsentantenhaus und kontrollieren somit beide Kammern des Kongresses. Bei der Senatswahl gelang es ihnen die bislang von den Demokraten gehaltenen Sitze in West Virginia, Ohio und Montana zu erobern. Der einzige wirkliche Lichtblick bot sich den Demokraten in Arizona, wo es Ruben Gallego gelang, die Republikanerin Kari Lake zu schlagen, obwohl der Staat in der gleichzeitig stattfindenden Präsidentschaftswahl an Donald Trump fiel. In Nevada konnte sich die Demokratin Jacky Rosen gegen den Republikaner Sam Brown durchsetzen. Zugleich hatten sich die Demokraten Hoffnungen auf Wahlerfolge in Texas und Florida gemacht, hier gelang es aber den beiden republikanischen Amtsinhabern Ted Cruz und Rick Scott, ihre Sitze zu verteidigen. In Nebraska konnte sich die republikanische Senatorin Deb Fischer knapp gegen den unabhängigen Kandidaten Dan Osborn behaupten. Im neuen 119. Kongress kommen die Republikaner somit auf 53 Sitze, die Demokraten kommen einschließlich der unabhängigen Mitglieder des Senats auf 47 Sitze. Die Demokraten schrieben zudem Geschichte, da mit Angela Alsobrooks aus Maryland und Lisa Blunt Rochester aus Delaware erstmals zwei schwarze Frauen gleichzeitig dem Senat angehören. Die Demokratin Sarah McBride aus Delaware ist zudem das erste Transgender-Mitglied des Kongresses.
Im Repräsentantenhaus, bei dem die Auszählung in manchen Wahlkreisen länger als eine Woche dauerte, haben die Republikaner ihre knappe Mehrheit behaupten können.[6] Insgesamt veränderte sich die parteipolitische Zuordnung in nur sehr wenigen Kreisen. Politische Beobachter*innen, etwa vom Cook Political Report, erwarteten im Vorfeld nur in 26 von 435 Wahlkreisen eine wirklich kompetitive Wahl, da aufgrund des regelmäßig stattfindenden Neuzuschnitts der Wahlkreise nach parteitaktischen Bestimmungsfaktoren („Gerrymandering“) die große Mehrheit der Wahlkreise bereits zuvor den Demokraten oder Republikanern zugeschrieben werden konnten.[7] Nach aktuellem Stand kommen die Republikaner auf 220 Sitze bei nur noch wenigen auszuzählenden Wahlkreisen.
Das Ergebnis im Kontext des politischen Systems der USA
Beim amerikanischen System der „checks and balances“ handelt es sich um Instrumente der Machtkontrolle und -gestaltung, die in der Gründungsphase mit dem Ziel entworfen wurden, die freiheitliche republikanische Regierungsform zu schützen, indem die Verfassungsorgane einander fortlaufend in ihre Schranken weisen. Ohne an dieser Stelle das politische System bis ins letzte Detail zu beschreiben, können die Funktionslogik sowie die wichtigsten Bestimmungsfaktoren amerikanischer Politik mit den folgenden Aspekten charakterisiert werden: Strikte Gewaltentrennung statt einer Gewaltenverschränkung, wie wir sie aus dem parlamentarischen System kennen; eine geschlossene Exekutive, in der der Präsident zugleich Regierungschef und Staatsoberhaupt ist; Inkompatibilität von Regierungsamt und Parlamentsmandat, das heißt, es ist im Präsidentialismus nicht möglich, gleichzeitig ein Parlamentsmandat und ein Regierungsamt innezuhaben; getrennte Legitimierung von Exekutive und Legislative, auch wenn sie am gleichen Tag – aber in getrennten Wahlen – gewählt werden sollten; keine Möglichkeit der Abberufung der Regierung aus politischen Gründen durch das Parlament, ebenso ist die Parlamentsauflösung durch den Präsidenten nicht möglich; hinzu kommt das Regieren mit ad-hoc-Mehrheiten, nicht selten in der Konstellation eines „divided government“, also einer Situation, bei der die politische Mehrheit im Kongress nicht derselben Partei angehört wie der Präsident.
Die konventionelle Annahme lautet, dass die Beharrungskräfte des Systems der „checks and balances“ sicherstellen würden, dass allzu extreme Tendenzen einzelner Parteien oder eines Präsidenten eingehegt und domestiziert werden. In den vergangenen Jahren hat sich jedoch herauskristallisiert, dass die Parteien im Kongress, anders als es dem Idealtyp eines präsidentiellen Systems entsprechen würde, mit hohen Zustimmungswerten zum eigenen Präsidenten aufwarten. Eine Begründung dafür ist die zunehmende parteipolitische Polarisierung, die dafür sorgt, dass die beiden großen Parteien in ideologischer Sicht homogener werden, zugleich aber voneinander wegrücken. Zum ersten Mal, seit das „National Journal“ vor mehr als 30 Jahren damit begonnen hat, Abstimmungen des Senats auszuwerten, gibt es keinen Demokraten mehr im Senat, der konservativer ist als der (links)liberalste Republikaner. Ähnliche Befunde lassen sich für das Repräsentantenhaus zusammentragen.[8]
Das politische Zentrum ist nicht kleiner geworden, es ist weitgehend verschwunden – und das, obwohl es im Kongress anders als in „parlamentarischen“ Parlamenten, lange Zeit in Sachfragen keine fest gefügte Fraktionsdisziplin gab. Zur gleichen Zeit ist die Zahl der so genannten „party unity votes“, in denen eine Mehrheit der einen Partei gegen eine Mehrheit der anderen Partei stimmt, stark angestiegen. In den letzten Jahren lag diese Zahl nach Berechnungen des „Congressional Quarterly“ bei über 80 Prozent der namentlichen Abstimmungen; in den 1960er-Jahren lag dieser Wert noch bei unter 50 Prozent. Zugleich ist diese parteipolitische Polarisierung asymmetrisch, denn auf Republikanischer Seite gab und gibt es mit der „Tea Party“ und nun mit dem „Freedom Caucus“ Gruppierungen, die nicht an Kompromissen und überparteilicher Verständigung interessiert sind, sondern politischen Stillstand in Kauf nehmen, wenn die eigenen Forderungen nicht erfüllt werden.
In diesem Kontext sind Trumps Wahlsiege 2016 und 2024 keine Sensationen, sondern das Ergebnis teilweise jahrzehntelanger Entwicklungen. So kann man mit Philipp Adorf festhalten, dass im Hinblick auf den Trumpismus nicht von „einer feindlichen Übernahme“ der Republikanischen Partei gesprochen werden kann, sondern eher von einem Abschluss ihres Transformationsprozesses, der bereits in den 1950er- und 1960er-Jahren seinen Ausgangspunkt nahm und dazu führte, dass sich die Partei ideologisch stärker nach rechts orientierte als die Demokratische Partei sich nach links bewegte.[9]
Um einen wichtigen Punkt nochmals zu betonen: Im präsidentiellen System ist die überparteiliche Koalitionsbildung von zentraler Bedeutung, denn die Funktionslogik des Systems erfordert für die Umsetzung von Gesetzesvorhaben die Zusammenarbeit von Präsident und Kongress. Doch inzwischen ist die parteipolitische Polarisierung auch im Kongress vorhanden und hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die (stark nachlassende) Kooperationswilligkeit von Republikanern und Demokraten. So kamen Norman Ornstein und Thomas E. Mann in ihrem Buch „The Broken Branch“ bereits 2006 zu dem Schluss, dass der Kongress eher wie ein „House of Commons in a parliamentary system than a House of Representatives in a presidential system“ fungiere. Die Parteien in Repräsentantenhaus und Senat würden demnach immer mehr als geschlossene Handlungseinheiten und ideologisch polarisiert in Erscheinung treten und eine überparteiliche Kompromissfindung verhindern.
Diese Diagnose wird durch empirische Befunde bestätigt, die sich auf die Auswertung der Arbeit des Kongresses der letzten Jahrzehnte stützen, wie sie etwa von den Politikwissenschaftler Paul Kane und Derek Willis durchgeführt wurde.[10] Demnach agiert der Kongress immer stärker wie ein Juniorpartner der Exekutive – oder er funktioniert gar nicht. Bestimmte Merkmale waren schon vor vielen Jahren zu beobachten, besonders deutlich zeigte sich die Entwicklung aber seit dem Jahr 2008. So gab es 2006 bei 67 Prozent aller Abstimmungen Änderungsanträge zu Gesetzesvorlagen, 2018 traf dies nur noch auf 20 Prozent zu. Die Zahl der „closed rules“, nach denen die Debatte zeitlich beschränkt ist und Änderungsanträge nicht oder nur sehr begrenzt zulässig sind, ist im Repräsentantenhaus stark angestiegen. Ausschüsse tagen im Vergleich zu 2005 und 2006 nur noch halb so häufig (Repräsentantenhaus) oder ein Viertel so häufig (Senat). Kaum ein Ausgabengesetz wird fristgemäß verabschiedet. Unter den Speakern Nancy Pelosi (D) und ihrem Vorgänger Paul Ryan (R) wurden Plenardebatten immer weiter limitiert – einhergehend mit einer Stärkung der parteipolitischen Führungen, an denen sich die Abgeordneten in ihrer alltäglichen Arbeit, insbesondere aber in ihrem Abstimmungsverhalten orientieren. Die Zahl der behandelten Gesetzesvorhaben ist so stark gesunken, dass personelle Abstimmungen, etwa die Bestätigungen von Richterberufungen, nicht mehr nur zehn Prozent aller Abstimmungen ausmachen wie noch vor einer guten Dekade, sondern 55 Prozent.
Ausblick auf den 119. Kongress
Ob es dem aktuellen Speaker Johnson gelingen wird, Anfang Januar 2025 erneut eine Mehrheit zu erringen, um im Amt verbleiben zu können, ist ungewiss. Zwar wurden seine Bemühungen um den Erhalt der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus von Trump auf der Party in der Wahlnacht positiv hervorgehoben. Aber bereits im 118. Kongress gab es den Versuch, ihn aus dem Amt zu drängen. Politisch überlebt hat Johnson nur deshalb, weil er auch von Mitgliedern der demokratischen Fraktion unterstützt wurde. Bei der abzusehenden knappen Mehrheit in dieser Kammer wird er am 3. Januar 2025, wenn der 119. Kongress erstmals zusammentritt, nahezu alle Stimmen seiner republikanischen Fraktion benötigen, um Speaker bleiben zu können.
Inhaltlich werden die Republikaner im kommenden „Unified Government“ eine ambitionierte politische Agenda verfolgen. Johnson hat in den vergangenen Monaten eng mit der Trump-Kampagne, aber auch mit seinen Counterparts im Senat an einem Plan gearbeitet, um innerhalb der ersten 100 Tage der neuen Trump-Administration möglichst viele legislative Prioritäten zu verabschieden.[11] Als warnendes Beispiel dient den Republikanern vermutlich der Start in Trumps erste Amtszeit im Jahr 2017, als vor allem aufgrund der Obstruktionsbemühungen der Abgeordneten des ultrakonservativen „Freedom Caucus“ viele Prioritäten nicht umgesetzt werden konnten, so etwa die Abschaffung der Gesundheitsreform von Barack Obama.
Zentrale Bestandteile des im Jahre 2017 verabschiedeten „Tax Cuts and Jobs Act“ (TCJA), Trumps vielleicht wichtigster legislativer Erfolg in seiner ersten Amtszeit, werden Ende 2025 auslaufen. Die Republikaner hoffen, diese Steuererleichterungen nicht nur dauerhaft verankern zu können, sondern auch weitere Bereiche einbeziehen zu können. Johnson äußerte etwa bereits seine Unterstützung für einen starken “Child Tax Credit“. Die Republikaner im Kongress verfügen auch über eine starke Rolle, wenn es darum geht, Trumps politische Prioritäten zu finanzieren. Dazu zählt etwa die verstärkte Unterstützung der Maßnahmen entlang der Grenze zu Mexiko, die Finanzierung neuer Technologien an der Grenze beim Ausbau dortiger Anlagen und die verstärkte Unterstützung der Truppen der Grenzpolizei, um die Zahl der Migrant*innen massiv zu senken.
Ein zentrales Thema wird auch die Frage der Erhöhung der Schuldengrenze sein, diese Thematik könnte noch vor Weihnachten anstehen. In den vergangenen Jahren war es wiederholt zu Konflikten auf diesem Themenfeld gekommen, insbesondere zwischen Präsidenten und Kongress und zwischen Demokraten und Republikanern bis hin zu einem kompletten „Government Shutdown“. Erfolgt also keine – temporäre oder dauerhafte – Einigung, so muss im Ernstfall die Bundesregierung schließen und ihre 800.000 Mitarbeiter*innen nach Hause schicken. Diese bedeutet, dass die Nationalparks ebenso wie die Nationalmuseen schließen müssten und kein Antrag seitens der Behörden bearbeitet werden könnte.
Des Weiteren könnte politischen Beobachter*innen zufolge die Rache Trumps an seinen Gegnern im Mittelpunkt der parlamentarischen Arbeit stehen.[12] Auch die Frage einer Begnadigung vieler Täter*innen des Aufruhrs am 6. Januar 2021 dürfte zum Thema werden. Vor allem bei denjenigen Mitgliedern des Kongresses, die sich an jenem Tag im Kapitol aufhielten und Zeug*innen der damaligen Auseinandersetzungen waren, dürften solche Bemühungen zwiespältige Gefühle auslösen. Das Potenzial zu größeren Meinungsverschiedenheiten zwischen Trump und – insbesondere – den Republikanern im Senat dürfte die Frage einer möglicherweise starken Anhebung von Zöllen haben, fürchten letztere doch negative Konsequenzen für die wirtschaftliche Situation in ihren Heimatstaaten. Auch Republikaner, die ganz grundsätzlich Anhänger einer „Free Trade“-Orientierung sind, dürften Probleme mit einer solchen Politik haben.
Schon in seiner ersten Amtszeit verlangte Trump die Abschaffung des Filibusters, mit dem die Demokraten zahlreiche Gesetze verzögern könnten. Der Filibuster stellt als Ausdruck der Minoritätsrechte einer jeden einzelnen Senator*in eine Art Dauerrede dar, die verhindern soll, dass Gesetze debattiert und beschlossen werden können. Beendet bzw. verhindert werden kann ein Filibuster nur durch die Stimmen von 60 Senatsmitgliedern – eine Zahl, auf die derzeit keine der beiden politischen Parteien kommt. Für Richterberufungen wurde das Instrument vor einigen Jahren bereits abgeschafft. Sollten in den nächsten beiden Jahren wichtige Vorlagen im parlamentarischen Prozess steckenbleiben, dürfte Trump die Forderung nach der Abschaffung dieses Instruments wieder aufgreifen. Verweisen dürfte Trump dabei auf sein eindeutiges Mandat, das ihm seiner Auffassung nach die Wähler*innen im November ausgestellt hätten und das er noch in der Wahlnacht betonte.[13]
Unabhängig von der Umsetzung von legislativen Prioritäten plant Präsident Trump gleich für den ersten Tag seiner Amtszeit eine Reihe von „Executive Orders“ (Verwaltungsvorschriften), die keine Zustimmung des Kongresses benötigen. Insbesondere wird es ihm dabei darum gehen, zahlreiche ähnliche Executive Orders aus der Amtszeit Bidens rückgängig zu machen. Auch im Blick auf die personelle Besetzung wichtiger Leitungsposten im Kongress dürfte es interessante Weichenstellungen geben. Eine zentrale Personalie haben die Republikaner noch vor dem Zusammentreten des neuen Kongresses geklärt. Nach dem Rückzug des langjährigen Minderheitsführers im Senat, Mitch McConnell, musste für diese Position ein Nachfolger gefunden werden. Am 13. November 2024 wurde John Thune (South Dakota) von seinen Fraktionskolleg*innen in dieses Amt gewählt – gegen den Widerstand von Trump, der sich für John Cornyn aus Texas bzw. Rick Scott aus Florida ausgesprochen hatte und kurz vor der Abstimmung eigens im Senat erschien, um sich für sie einzubringen.[14] Ab Januar 2025 wird Thune dann als Mehrheitsführer des neu zusammentretenden Senats fungieren.
Nicht zu unterschätzen ist auch die Rolle des Senats für die Bestätigung der vom Präsidenten vorgeschlagenen Richter*innen, Minister*innen, Botschafter*innen und andere Ämter. Die republikanische Kontrolle des Senats wird es der Trump-Administration erleichtern, auch sehr konservative Kandidaten durchzusetzen. Die Republikaner*innen in der Kammer wissen, dass sie ihre Mehrheit Trump verdanken. Zwei entscheidende Rennen, in den erwähnten Bundesstaaten Montana und Ohio, wurden von Kandidat*innen gewonnen, die sich im Wahlkampf als „Make America Great Again“-Kandidat*innen profilierten. Ein erster Test für die Republikanische Mehrheit im Senat dürften die Anhörungen von prospektiven Kabinettsmitgliedern sein. Mit Robert F. Kennedy als Gesundheitsminister und Pete Hegseth als Verteidigungsminister hat Trump kontroverse Persönlichkeiten für sein Kabinett vorgeschlagen, deren Amtsübernahme der vorherigen Zustimmung durch eine Mehrheit im Senat bedarf.[15] Sein Wunschkandidat für das Amt des Justizministers, Matt Gaetz, hatte nach Gesprächen mit republikanischen Senator*innen bereits seinen Verzicht auf den Posten erklärt.
Auf der anderen Seite des Kapitols ist die Fraktion der Republikaner im Repräsentantenhaus sehr heterogen – genau dieser Fakt hat in den vergangenen zwei Jahren dafür gesorgt, dass die Republikaner trotz knapper Mehrheit im House eine Reihe von konservativen Maßnahmen nicht verabschieden konnten. Eine zentrale Rolle käme in diesem Kontext Präsident Trump zu, der zwar kaum formale, dafür aber wirkungsvolle informelle Instrumente zur Hand hat, um die eigenen Abgeordneten zu einer für ihn positiven Stimmabgabe zu bewegen. Am Ende dürfte an der Arbeit des Kongresses in den kommenden Jahren abzulesen sein, wie stark Trump seine Partei in den vergangenen Jahren umgestaltet und auf sich verpflichtet hat. Sein Wahlsieg und seine Dominanz im rechten Medienspektrum geben Trump Instrumente an die Hand, mit denen er auch die republikanischen Abgeordneten im Kongress dominieren kann. Die für die politikwissenschaftliche Forschung im Vergleich zu den inhaltlichen Prioritäten der Republikaner wichtigere Frage lautet, ob das US-amerikanische System der „checks and balances“ resilient genug ist, um dem Machtanspruch des alten und neuen Präsidenten Trump vier weitere Jahre widerstehen zu können. Die Antwort auf diese Frage steht noch aus.
[1] Vgl. Foran, Clare / Raju, Manu / Grayer, Annie / Zanona, Melanie (07.01.2023): McCarthy Elected House Speaker After Days of Painstaking Negotiations and Failed Votes, in: CNN, online abrufbar: https://edition.cnn.com/2023/01/06/politics/mccarthy-speaker-fight-friday/index.html (abgerufen am 1. Oktober 2024).
[2] Edmondson, Catie (25.10.2023): House Speaker: Johnson Elected Speaker of the House, Ending Weeks of Chaos, in: The New York Times, online abrufbar: https://www.nytimes.com/live/2023/10/25/us/house-speaker-vote-mike-johnson (abgerufen am 1. Oktober 2024).
[3] Vgl. Hautkapp, Dirk (02.11.2024): Enges Rennen um die Macht im Kapitol, in: Das Parlament, S. 6.
[4] Vgl. Nicholson, Jonathan (15.11.2023): The Least Productive Congress Since The Great Depression, in: Huffpost, online abrufbar: https://www.huffpost.com/entry/least-productive-congress-since-great-depression_n_65553d38e4b0e4767012b6df (abgerufen am 1. Oktober 2024).
[5] Details sind hier zu finden: US Senate: Votes to Break Ties in the Senate, online abrufbar: https://www.senate.gov/legislative/TieVotes.htm (abgerufen am 15. November 2024).
[6] Vgl. Edmondson, Catie (13.11.2024): Republicans win control of House, cementing a G.O.P. Trifecta under Trump, in: The New York Times, online abrufbar: https://www.nytimes.com/2024/11/13/us/elections/republican-house-trifecta.html (abgerufen am 14. November 2024); vgl. auch Karni, Annie (13.11.2024): Republicans Ran a Dysfunctional House. Voters Shrugged and Re-elected Them, in: The New York Times, online abrufbar: https://www.nytimes.com/2024/11/13/us/politics/republican-house-majority.html
[7] Vgl. zu den Hintergründen: Adorf, Philipp (2019): Gerrymandering – Ursprung der parlamentarischen Polarisierung? In: Horst, Patrick / Adorf, Philipp / Decker, Frank (Hrsg.): Die USA – eine scheiternde Demokratie?, S. 87-108.
[8] Vgl. Desilver, Drew (10.03.2022): The polarization in today’s Congress has roots that go back decades, in: Pew Research Center, online abrufbar: https://www.pewresearch.org/short-reads/2022/03/10/the-polarization-in-todays-congress-has-roots-that-go-back-decades/ (abgerufen am 1. Oktober 2024).
[9] Vgl. den grundlegenden Rückblick zum Thema bei Adorf, Philipp (2017): Feindliche Übernahme oder Fortführung eines bewährten Kurses? Eine Analyse von Donald Trumps Sieg unter Berücksichtigung der Transformation der Republikanischen Partei, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 48. Jg., H. 4, S. 861-882.
[10] Vgl. Kane, Paul / Willis, Derek (05.11.2018): Laws and Disorder, in: The Washington Post, online abrufbar: https://www.washingtonpost.com/graphics/2018/politics/laws-and-disorder/?itid=sr_1_d40d5ac6-5725-49d1-8a97-4ab3ba4d4228 (abgerufen am 1. Oktober 2024).
[11] Brooks, Emily (11.11.2024): Here are the GOP’s Top Legislative Priorities under Trump, in: The Hill, online abrufbar: https://thehill.com/homenews/house/4981773-republican-agenda-trump-congress/ (abgerufen am 15. November 2014).
[12] Baker, Peter (10.11.2024): As Trump Returns to Power, Allies and Adversaries Expect a Wave of Revenge, in: The New York Times, online abrufbar: https://www.nytimes.com/2024/11/10/us/politics/trump-enemies-prosecution.html (abgerufen am 13. November 2024).
[13] Vgl. als eine Quelle unter vielen Herb Jeremy / Holmes, Kristen / Trenee, Alayna (07.11.2024): A Buoyant Trump Believes He has a Mandate to Hit the Ground Running as he Revels Behind Closed Doors, in: CNN, online abrufbar: https://edition.cnn.com/2024/11/07/politics/donald-trump-mindset/index.html (abgerufen am 13. November 2024).
[14] Vgl. Hulse, Carl (13.11.2024): John Thune Rises to the Top of the Senate, in: The New York Times, online abrufbar: https://www.nytimes.com/2024/11/13/us/john-tune-senate-republican-leader.html (abgerufen am 14. November 2024).
[15] Vgl. Arnsdorf, Isaac / Dawsey, Josh (14.11.2024): Trump Picks Gaetz and Gabbard for Top Jobs, Daring Senate GOP to Defy him, in: The Washington Post, online abrufbar: https://www.washingtonpost.com/politics/2024/11/13/trump-matt-gaetz-ag-gabbard/ (abgerufen am 15. November 2024).
Repräsentation und Parlamentarismus